Kunst-Expertin im Gespräch „Die Rendite liegt im Einkauf“

Seite 3 / 3

Alle Welt redet derzeit von NFTs. Warum sollte man sich dafür interessieren?

Polleit Riechert: NFTs sind aus meiner Sicht ein kunsthistorischer Meilenstein, besonders für digitale Kunst. Bislang war digitale Kunst für den Handel nicht interessant, da sie beliebig kopiert werden konnte. Mit der Möglichkeit, von einer digitalen Datei ein NFT zu kreieren, das fälschungssicher, einzigartig und handelbar ist, haben digitale Künstler erstmalig hervorragende Möglichkeiten, ihre Werke zu verkaufen. Aber nicht nur digitale Kunst, sondern auch jedes analoge Werk, sogar Meisterwerke, können mit der NFT-Technik zertifiziert auf der Blockchain hinterlegt werden. Tatsächlich sind schätzungsweise mindestens 30 Prozent aller Werke am Markt und in Museen Fälschungen. Insofern bietet diese Technologie die Möglichkeit, dass jedes neu in den Markt eintretende Kunstwerk fälschungssicher mit einem NFT auf der Blockchain registriert wird. Auch Meisterwerke können in Form von Token fraktionalisiert werden. Damit werden Anteile an teuren Klassikern für jeden Interessenten als Investment erschwinglich.

 

Welche Faktoren bestimmen den Marktwert einer Arbeit und die des Künstlers?

Polleit Riechert: Zu Beginn spielt die Ausbildung eine große Rolle. Hat der Künstler an einer renommierten Akademie abgeschlossen, sind seine Werke teurer als die von Künstlern ohne diese Ausbildung. Sobald der Künstler Erfolg hat, verliert dieser Aspekt an Bedeutung. Generell bestimmen – wie in anderen Branchen auch – Angebot und Nachfrage den Preis. Stellt der Künstler international aus, nimmt er an der documenta oder Biennale teil, steigt sein Wert sofort. Viel Aufmerksamkeit in der Presse oder auf Social Media tragen ebenfalls dazu bei. 

Was steckt hinter der von Ihnen entwickeltem RPR-Art-Methode?

Polleit Riechert: Meine RPR-Art-Methode hilft beim Aufspüren von guten Investments und dient als Schlüssel zur Bewertung. Zudem biete ich Interessierten damit eine einfache Anleitung zum Kunstkauf in sieben Schritten an. Damit können auch Unerfahrene einen seriösen und für sie passenden Kunstkauf abschließen. Die Methode beginnt mit einer Bestandsaufnahme und der Definition der Zielsetzung: Was gefällt mir, was suche ich? Sie entwickelt sich weiter über eine breite Informationsaufnahme und die Schulung des eigenen Auges, bis stärker eingegrenzt ist, was der Interessierte sucht. Gibt es dann ein Objekt, das zum Kauf infrage kommt, muss dieses Werk hinsichtlich Qualität und Preis geprüft werden. Sind alle To-dos abgearbeitet, kommt die alles entscheidende Frage: Möchte ich dieses Werk eigentlich jemals wieder verkaufen? Wenn nicht, ist es für einen Kauf geeignet. 

In ihrem Buch „Kunst kaufen“ empfehlen Sie, sich an der „Preis versus Wert“-Regel zu orientieren. Was steckt dahinter?

Polleit Riechert: Die „Preis versus Wert“-Regel stammt von Investorenlegende Warren Buffett. Der Preis ist das, was man bezahlt, der Wert ist das, was man bekommt. Die Regel besagt: Kaufe dann, wenn der Preis unter dem Wert liegt. Denn das verbessert nicht nur die Investitionsrendite, man hat so auch ein Risikopuffer. Dieses Vorgehen lässt sich für Kunst als Investment anwenden: Das Werk eines Künstlers sollte nur dann gekauft werden, wenn der Preis unter dem Wert liegt. Wenn Künstler beispielsweise gehyped sind, gerade im Trend liegen, sollte man gerade mit Blick auf die „Preis versus Wert“-Regel genau prüfen, ob ein Kauf lohnend ist oder nicht.

In Amerika ist Kunst oft Teil eines Anlageportfolios. Einer solchen Strategie folgend: Über wie viel Prozent des Vermögens redet man da sinnvollerweise?

Sie sind neugierig aufs Private Banking?

Wir auch. Abonnieren Sie unseren Newsletter „pbm daily“. Wir versorgen Sie vier Tage die Woche mit aktuellen Nachrichten und exklusiven Personalien aus der Welt des Private Bankings.

Polleit Riechert: In Deutschland werden konservativ nicht mehr als fünf maximal zehn Prozent eines Portfolios in Kunst investiert, wenn überhaupt. In Asien investieren junge Leute bis zu 20 Prozent. 

Tatsächlicher Wertzuwachs lässt sich erst durch einen Wiederverkauf generieren: Werden da nicht oft die Gewinnchancen überschätzt?

Polleit Riechert: Die Herausforderung besteht darin, an einem bestimmten Tag einen Käufer zu finden, der bereit ist, die erwartete Summe zu zahlen. Da der Preis auch immer im Auge des Betrachters liegt und somit Geschmack eine Rolle spielt, muss das Risiko immer einkalkuliert werden, nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt verkaufen zu können. Ein langer Atem ist insofern wichtig. 

Wenn Sie die Wahl hätten: Warhol oder alte Niederländer?

Polleit Riechert: Auch wenn ich aus kunsthistorischer Sicht eine Gegenüberstellung von alten Niederländern und zeitgenössischer Kunst spannend finden würde: Als Anlageobjekt kommt für mich nach meinen aktuellen Analysen nur ein Werk von Warhol infrage – jedoch nur dann, wenn der Preis des Werkes unter dem Wert liegt. 

Das Interview erschien zuerst im „The Materialist“ und wurde dann dem private banking magazin zur Verfügung gestellt.

Über die Interviewte:
Ruth Polleit Riechert studierte Kunstgeschichte und promovierte an der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität. Sie arbeitet seit mehr als 20 Jahren im Kunstmarkt und im Marketing der Finanzindustrie (Christie’s, Ketterer Kunst, Deutsche Bank, McKinsey & Company, UBS Art Banking). Seit 2017 berät sie selbstständig und unabhängig Privatkunden, Firmen sowie öffentliche Institutionen in Kunstfragen und publiziert regelmäßig Beiträge zum aktuellen Kunstmarkt und Kunstinvestments.

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen