Marktgespräch ... mit Jens Minnemann „Die Lösung wäre, Beratung und Produktvertrieb zu trennen“

Seite 2 / 2

Die Vermögensallokation in Niedrigzinsphasen ist auch für vermögende Kunden herausfordernd. Wenn der Markt sagt, dass Wealth-Management-Institute häufig das Interesse ihrer Klientel an Asset-Klassen wie Private Equity, Private Debt, Hedgefonds und sonstigen Real Assets nicht erfüllen können ...

Jens Minnemann: ..., würde ich diese Einschätzung teilen. Allerdings habe ich auch den Eindruck, dass es wenige Vermögende gibt, die entsprechende Ansprüche haben. Der Bedarf scheint mir vielmehr von den Produktanbietern künstlich geschaffen zu werden. Die genannten Anlageklassen setzen höchste Anforderungen bezüglich Wissen und Risikobereitschaft voraus. Außerdem können die genannten Asset-Klassen nahezu alle durch transparente, liquide und vergleichsweise kostengünstige direkte Investitionen über Aktien und Investmentfonds umgesetzt werden.


ESG und Nachhaltigkeit sind in aller Munde. Es scheint, dass ohne ESG-Siegel und Nachhaltigkeitsversprechen im Wealth Management nichts mehr geht. Wenn der Kunde sagt, dass ESG und nachhaltiges Verhalten nicht nur ein Produktkodex, sondern vor allem ein Verhaltenskodex meiner Berater sind ...

Jens Minnemann: ...stimme ich dem zu. Nachhaltigkeit gründet auf den Werten eines Kaufmanns: Ehrlichkeit, Transparenz, Integrität et cetera. Daraus entwächst nachhaltiges, verantwortliches Handeln. Meiner Einschätzung nach ist die Wandlung der Branche zu mehr Nachhaltigkeit nur in wenigen Fällen wirklich überzeugungsgetrieben. Dies zeigt sich unter anderem darin, dass es nur wenige Berater gibt, die das Nachhaltigkeitsverständnis ihrer Bank erklären können. Für mich wäre nachhaltiges Handeln beispielsweise, wenn der Berater einer Bank die mit einer Kapitalanlage verbunden Kosten dem Kunden gegenüber nicht nur offenlegt, sondern ihm diese Kosten detailliert erläutert und den Kunden dadurch in die Lage bringt, eine qualifizierte Entscheidung zu treffen.

Zunehmend erhöhen Wealth-Management-Anbieter ihre Mindestanlagegrößen in der Vermögensverwaltung. Wenn ein Institut sagt, dass das Wealth Management künftig nur noch ab einer Mindestanlagehöhe von x Millionen Euro angeboten wird ...

Jens Minnemann: ... würde ich nachfragen, worin denn der konkrete Mehrwert dieser Dienstleistungen besteht und warum die Bank diese erst ab der jeweiligen Größenordnung anbietet. Wir stellen bei der Analyse von Vermögensanlagen unserer Kunden immer wieder fest, dass individuelle Lösungen in vielen Fällen keinen Mehrwert bringen. So ist die Vermögensverwaltungsleistung einer Bank nicht nur in einem diskretionären Mandat erwerbbar, sondern vielfach auch in Form eines Investmentfonds. Der Erwerb einer kostengünstigen, institutionellen Tranche eines Fonds ist für den Kunden in vielen Fällen vorteilhafter.


Über den Interviewenden:

Jens Minnemann ist geschäftsführender Gesellschafter der Vision for Finance, die vermögende Kunden in finanzstrategischen Fragen berät. Vor dem Schritt in die Selbstständigkeit im April 2019 war er 25 Jahre lang für LBBW, Fürstlich Castell’sche Bank und Oddo BHF tätig, darunter als Niederlassungsleiter oder gar als Gesamtverantwortlicher für Private Banking und Wealth Management.

Dr. Dražen Mario Odak ist Co-Mehrheitsgesellschafter und Vorstand der Stephan Unternehmens- und Personalberatung. Der Fokus des Unternehmens aus Bad Homburg liegt auf dem Private Banking/Wealth Management, Familienunternehmen, Family Office, Asset Management, Industrie und Immobilienwirtschaft. Alle zwei Jahre veröffentlicht er zusammen mit Peter Hannemann die Wealth-Management-Marktstudie.

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen