Marktgespräch ... mit Jens Minnemann „Die Lösung wäre, Beratung und Produktvertrieb zu trennen“

Jens Minnemann von der Vision for Finance

Jens Minnemann von der Vision for Finance: Mit dem eigenen Unternehmen berät er Vermögende in finanzstrategischen Fragen.

Die Fragen stellt Dražen Mario Odak, Studienautor der jüngsten PWM-Marktstudie der Stephan Unternehmens- und Personalberatung.

Das Wealth Management in Deutschland befindet sich im Wandel: Große Privatbanken verschwinden vom Markt, internationale Banken ziehen sich zurück, Geschäftsmodelle werden radikal umgebaut. Wenn der Markt sagt, dass die Veränderung und Segmentierung des Private Wealth Managements eine Folge der veränderten Kundenbedürfnisse ist…

Jens Minnemann: ..., entspricht das zu 100 Prozent meiner Erfahrung. Es müsste deutlich gemacht werden, was zentrale Kundenbedürfnisse sind. Banken und Kunden reden häufig von Zweierlei, wenn es um die Dienstleistung einer finanzstrategischen Beratung geht. Kunden wünschen sich primär einen unabhängigen Berater „ihres Vertrauens“. Das bei den allermeisten Instituten mit der Beratung unmittelbar einhergehende Angebot von Kapitalanlagen, oder klarer formuliert, des Produktvertriebs, konterkariert Kundenwünsche jedoch systemisch und opportunistisch. Darüber hinaus ist es für Kunden sehr schwierig, die Produkte und Dienstleistungen ihrer Banken, und insbesondere auch die damit verbunden Kosten, hinterfragen zu können. Die einzig ehrliche und gerechte Lösung, wenn es um Kundenbedürfnisse geht, ist die klare Trennung von Beratung und Produktvertrieb.

Der Wealth-Management-Markt in Deutschland gilt als regional geprägt und ist in Bezug auf Kunden und deren Bedürfnisse sehr unterschiedlich. Wenn der Kunde sagt, die regionale Verbundenheit meines Vermögensverwalters ist mir wichtig ...

Jens Minnemann: … würde ich dagegenhalten. Bei der Auswahl eines Vermögensverwalters geht aus meiner Sicht mit großem Abstand vor allem um dessen Kompetenz, Leistungsfähigkeit und Integrität. Die regionale Nähe eines Vermögensverwalters ist vergleichsweise unbedeutend. Ich würde jedem Privatanleger und Unternehmer raten, einen vertrauenswürdigen Berater zu suchen, der die Interessen seiner Kunden vertritt und diese dabei unterstützt geeignete Banken und Vermögensverwalter auszuwählen. Und ich würde raten, diesen in Form eines angemessenen Beratungshonorars wertzuschätzen. Auch wenn sich nicht aller persönlichen Begegnungen ersetzen lassen – und auch nicht ersetzt werden sollten – lässt sich beispielsweise ja auch über Videokonferenzen eine gewisse Nähe erzeugen.

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Dienstleistungen im deutschen Wealth Management sind häufig günstiger als zum Beispiel in der Schweiz. Aus Sicht der Anbieter weicht die angemessene Marge im Provisionsgeschäft von der tatsächlich erzielten um 22 Prozent ab. Wenn eine Bank sagt, eine Anpassung der Preise im Provisionsgeschäft ist aus Sicht der Rentabilität notwendig ...

Jens Minnemann: ... ist das zu hinterfragen. Meines Erachtens ist aus Kundensicht die Leistung der Institute in Relation zu den Kosten, die der Kunde dafür bezahlt, mehrheitlich zu gering – und die Bank gewinnt fast immer. Ich würde mir wünschen, dass Banken ihre Kreativität einsetzen, um für ihre Kunden bessere Angebote zu entwickeln. Am Ende sollte für Kunde und Bank eine gerechte Win-Win-Situation entstehen. Die Bank erbringt gute Leistungen, für die der Kunde angemessen bezahlt.

Das Homeoffice hat als Folge der Corona-Krise massiv an Bedeutung gewonnen. Wenn Kollegen sagen, dass sie die Arbeitsweise aus wöchentlich wechselnder Büro-Präsenz und Homeoffice auch künftig beibehalten wollen ...

Jens Minnemann: ... würde ich sagen, dass es Menschen gibt, die im Homeoffice deutlich produktiver sind, und Menschen, für die eine Büroumgebung zu einer erhöhten Produktivität führt und ich die Arbeitsorganisation insofern davon abhängig machen würde. Am Ende geht es um die Frage, was den Kunden dient. Die Zeit in der Anwesenheitsprämien gezahlt wurden, ist vorbei.