Ende der Geldschwemme "Die Banken vertrauen sich wieder untereinander"

Martin Hüfner

Martin Hüfner

Statistiken zur Liquiditätsentwicklung sind normalerweise nur etwas für Spezialisten. Wer, außer den Zentralbanken, interessiert sich schon für die Veränderung der Geldmenge in den verschiedenen Abgrenzungen?

Im Augenblick ist das freilich anders. Die Aktienmärkte leben derzeit nicht von Fundamentalfaktoren wie Konjunktur und Unternehmensgewinne. Ihr Anstieg beruht im Wesentlichen auf der Liquidität. Es ist also wichtig, sich die entsprechenden Daten anzuschauen, um frühzeitig zu erkennen, wenn sich etwas ändert.  

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Tatsächlich tut sich hier im Augenblick etwas Bemerkenswertes. Die Grafik zeigt die Entwicklung der sogenannten Basisgeldmenge in Europa (Bargeld plus Einlagen der Kreditinstitute bei der EZB). Das Basisgeld ist vor einem Jahr als Folge der geldpolitischen Krisenbekämpfung drastisch angestiegen. Allein im Dezember 2011 und im März 2012 hat die EZB den Banken zusätzlich rund 1.000 Milliarden Euro über zwei langfristige Repo-Geschäfte zur Verfügung gestellt (die sogenannten LTROs = Long-term Refinancing Operations).

Seit Juli 2012 geht das Basisgeld aber wieder zurück. Zunächst hielt ich diese Abnahme für ein normales „Atmen“ der Statistik. Ende des Jahres lag die Basisgeldmenge nun aber schon 120 Milliarden unter dem vorherigen Höchststand. Da muss man anfangen, genauer hinzuschauen.

Ausschlaggebend für die Entwicklung der vergangenen Monate war, dass die Notenbank ihre laufenden kürzerfristigen Repo-Geschäfte heruntergefahren hat. Das war freilich nicht Ausdruck einer neuen geldpolitischen Strategie. Schon gar war es keine monetäre Restriktion. Es zeigte lediglich, dass die Banken kein zusätzliches Geld von der Zentralbank brauchen. Liquidität ist nach wie vor in Hülle und Fülle vorhanden und wäre mehr gebraucht worden, hätte es die EZB zur Verfügung gestellt. Bis jetzt müssen wir uns keine Sorgen machen.

Trendwende in Sicht

In den nächsten Wochen und Monaten wird sich das Bild aber ändern. Es ist zu vermuten, dass sich der Rückgang des Zentralbankgeldes dann deutlich verstärken wird. Die Gelder, die die Banken im Rahmen des LTRO aufgenommen haben, dürfen nämlich nach einem Jahr vorzeitig zurückgezahlt werden.

Es ist zu vermuten, dass die Banken von dieser Möglichkeit im ersten und zweiten Quartal 2013 reichlich Gebrauch machen werden. Derzeit halten sie insgesamt über 700 Milliarden Euro auf den Konten bei der EZB. Davon werden gut 100 Milliarden Euro als Mindestreserve gebraucht. Der Rest sind Überschussreserven, über die disponiert werden kann. Sie kosten die Banken viel Geld. Denn sie müssen für die EZB-Kredite 0,75 Prozent zahlen, bekommen auf ihren EZB-Konten aber keinen Zins.

Es würde mich nicht wundern, wenn sie die EZB-Konten daher räumen und damit die Kredite zurückzahlen würden. Das Basisgeld ginge entsprechend zurück. Die Commerzbank hat bereits angekündigt, dass sie im ersten Quartal 10 Milliarden Euro an die EZB zurückgeben wird.

Die richtige Interpretation

Auf den ersten Blick sieht es ganz gefährlich aus, wenn die Basisgeldmenge stärker zurückgeht. Es könnte der Beginn einer geldpolitischen Restriktion sein (so wie das in den USA im Augenblick im Zusammenhang mit einem Ende der QE-Programme diskutiert wird). Das wäre aber eine falsche Interpretation.

Gesamtwirtschaftlich gesehen ist dies kein Rückgang, sondern eine Umschichtung von Liquidität. Liquidität sind ja nicht nur Einlagen, die zinslos (und damit unproduktiv) bei der Zentralbank herumliegen. Es ist vielmehr die Fähigkeit, jederzeit billig Geld aufnehmen zu können, wenn sich rentable Anlagemöglichkeiten ergeben. Daran wird sich aber so wie es im Augenblick aussieht nichts ändern.

Man kann in der Entwicklung sogar etwas Positives sehen. Sie ist ein Zeichen, dass die Märkte wieder funktionieren. Die Banken vertrauen sich untereinander. Wenn sie Geld benötigen, gehen sie nicht als Erstes zur Zentralbank sondern an den Geldmarkt.

Dort ist das Geld sogar noch billiger zu haben. Die Zinsen für unbesichertes 3-Monats-Geld liegen derzeit bei 0,20 Prozent verglichen mit den 0,75 Prozent bei der EZB. Durch die Rückzahlung von Krediten der EZB entfällt im Übrigen auch ein Klotz am Bein der Ertragsrechnung der Banken (überschlägig gerechnet bei der gegenwärtigen Zinskonstellation ein Betrag von jährlich zirka 4 Milliarden Euro).

Das sagt der Volkswirt: Anleger müssen freilich vorsichtig sein. Wenn es zu einem verstärkten Rückgang der Basisgeldmenge kommt (und dies auch in der Öffentlichkeit diskutiert wird), wird es als Erstes Unsicherheit geben. Niemand weiß im ersten Augenblick, was das bedeutet, vor allem wie die Notenbank darauf reagiert. Für Analysten wird es schwieriger, die Liquiditätsentwicklung zu verfolgen. Unsicherheit ist immer Gift für die Märkte.

Wenn die Banken den Geldmarkt stärker in Anspruch nehmen, werden zudem die Zinsen dort steigen. Das hätte unter anderem negative Auswirkungen auf den Markt für Festverzinsliche, vor allem bei kürzeren Laufzeiten.  Bei Aktien dürfte ein Rückgang des Basisgeldes nach einer Übergangsperiode keinen größeren negativen Einfluss haben. Die liquiditätsgetriebene Entwicklung bleibt erhalten, solange EZB-Kredite unbegrenzt erhältlich und die Zinsen so niedrig sind. Das aber wird noch einige Zeit der Fall sein.

Was entfällt, ist der Druck auf die Banken, mit den bei der Zentralbank liegenden zinslosen Einlagen „auf Teufel komm raus“ Geld zu verdienen. In Zukunft wird nur noch investiert, wenn sich realistische Chancen auf Kursgewinne ergeben. Das tut der Stabilität des Marktes gut. Positiv ist die Entwicklung für Bankaktien. Hier wird sich zumindest von dieser Seite die Ertragsrechnung verbessern. 

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