Die Schlafwandler Banken müssen den digitalen Wandel völlig neu denken

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  1. Digitale Produkte

Der zweite wesentliche Unterschied zur klassischen Geschäftsprozess-Digitalisierung besteht in digitalen Produkten. Gemeint sind hiermit Angebote, die in einem hohen Maße digitalisiert sind, sprich online angeboten, abgeschlossen und betreut werden. Besonders anschaulich macht dies die digitalisierte Vermögensverwaltung: Mittels Online-Fragestrecke zur Ermittlung der kundenindividuellen Anlagestrategie und Online-Kontoeröffnung dank Video-Ident wird sie zum Robo-Advisor. Die digitalisierte Dienstleistung kann somit zu ganz anderen Stückkosten ganz neuen Kundengruppen rein online angeboten werden.

Ein weiteres Beispiel ist das Gewähren von Konsumenten- und Hypothekarkrediten. Bei der Digitalisierung der diversen Prozess-, Dokumentations- und Prüfschritte geht es nicht vorrangig um Effizienzgewinne, die gleichwohl gerne mitgenommen werden. Entscheidend ist der Kundenvorteil, nämlich das Stellen verbindlicher Konditionen und die unmittelbare Zu-oder Absage auf Knopfdruck, losgelöst von Postläufen. Einen Innovationsschritt weiter gehen Personal Finance Manager, die sogenannten PFMs. Bei diesen handelt es sich um Apps, die Konto- und Depotdaten über die verschiedenen Bankverbindungen aggregieren und so dem Nutzer eine Übersicht seiner Finanzen vermitteln.

Gut gemacht gehen sie über den reinen Hygienefaktor eines digitalen Services hinaus und bieten Mehrwerte. Die können zum Beispiel in hilfreichen Features wie Budget-Kontrolle zur Planung von Einnahmen und Ausgaben liegen. Auf ein anderes Kundensegment zielen PFM-Erweiterungen, die diese um illiquide Assets wie Immobilien ergänzen, um so einen wirklich holistischen Ansatz zur Vermögensanalyse zu ermöglichen.

  1. Digitale Geschäftsmodelle

Als Drittes ist ein Umbruch zu nennen, der nach anderen Branchen nun auch spürbar die Finanzindustrie erreicht: Die zunehmende Fragmentierung in den Wertschöpfungsketten und Spezialisierung hinsichtlich Angebot und adressierter Kundensegmente. API-Ökonomie und Cloud-Lösungen sind dabei zwei Technologietrends, die diese Entwicklung stützen, worauf weiter einzugehen aber den Inhalt dieses Beitrag sprengen würde. Sie ermöglichen Geschäftsmodelle, die, da durchgehend digital konzipiert, zu ganz neuen Marktdynamiken führen.

Zur Verdeutlichung dieser Entwicklung seien hier zwei Beispiele genannt. Ganz neu ist das Angebot Oskar (https://www.oskar.de), dem Grunde nach ein Robo-Advisor, aber mit dem klaren Fokus auf Sparen. Entsprechend niedrig ausgelegt ist die monatliche Sparrate von bereits ab 25. Euro Als zweite Neuerung können hier auch Konten für Minderjährige online eröffnet werden. Das Ganze offeriert auf einer ansprechend gestalteten, verständlichen Internetseite. Der Kundennutzen wird sofort deutlich: Sparen für mein Kind.

Zweites Beispiel: die Tomorrow Bank. Am einfachsten erklärt als N26, wobei hier das N für Nachhaltigkeit steht. Also eine App-Bank, die sich komplett der Nachhaltigkeit verschrieben hat. Geld als Teil der Lösung für eine nachhaltigere Welt, so deren Anspruch.

Beiden Beispielen gemeinsam ist:  Es sind keine neuen Produktlinien oder Sub-Marken von etablierten Anbietern wie es früher der Fall gewesen wäre, sondern Venture-Neugründungen. Das Einbinden von Partnern ermöglicht das eigenständige Auftreten als Finanzdienstleister. Will sagen: Auch wenn wesentliche Teile der Wertschöpfung von Dritten erbracht werden, die Kundenbeziehung etabliert und besitzen Oskar und Tomorrow, nicht die Bank-Partner im Hintergrund.

Die Fokussierung auf ein spezielles Thema und definierten Kundennutzen schafft Vertrauen, was die Conversion – etwa das Umwandeln eines Interessenten in einen Kunden – erhöht und große Marketing-Budgets durch höhere SEO-Online-Sichtbarkeit ausgleicht. Es handelt sich jeweils um eine Innovation von wiederum noch recht jungen Innovationen, erneut nicht von Banken kommend sondern von Fintechs. Und bei Tomorrow im Übrigen sogar von Gründern, die nicht einmal aus der Finanzdienstleistungsindustrie kommen.