Allianz-Chef Michael Diekmann „Die Bondkurse spiegeln die Risiken nicht wider“

Investments in Infrastruktur könnten die Produktivität verbessern und das Wachstum in überschuldeten Ländern anschieben, argumentiert er. Stattdessen fördern die Vorschriften Wetten auf Staatsanleihen, die die Märkte verzerren und zu einem Verschuldungskreislauf beitragen, sagte er.

“Wir bekommen eine Art künstliche Einpreisung von Risiken” an den Bondmärkten, erklärte Diekmann in einem Interview in der Bloomberg-Zentrale in New York.

Die Versicherer bemühen sich, die Erträge aus Bond- Positionen zu halten, während die Stützungsmaßnahmen auf die Renditen drücken und die Vorschriften nach der Finanzkrise Investments in Optionen begrenzen. Zum 30. Juni hatte die Allianz im Zusammenhang mit Versicherungssparten Investments in Festverzinsliche in Höhe von 456 Milliarden Euro. Das sind 90 Prozent eines Portfolios, das auch Aktien und Immobilien umfasst.

Von den 170 Mrd. Euro, die der größte europäische Versicherer in Staatsanleihen und ähnliche Papiere gesteckt hatte, entfielen 20 Prozent auf Frankreich, 17 Prozent auf Italien und 16 Prozent auf Deutschland, wie aus einer Präsentation auf der Website des Münchener Versicherungskonzerns hervorgeht.

“Die Tatsachen sind für Europa pessimistischer, weil nicht so viel bezüglich der Staatsverschuldung getan wird”, sagte der Allianz-Chef. “Irgendwann muss eine klare Antwort gegeben werden. Bisher lautet die Antwort, wir werden aus dem Problem herauswachsen.”

Das würde bedeuten, dass ein Land wie Deutschland ein Wachstum von 3 bis 4 Prozent benötigt, wobei die Inflation um den gleichen Satz steigen würde, sagte er. Spanien oder Italien würden ein Wachstum von mindestens 5 Prozent benötigen und “das ist höchst unwahrscheinlich”, erklärte Diekmann. Das Wirtschaftswachstum in Deutschland dürfte im nächsten Jahr bei 1,8 Prozent liegen, in Spanien bei 0,6 Prozent und in Italien bei 0,5 Prozent, wie aus von Bloomberg zusammengetragenen Konjunkturschätzungen hervorgeht.

Von Windparks in Nordfrankreich bis zu Parkuhren in Chicago

Die sogenannten “Bail-in-Vorschriften”, die bei Bankenpleiten den Gläubigern Verluste aufbürden können, schrecken sein Unternehmen auch davon ab, in Banken zu investieren, berichtete Diekmann.

“Die Bondkurse spiegeln die Risiken nicht wider”, sagte er. “Bei allem, was Bail-in-gefährdet ist, müssen wir uns zurückziehen, seien es Länder oder sogar ganze Bankensysteme.”

Allianz setzt nun stattdessen auf Unternehmensanleihen, die von Industrieunternehmen begeben wurden, die von wachsenden Märkten profitieren, erklärte Diekmann. Der Versicherungskonzern hat in viele verschiedene Bereiche investiert, von Windparks in Nordfrankreich bis zu Parkuhren in Chicago.

Die französische Axa SA, der zweitgrößte Versicherer in Europa, hat die Wetten auf Unternehmensanleihen und Infrastruktur-Verbindlichkeiten erhöht, um damit die Rendite des Portfolios stabil zu halten, sagte der Vorstandsvorsitzende Henri de Castries im September in einem Interview.

Die italienische Assicurazioni Generali SpA, die Nummer drei der Branche in Europa, will Investments in Infrastruktur- Verbindlichkeiten und Immobilien verstärken und die Barpositionen senken, um die Rentabilität zu erhöhen, sagte Chief Investment Officer Nikhil Srinivasan in diesem Monat in einem Interview.

Die Aufsichtsbehörden müssen auch von den Vorzügen von Infrastruktur-Finanzierung überzeugt werden, sagte Diekmann. Er signalisierte, dass Banken für kurzfristige Ausleihungen in Frage kämen, während Versicherer und Pensionsfonds Gelder für längere Laufzeiten zur Verfügung stellen könnten.

“Es gibt derzeit einen Mangel an diesen langfristigen Investments und das ist eine riesige Chance, das Interesse von Lebensversicherern und Steuerzahlern in Einklang zu bringen”, erläuterte Diekmann. “Leider sind wir an diesem Punkt noch nicht angekommen.”

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