Wertspeicher statt Zahlungsmittel Die neue Wahrnehmung von Kryptowährungen

Twitter-Chef Jack Dorsey nimmt per Live-Schalte an einer Anhörung des US-Senats teil

Twitter-Chef Jack Dorsey nimmt per Live-Schalte an einer Anhörung des US-Senats teil: Der Kurznachrichtendienst hat wie viele weitere Unternehmen angekündigt, in Bitcoin zu investieren. Foto: imago images / MediaPunch

Die Analyse zur veränderten Rolle von Kryptowährungen erschien erstmals im Kundenmagazin des Family Office Finvia.



Stefan Thomas ist momentan ein gefragter Mann. Der deutsche Mitdreißiger ist als IT-Unternehmer in San Francisco erfolgreich. Und doch ist diese Tatsache nicht der Grund, warum Medien von der New York Times bis hin zur Augsburger Allgemeinen über den Programmierer berichten. Der Grund ist, dass Thomas ein Vermögen von zeitweise über 200 Millionen US-Dollar hatte, an das er nicht herankommt.

Thomas besitzt 7.002 Bitcoin, Einheiten einer Kryptowährung, die seit Monaten mit schwindelerregenden Kursexplosionen die Finanzmärkte in Atem hält. Doch die Zugangsdaten zu seiner digitalen Geldbörse, in der das Vermögen liegt, den hat er vergessen.

Damit ist er wohl einer der unglücklicheren unter den mittlerweile vielen Bitcoin-Millionären auf diesem Planeten. Wie viele es genau gibt, ist nicht klar festzumachen. Zwar ist dank der dezentralen Struktur von Bitcoin sehr genau nachzuvollziehen, in welchen Krypto-Geldbörsen – sogenannten Wallets – wie viel liegt. Doch die Wallet-Besitzer sind anonym, so dass es auch möglich ist, dass einer von ihnen mehrere Millionenbörsen besitzt.

Im November vergangenen Jahres gab es gut 25.000 dieser millionenschweren Wallets. Mitte Februar 2020 gab es sogar etwa 40, die ein Milliardenvermögen repräsentierten. Die größte von ihnen enthielt 141.452 Bitcoin, was zu der Zeit etwa sieben Milliarden US-Dollar entsprach.

Solche Summen locken mittlerweile auch klassische Milliardäre an, zum Beispiel Elon Musk. Musk, Gottseibeiuns der globalen Autoindustrie, Intimfeind aller Shortseller und selbsternannter Marskolonialisierer, bejubelt seit einigen Monaten Kryptowährungen, insbesondere den allseits bekannten Bitcoin, aber zeitweise auch den eher obskuren Dogecoin, von dem er sich anscheinend wieder abgewandt hat.

Kryptowährungen sind damit eines der ganz heißen Assets an den weltweiten Finanzmärkten. Innerhalb des vergangenen Jahres stieg der Wert von Bitcoin um über 300 Prozent, ein Bitcoin ist mittlerweile 50.000 Dollar wert. Alternativen wie Ethereum (+500 Prozent) und Ripple (+80 Prozent) verzeichnen ebenfalls gigantische Kurssprünge.

Manche Experten halten diesen Boom allerdings für eine Blase, unter anderem die britische Finanzaufsicht warnte Anleger davor, in Kryptowährungen zu investieren, sie könnten sonst all ihr Geld verlieren. So wie im ersten Kryptoboom im Jahr 2017: Bitcoin erreichte damals einen neuen Höchststand von fast 20.000 US-Dollar, nur um in kurzer Zeit komplett einzubrechen, auf einen Kurs von etwa 5.500 US-Dollar Ende 2018. Viele Menschen verloren sehr viel Geld, manch einer hatte sich hoch verschuldet, um am Hype mitzuverdienen. Große Banken wie J.P. Morgan Chase und die Citigroup verboten ihren Kunden sogar, Bitcoin per Kreditkarte zu kaufen.

Könnte sich ein solcher Preisverfall wiederholen? Oder sind Kryptowährungen dieses Mal gekommen, um zu bleiben? Vieles deutet tatsächlich darauf hin, dass sie auch in Zukunft eine Rolle im globalen Finanzmarkt spielen. Denn mittlerweile ist das digitale Geld nicht mehr nur eine Spielwiese für Nerds, selbst große Zahlungsdienstleister wie Paypal oder Mastercard und die meisten großen Banken mischen im Kryptomarkt mit. Und die einst so kritische Großbank JPMorgan Chase erwartet sogar einen Kurs von 146.000 US-Dollar in der Zukunft, etwa das Dreifache des bisherigen Höchststandes.

Das neue Gold

Der plötzliche Erfolg liegt vor allem daran, dass sich die Wahrnehmung von Kryptowährungen verschoben hat. „Bitcoin und Co. sind für viele Anleger Wertspeicher und kein Zahlungsmittel“, erklärt Timo Emden. Er analysiert mit seinem Unternehmen Emden Research den Kryptowährungs-Markt und glaubt, dass der aktuelle Boom nicht vergleichbar ist mit dem von 2017. Die Treiber seien diesmal andere, „ansonsten wäre Bitcoin ja wieder an der 20.000-Dollar-Marke abgeprallt“.

Er sieht zwei Gründe dafür, dass der Anstieg über diese vorherige Höchstmarke hinausging: „Zum einen ist die Regulierung heute besser als vor drei Jahren, zum anderen sind auch viele institutionelle Anleger beteiligt, die die Begeisterung der Massen für Bitcoin ausnutzen wollen.“ Kaum eine Rolle spielt dabei tatsächlich die Frage, inwieweit Bitcoin sich mittelfristig als Währung durchsetzen könnte. „Dafür ist es auch einfach zu volatil“, so Emden.