Der prinzipielle Reiz von Schwellenländern ist der einer klassischen Wachstumsgeschichte. Im Vergleich zu den Industrienationen starten Schwellenländer schließlich von einer niedrigeren wirtschaftlichen Basis. Das verspricht ein höheres Wachstum. Schwellenländer profitieren auch von ihren demografischen Gegebenheiten: Eine grundsätzlich jüngere und schneller wachsende Bevölkerung trägt zur höheren Vitalität ihrer Wirtschaften bei.
Die Kehrseite der Medaille: Anlagen in Schwellenländern sind herausfordernd. Historisch gesehen waren Investments in diese Märkte riskanter als Investments in Industrieländer: Höhere Volatilität und stärkere Kursrückgänge zeigten das. In einzelnen Ländern können zusätzlich die Währungen schwanken, sich geopolitische Probleme auswirken und Staaten in die Wirtschaft eingreifen. Solche länderspezifischen Risiken lassen sich in einem globalen Schwellenländer-Portfolio weitgehend wegdiversifizieren.
Die Volatilität von Schwellenländern ist in den vergangenen Jahren auf das Niveau von entwickelten Märkten gesunken. Die Aktienmärkte der Schwellenländer haben sich von 1999 bis 2011 besser entwickelt als die Börsen der entwickelten Länder – hinken diesen seitdem aber hinterher.
Die Historie zeigt aber auch, dass Schwellenländer tendenziell dann eine überdurchschnittliche Wertentwicklung erzielen, wenn der Markt sie relativ gesehen teurer bewertet als die Aktienmärkte der Industrieländer. Andersherum entwickeln sie sich unterdurchschnittlich, wenn sie günstiger bewertet sind.
Folglich erklären überwiegend unterschiedliche Bewertungsniveaus und nicht Fundamentaldaten den Rendite-Rückstand von Schwellenländern in den vergangenen Jahren. Dies führt dazu, dass Schwellenländer aktuell so günstig bewertet sind wie zuletzt vor 20 Jahren. Genau zu dem Zeitpunkt begannen die Schwellenländer gerade, die Märkte der Industrieländer zu überflügeln. Konkret waren Schwellenländer Ende Januar 2024 mit einem erwartetem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 11,3 mehr als 35 Prozent günstiger als entwickelte Märkte mit einem erwarteten KGV von 17,7.
Zudem glauben wir, dass die Industrieländer mit ihrem Kampf gegen die Inflation viele makroökonomische Vorteile der letzten Jahre verlieren. Die quantitative Lockerung ist Geschichte, die Realzinsen normalisieren sich, während Schwellenländer von niedrigerer Kerninflation, wachsenden Devisenreserven, Handelsüberschüssen und umsichtiger Fiskalpolitik profitieren.
Investoren haben möglicherweise Bedenken hinsichtlich nachhaltiger Investitionen in den Schwellenländern. Unsere Analysen zeigen aber, dass die nachhaltigsten Unternehmen in den Schwellenländern auf Augenhöhe mit jenen in entwickelten Märkten sind. Unsere These: Mit den richtigen Werkzeugen und Daten ist es auch in diesen Märkten möglich, nachhaltige Aktienportfolios zu konstruieren.
Quantitativ versus fundamental
Anleger, die sich für ein Investment in Schwellenländern entscheiden, können am Fondsmarkt sowohl aus fundamentalen als auch quantitativen Strategien wählen. Fundamentale Manager analysieren traditionell finanzielle, wirtschaftliche und geschäftliche Aussichten eines Unternehmens und berücksichtigen makroökonomische und politische Risiken in den einzelnen Schwellenländern. Im Gegensatz dazu gehen quantitative Manager systematisch vor, um Faktorprämien basierend auf spezifischen Unternehmensmerkmalen zu erfassen. Dafür nutzen die Fondsmanager mathematische Modelle und Algorithmen, um sich für Investments zu entscheiden und das Portfolio aufzubauen.
Vor diesem Hintergrund haben wir die Wertentwicklung der beiden Anlagestile in Schwellenländern untersucht. Muss man fundamental investieren, um in Schwellenmärkten erfolgreich zu sein? Oder sind fundamentale Investoren nur verkappte Faktorinvestoren? Oder lassen sich beide Welten kombinieren?

