„Grüne“ Blasen vermeiden Die Nachteile von ESG-Scores und wie sie in die Irre führen

Louis Larere ist SRI-Portfoliomanager von Zadig Asset Management

Louis Larere ist SRI-Portfoliomanager von Zadig Asset Management: Er und seine Kollegen haben ein hypothetisches Portfolio erstellt, um die Verzerrung von ESG-Ratings aufzuzeigen.

Investoren berücksichtigen zunehmend die Bedeutung nicht-finanzieller Aspekte bei Unternehmensbewertungen und Investitionsentscheidungen. Allerdings herrscht noch immer Unklarheit bezüglich des neuen Lexikons. Hier soll die Verordnung EU-Taxonomie mit einem eindeutigen Klassifizierungssystem für die Kennzeichnung nachhaltiger Finanzprodukte für Klarheit sorgen. Voraussichtlich im ersten Quartal 2021 sollen die ersten technischen Schwellenwerte als delegierter Rechtsakt in Kraft treten.

Daher ist es wichtig, sich der Grenzen von ESG-Ratings bewusst zu sein und heute teuer bewertete „grüne“ Aktien zu meiden. Unser Fokus liegt darauf, die Integration von Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungsaspekten (ESG) von nachhaltigem Investieren zu unterscheiden. Wir verstehen ESG als eine Reihe von Kennzahlen, die uns helfen, nicht-finanzielle Aspekte der Leistung eines Unternehmens zu erfassen. Darüber hinaus ermöglichen sie uns, das Unternehmen im Vergleich zu einer Branche oder einer ausgewählten Gruppe vergleichbarer Unternehmen einzustufen.

Insbesondere sind ESG-Faktoren nicht dazu geeignet, sich eine Meinung über die Auswirkungen einer Branche auf die Umwelt zu bilden. Vielmehr sollten sie als Richtschnur dafür dienen, wie ein Unternehmen seine Auswirkungen auf alle Stakeholder verbessert – ob lokale Gemeinschaften, Mitarbeiter oder Aktionäre.

Es ist wichtig zu wissen, wie ESG-Ratings vergeben werden. Corporate-Governance-Aspekte wie Stimmrechte, Unabhängigkeit des Vorstands oder etwa Anzahl der Frauen im Management lassen sich leicht über Branchen hinweg vergleichen. Auf die ökologischen und sozialen Kriterien trifft dies jedoch nicht zu. Es ist schwer, die soziale oder ökologische Leistung eines anlagenintensiven, arbeitsintensiven Automobilherstellers mit der eines Softwareentwicklers zu vergleichen.


Aus diesem Grund führen ESG-Rating-Anbieter verständlicherweise nur Unternehmensvergleiche und Rankings innerhalb von Branchen durch. Zum Beispiel würden sie den französischen Autozulieferer Valeo mit ähnlichen Unternehmen wie Continental in Deutschland, Aptiv in den USA oder Denso in Japan vergleichen. Zudem gewichten die Rating-Agenturen jede Kennzahl je nach Branche unterschiedlich. Das ist bei klar definierten Sektoren wie den Autozulieferern einfach, bei diversifizierten Holdinggesellschaften mit Geschäften aus verschiedenen Branchen jedoch komplizierter.

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Die zwei Nachteile von ESG-Ratings

Wir sind davon überzeugt, dass eine ordnungsgemäße ESG-Due-Diligence zu einem besseren Verständnis der Risiken und Chancen eines Unternehmens führt. Allerdings halten wir es aus zwei Gründen für riskant, sich nur auf Ratings zu verlassen.

Erstens sind sich die Anbieter von ESG-Ratings tendenziell uneinig. Es fällt ihnen sehr schwer, sich auf spezifische Vorgaben zu einigen, beispielsweise für CO2-Emissionen oder Mitarbeiterschulungsstunden. Rating-Agenturen hingegen haben vergleichbare Regeln für die Kriterien wie Verschuldung oder Liquidität. Folglich sind die Bewertungen der ESG-Research-Firmen für ein und dasselbe Unternehmen nur geringfügig korreliert, nämlich nur zu durchschnittlich 61 Prozent (mit einer Spanne von 40 bis 70 Prozent), so eine aktuelle Untersuchung der MIT Sloan Business School.