Die Fragen stellt Dražen Mario Odak, Studienautor der jüngsten PWM-Marktstudie der Stephan Unternehmens- und Personalberatung.
Der Wealth-Management-Markt in Deutschland gilt als regional geprägt und ist in Bezug auf Kunden und deren Bedürfnisse sehr unterschiedlich. Wenn der Kunde sagt, die regionale Verbundenheit meines Vermögensverwalters ist mir wichtig ...
Domenico Gehling: …, kann ich das aus eigener Erfahrung sehr gut nachvollziehen. Für einen Wealth Manager ist es essentiell, die regionale Mentalität seiner Kundinnen und Kunden zu verstehen und zu wissen, was sie über die Finanzthemen hinaus bewegt. Gerade hier in Baden Württemberg, wo schwäbisches Understatement und Weltmartktführerschaft oft ganz nah beieinander liegen, begleitet man immer auch die Entwicklungen wichtiger Branchen wie Automobil, Maschinenbau et cetera gemeinsam mit den Kunden – teilweise über Generationen.
Zunehmend erhöhen Wealth-Management-Anbieter ihre Mindestanlagegrößen in der Vermögensverwaltung. Wenn ein Institut sagt, dass das Wealth Management künftig nur noch ab einer Mindestanlagehöhe von x Millionen Euro angeboten wird ...
Gehling: ..., ist das effizienzgetrieben und wird der Vielfalt und unterschiedlichen Komplexität der Kunden nicht unbedingt gerecht. Wealth Management ist ja kein Club, sondern Dienstleistung in höchster Qualität und oft auch Komplexität. Ich glaube, dass ein Wealth Management, das sich nicht nur als Vermögensverwaltung versteht, sondern den Kunden beispielsweise auch auf der Unternehmensseite begleitet, gut beraten ist, solche Segmentierungen flexibel zu handhaben. Kostenstrukturen oder Risikosteuerung im Portfolio hin oder her. Ob jemand Wealth-Management-Kunde wird, entscheidet er am Ende selbst, nachdem man gemeinsam das optimale Paket aus Produktwelt, Services und Betreuung identifiziert hat. Dieses Optimum kann für den Start-up-Unternehmer mit einem heutigen Vermögen von Mindestanlagesumme minus eins eben trotzdem das Wealth Management sein.
ESG und Nachhaltigkeit sind in aller Munde. Es scheint, dass ohne ESG-Siegel und Nachhaltigkeitsversprechen im Wealth Management nichts mehr geht. Wenn der Kunde sagt, dass ESG und nachhaltiges Verhalten nicht nur ein Produktkodex, sondern vor allem ein Verhaltenskodex meiner Berater sind ...
Gehling: …, würde ich ihm insofern zustimmen, dass Nachhaltigkeit, in allen ihren verschiedenen Ausprägungen, vor allem von Überzeugung getragen werden sollte. In vielen Fällen sind ESG, SRI & Co. heute ein gern genommenes Marketing-Instrument, oft mit Bezug zu Produkten. Authentizität beim Thema Nachhaltigkeit fängt beim Kunden an, bei meinem Verständnis seiner Einstellung, Vorstellung und konkreten Erwartung dazu und bei meinen Lösungen für ihn. Dafür ist es essentiell, dass Wealth Manager vordenken und Angebote entwickeln, die den Kunden in allen Facetten, aber individuell bei nachhaltiger Vermögensgestaltung unterstützen. Unsere Kunden mit ihren finanziellen Möglichkeiten und wir mit unserem Know-how sind eine potente Kombination, um Nachhaltigkeit für zukünftige Generationen sinnvoll umzusetzen.
Die zunehmende Bedeutung der Digitalisierung, auch im Wealth Management, ist durch die stetig wachsende Anzahl von Fintechs greifbar. Wenn der Markt sagt, Fintechs sind lediglich inhaltlich und zeitlich begrenzte Trends und haben nichts mit „echtem“ Wealth Management zu tun ...
Gehling: …, würde ich hinzufügen wollen, dass Digitalisierung das klassische Wealth Management unterstützt, auf keinen Fall aber ersetzt. Der persönliche Kontakt und die dabei entstehende Vertrauensbasis sind digital nicht ersetzbar. Sehr wohl kann Digitalisierung dazu beitragen, die Convenience für den Kunden zu erhöhen oder Prozesse effizienter zu gestalten. Aber den Kern aus Inhalt, Emotion, Flexibilität und Vertrauen schaffen die Menschen.