162-mal Schwellenländer
Um diese Fragen zu beantworten, analysieren wir die Datenbank von Evestment. Der Datenanbieter für institutionelle Vermögensverwalter deckt mehr als 27.000 institutionelle Strategien in über 700 Anlage-Universen ab.
Wir filtern dabei auf mehreren Ebenen: Damit stellen wir sicher, dass wir nur Strategien auswerten, die in Large- und Mid-Cap-Aktien aus den Schwellenländern investieren. Dazu schließen wir beispielsweise Mischfonds oder Strategien aus, die nur in einzelne Länder investieren. Der Startzeitpunkt der Analyse ist April 2011, auch fünf Robeco-Strategien sind Teil der Analyse. Insgesamt werten wir 162 Strategien aus, von denen 123 einen fundamentalen und 39 einen quantitativen Ansatz haben. Die Verteilung der durchschnittlichen Renditen von sowohl quantitativen als auch fundamentalen Strategien zeigt, dass beide Gruppen mit einer durchschnittlichen Überperformance von rund 2 Prozent pro Jahr den Markt erfolgreich übertreffen können.
Ein genauerer Blick zeigt jedoch auch Unterschiede zwischen den beiden Anlagestilen. So gehen fundamentale Manager typischerweise höhere aktive Risiken (Tracking Error) ein. Das führt zu relativ höheren Information Ratios für quantitative Strategien. Zur Erinnerung: Die Information Ratio gibt an, ob ein Fonds eine höhere oder niedrigere Rendite als der Vergleichsindex erzielen konnte, indem er von dessen Portfoliozusammensetzung abwich. Aber: Höhere Tracking Errors sind meist eine Voraussetzung für eine hohe Überrendite.
Interessanterweise leiten sich die hohen Tracking Errors der leistungsstärksten Strategien oft von einer unterdurchschnittlichen absoluten Volatilität ab. Das zeigt: Low-Risk-Strategien können in Schwellenländern wirken.
Da Schwellenländer-Aktien erhöhte Investitionsrisiken mit sich bringen können, untersuchen wir auch absolute und relative Drawdowns. Auffällig ist, dass der Großteil der quantitativen Strategien kleinere absolute Drawdowns als der MSCI Emerging Markets Index oder fundamentale Strategien verzeichnet, wobei dabei insbesondere Low-Risk-Strategien hervorstechen.
Betrachtet man die relativen Drawdowns, schneiden quantitative Strategien im Allgemeinen erneut besser ab. Allerdings mit einem wichtigen Unterschied: Betrachtet man alle Strategien, so zeigen die Low-Risk-Strategien die höchsten relativen Drawdowns.
Das ist jedoch kein Fehler, sondern ein Wesensmerkmal von Low-Risk-Strategien: Sie schützen zwar in Bärenmärkten, neigen aber dazu, in Bullenmärkten zurückzubleiben. Daraus entstehen die beobachtbaren relativen Drawdown-Muster.

Kombi reduziert Risiken
Es zeigt sich: Die vier Stilfaktoren „Size“, „Value“, „Quality“ und „Momentum“ treiben die quantitativen Stragien. Dagegen weisen fundamentale Strategien oftmals ein negatives Value Exposure auf, was eher einem Growth-Anlagestil entspricht. Diese Unterschiede können Portfoliomanager strategisch nutzen, um die Portfoliodiversifikation zu verbessern – indem sie quantitative und fundamentale Stile kombinieren.
Tatsächlich ist die durchschnittliche Outperformance-Korrelation von Strategien innerhalb der Gruppe fundamentaler Strategien mit 0,21 oder quantitativer Strategien mit 0,28 deutlich höher als die durchschnittliche Korrelation zwischen fundamentalen und quantitativen Strategien mit 0,06. Eine so niedrige Korrelation legt nahe, dass Portfoliomanager mit einer Kombination von fundamentalen und quantitativen Strategien auch eine stabilere Überrendite erwirtschaften können. Das reduziert das aktive Risiko.
Die Wertentwicklung aller möglichen 50:50-Kombinationen aus fundamentalen und quantitativen Strategien lässt sich mit den rein fundamentalen und rein quantitativen Strategien vergleichen. Bei kombinierten Portfolios steigt die Information Ratio auf ein Niveau, das rund 25 Prozent höher ist als die durchschnittliche Information Ratio der beiden Untergruppen. Der Tracking Error sinkt und auch die relativen Drawdowns, wenn Portfoliomanager die simulierten Mischportfolios aus fundamentalen und quantitativen Strategien bauen.
Klar wird also: Sowohl fundamentale als auch quantitative Strategien können in Schwellenländern Alpha erzielen. Im Durchschnitt ähneln sich die Renditen der beiden Anlagestile, sie unterscheiden sich in puncto Risiko: Quantitative Fonds haben ein geringeres aktives Risiko. Weil beide Anlagestile so komplementär sind, können Portfoliomanager sie für eine höhere Information Ratio und ein ausgewogenes Risikoprofil kombinieren. Allerdings nicht willkürlich – sondern mit Maß: Die Kombination sollte ein gegebenes Anlageziel erfüllen. Zum Beispiel könnten Investoren vorgeben, dass ein Portfolio den MSCI Emerging Markets Index in klar definierten Risikogrenzen übertreffen soll.
Dabei ergibt es Sinn, fundamentale und quantitative Strategien mit einem ähnlichen Tracking Error, aber unterschiedlichen Faktor-Exposures zu kombinieren. Alternativ können Portfoliomanager eine Low-Risk-Strategie zu einer fundamentalen Strategie hinzufügen, die überdurchschnittlich risikoreich ist. Das rundet das Risikoprofil des Gesamtportfolios ab. Die wichtigste Erkenntnis der Studie ist aber: Quantitative und fundamentale Strategien sind komplementär. Und das ist ein Vorteil für Schwellenländer-Anlagen.

Über die Autoren:

Harald Lohre ist Executive Director für Quant-Aktien-Research bei Robeco. Der promovierte Finanzwissenschaftler kam von Invesco Quantitative Strategies, wo er die Position Direktor für Research bekleidete und zudem Mitglied des globalen Management-Teams war. Zuvor arbeitete er unter anderem für Deka Investment und Union Investment.

Matthias Hanauer ist Direktor für Quant-Aktien-Research bei Robeco. Er arbeitet seit 2014 bei dem niederländischen Asset Manager und studierte zuvor empirische Finanzwissenschaft an der Technischen Universität München.

Vera Roersma ist Quant-Aktien-Forscherin bei Robeco. Sie arbeitet seit 2022 bei Robeco und studierte unter anderem Computerwissenschaften sowie Ökonometrie und Management-Wissenschaften in Delft und Rotterdam.