ESG allein reicht nicht Die Finanzbranche muss sich radikal wandeln

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Ein Beispiel für ethischen und negativen Ausschluss ist das Nordic Swan Ecolabel für Anlageprodukte. Um sich für dieses Label zu qualifizieren, müssen Vermögensverwalter Unternehmen ausschließen, deren Einnahmen zu mehr als fünf Prozent aus dem Öl- und Gasgeschäft stammen. Energieerzeuger dürfen maximal fünf Prozent ihrer Energie aus nicht-erneuerbaren Quellen erzeugen, es sei denn, sie erfüllen eine Reihe sehr strenger Kriterien unter anderem in Bezug auf neue Investitionen in erneuerbare Energien und Einnahmen aus erneuerbaren Energien im Vergleich zu anderen Quellen.

Nachhaltigkeitsratings und normative Screens für Unternehmen haben maßgeblich dazu beigetragen, dass sich „Do no Harm“- und ESG-Optimierungsstrategien schnell am Markt durchsetzen konnten. Dennoch sind diese Ansätze offensichtlich unwirksam, wenn es darum geht, Kapital in Unternehmen zu lenken, die ihre Ressourcen und ihren Einfluss bewusst einsetzen, um den Übergang zu einer nachhaltigeren Wirtschaft zu katalysieren.

ESG- und ausschlussorientierte Fonds, die die überwältigende Mehrheit der derzeit auf dem Markt befindlichen „nachhaltigen Anlageoptionen“ ausmachen, schließen Unternehmen aus einem breiteren Index nur aus, indem sie quantitative ESG-Schwellenwerte, sektorweite Screens oder normbezogene Ausschlüsse anwenden. Durch die Anwendung dieser Methoden erhalten sie am Ende ein „schadensfreies“ oder „Best-in-Class“-Portfolio.


Allerdings wird zu keinem Zeitpunkt des Investitionsprozesses ein positiver Beitrag für die Gesellschaft berücksichtigt. In manchen Fällen kann sogar in Frage gestellt werden, ob ESG-gelabelte Fonds wirklich so grün sind, wie ihr Etikett suggeriert. In vielen Fällen werden branchenweit bestehende Investmentfonds einfach als „grüne“ Fonds umetikettiert, ohne dass der Fonds selbst, oder die zugrundeliegenden Anlagestrategien erkennbar verändert werden.

Wenn es darum geht, einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft und den Planeten auszuüben, ist Impact Investing eine Liga für sich. Diese nachhaltige Anlagestrategie gilt als die dunkelgrünste, weil sie explizit auf positive ökologische und soziale Ergebnisse abzielt, während sie gleichzeitig eine marktübliche finanzielle Rendite anstrebt. Es ist ein sehr zielgerichteter Ansatz und erfordert von den Investmentteams eine klare Vision, welche Art von Veränderungen sie durch ihre Investitionstätigkeit in der Gesellschaft bewirken wollen.

Sowohl in Bezug auf die Wirkung als auch im Hinblick auf die finanziellen Erträge obliegen die Ergebnisse nicht dem Zufall. Jede Investition muss einen Prüfprozess durchlaufen, durch den die Fähigkeit des jeweiligen Projekts oder Unternehmens bewertet wird, die definierten Wirkungen und finanziellen Ergebnisse zu erzielen. Ein weiteres Schlüsselelement von Impact Investing ist ein formaler Prozess zur Messung und Überwachung der Auswirkungen einer Investition. Durch ihn lässt sich beurteilen, ob für die Erreichung der durch die Investition anvisierten ökologischen und sozialen Ziele der richtige Weg eingeschlagen wurde. Diese Wirkungsdaten werden zur ursprünglichen Zielsetzung in Relation gesetzt, um die Portfolio-Ziele für die Zukunft zu verfeinern.





Die zirkuläre Feedback-Schleife der effektiven Kontrolle und Steuerung von Investitionen für optimale ökologische und soziale Ergebnisse wird als Wirkungsmanagement bezeichnet und oft mit Hilfe des „Theory of Change“-Modells organisiert. Impact-Investment-Produkte gehen über die traditionellen ESG- und Ausschlussansätze hinaus und wenden die Kernmerkmale von Impact Investing auf öffentliche Märkte an. Ihre konzentrierten, hochaktiven Aktienportfolios werden von unten nach oben mit Unternehmen aufgebaut, die erfolgreiche kommerzielle Lösungen für drängende globale Nachhaltigkeits- und soziale Herausforderungen bieten. Im Fokus der Strategie steht die Investition in Unternehmen, deren Geschäftsmodelle aktiv zu Themen wie dem Übergang zu erneuerbaren Energien, nachhaltiger Ernährung und Landwirtschaft und Inclusive Finance beitragen.

Es ist zwar großartig, dass die Finanzbranche ESG als neuen Mainstream für Investitionen schnell annimmt, aber es ist auch klar, dass ESG allein nicht die positiven Wirkungen haben wird, die in der Gesellschaft dringend benötigt werden. Wenn Sie den Übergang zu einem nachhaltigen System wirklich fördern wollen, das ökologische Grenzen respektiert und zum Nutzen aller arbeitet, sollten Sie über ESG hinausblicken und sogar über die Praxis des negativen Ausschlusses hinausgehen. Es gibt nun mal keine neutralen Investitionen. Jede Investitionsentscheidung hat ihre Konsequenzen und erzeugt eine Wirkung, entweder positiv oder negativ.

Während ESG-Investitionen und Negativausschlüsse im besten Falle weniger negative Wirkungen haben, haben Impact Investments das Potenzial, echte positive Wirkungen zu schaffen. Auch wenn noch keine Informationen über die genauen Folgen oder Auswirkungen einer bestimmten Investition vorliegen, entbindet uns das nicht von einer bestmöglichen Abschätzung und Abwägung aller Folgen. Grundlage für die Bewertung des Nutzens einer Investition ist die eigene Urteilsbildung, das menschliche Urteilsvermögen.


Über den Gastautor:

Jacco Minnaar ist Vorstandsvorsitzender bei Triodos Investment Management. Die Asset-Management-Tochter der niederländischen Triodos Bank hat sich auf nachhaltige Vermögensverwaltung spezialisiert. In 16 Fonds und mehr als 750 Investitionen betreut sie rund 5,4 Milliarden Euro.

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