Fusion als Erfolgsmodell Die Banken-Konsolidierungswelle – der Weg zu mehr Effizienz

Marc Oliver Poggel,  Head of FS Deal Advisory Deutschland, und Jana Behr, Partnerin im Bereich Financial Services, beide KPMG

Marc Oliver Poggel, Head of FS Deal Advisory Deutschland, und Jana Behr, Partnerin im Bereich Financial Services, beide KPMG, erläutern die Voraussetzungen für erfolgreiche Fusionen. Foto: KPMG

Neue Umstände, doch der Trend bleibt unverändert: Früher nagte das Niedrigzinsumfeld an der Profitabilität der Banken und bestimmte den Markt für Fusionen und Übernahmen von Kreditinstituten nachhaltig. Aktuell zeigen sich vor allem Belastungen auf der Kostenseite, weiterhin zunehmende regulatorische Anforderungen und veränderte Kundenerwartungen als Treiber einer weiteren Konsolidierungswelle in der Finanzwirtschaft. Aus gutem Grund: Nur wenn sie an dieser Entwicklung teilhaben, können sich Banken nachhaltig für die Zukunft aufstellen.

Es sind weiterhin schwere Zeiten für die Finanzwirtschaft: Unzählige Herausforderungen sorgen dafür, dass Banken ihre Fusions- und Übernahmepläne wieder aus den Schubladen holen. Waren es nach Angaben der Bundesbank 2018 noch 1783 Kreditinstitute in Deutschland, schmolz die Zahl bis 2021 auf „nur“ noch 1519 – bei wachsender Bilanzsumme. Trotz des Rückgangs ist keine Bankenlandschaft in Europa derart fragmentiert wie die deutsche. Hohe Fixkostenblöcke, Ineffizienzen in allen Bereichen sowie starre Geschäftsmodelle prägen das Bild.

Fusionen und Übernahmen können vor diesem Hintergrund eine notwendige strategische und operative Transformation der Kreditinstitute anstoßen. Kurzum: Mithilfe von Fusionen und Übernahmen ergibt sich für Banken die Chance, sich für die Zukunft aufzustellen, Kosten zu senken und gleichzeitig die Profitabilität zu steigern. Deshalb wird sich der Fusionstrend mindestens fortführen, tendenziell sogar verstärken. Mit anderen Worten: Die Konsolidierungswelle bricht sich weiter Bahn. 

Banken stehen vor großen Herausforderungen

Banken stehen aktuell sowohl ertrags- als auch aufwandsseitig vor großen Herausforderungen. Einerseits besteht, trotz umfangreicher Maßnahmen zur Steigerung des Provisionsgeschäfts, bei zahlreichen Instituten nach wie vor eine große Abhängigkeit vom Zinsergebnis: Aufgrund langanhaltender Niedrigzinsen litten viele Institute an geringen Margen aus dem Kreditgeschäft.

Die Zinswende der Europäischen Zentralbank (EZB) hat die Situation für die Institute zumindest kurzfristig nicht entschärft – im Gegenteil: Weniger Privatleute und Unternehmen können oder wollen es sich leisten, Kredite aufzunehmen und zu investieren. Vor allem das Geschäft mit Baufinanzierungen steht derzeit nahezu still. Gleichzeitig sehen sich Banken auf der Aufwandsseite mit zunehmendem gesamtwirtschaftlichem Gegenwind konfrontiert und haben zudem enorme Fixkosten zu stemmen: All das nagt an der Profitabilität und zwingt sie, neue Wege zu beschreiten. 

Hinzu kommen steigende regulatorische Herausforderungen, auf die die Institute reagieren müssen: Dies betrifft nicht nur zunehmende Liquiditäts- und Kapitalerfordernisse, sondern auch zusätzliche Reporting- und damit Daten-, beziehungsweise Digitalisierungsanforderungen. Hier tun sich gleich zwei Probleme auf: Einerseits sind die bestehenden technischen Strukturen zumindest teilweise nicht für die dafür notwendigen Anpassungen ausgelegt, zum anderen braucht es entsprechend ausgebildetes Personal, das nicht leicht zu finden ist. 

Fusion als Lösung

Eine weitere Herausforderung stellen die sich wandelnden Erwartungen der Kunden dar: Ein großflächiges Filialnetz ist für Banken ein teurer Luxus, den ein Großteil ihrer Klienten inzwischen kaum noch zu schätzen weiß. Vom alltäglichen Banking bis hin zur Kreditaufnahme sollten alle Dienstleistungen digital verfügbar sein. Auch hier stehen historisch gewachsene Systeme und Silos dem Wandel zur digitalen Bank oftmals im Weg. Verschärft wird die Situation durch Wettbewerber, die genau dort ihr Geschäftsmodell anknüpfen, wo die traditionellen Bankenhäuser enormen Nachholbedarf haben. 

Vielen dieser Herausforderungen können Banken mit einer Fusion oder Übernahme entgegentreten. Zum einen können die Institute so die innere Transformation anstoßen, zum anderen entwickeln die Banken auch mehr „Feuerkraft“, um wichtige Zukunftsinvestitionen besser bewältigen zu können.

Dabei geht es allerdings nicht darum, einfach in die Größe zu flüchten, um Bilanzsumme und Kundengeschäftsvolumen aufzublähen. Vielmehr müssen die Institute individuell betrachten, wo für sie Chancen, aber auch mögliche Risiken einer Transaktion liegen. Dabei sollten sie sich der Trageweite einer Fusion, beziehungsweise Übernahme bewusst sein: Der Prozess zieht sich erfahrungsgemäß mindestens über zwei bis drei Jahre, betrifft fast alle Geschäftsbereiche und belastet alle Beteiligten zusätzlich zum Tagesgeschäft. 

Eine Fusion ist ein Mammutprojekt

Um die Potenziale einer Transaktion bereits im Vorfeld zu ergründen, sollten Banken sowohl interne Faktoren als auch externe Umfeldbedingungen ganzheitlich analysieren. Hierbei wird nicht nur die Frage geklärt, ob und mit welchem Institut eine Fusion sinnig ist, sondern auch die Grundlagen für eine erfolgreiche Fusion oder Übernahme geschaffen.

In diesem frühen Stadium sollten Banken insbesondere das Zielbild definieren und die Transaktion möglichst vollumfänglich konzipieren, um Synergien ableiten und validieren, Transformationskosten einschätzen und die Fusionsstrategie festlegen zu können. Dabei sollten die fusionierungswilligen Institute auf externe Berater zurückgreifen, die einen großen Erfahrungsschatz mit Mergers & Acquisitions (M&A) vorweisen, einen guten Marktüberblick einbringen und gleichzeitig helfen können, Projektrisiken zu minimieren und Best Practice umzusetzen. 

Auch eine geeignete Kommunikationsstrategie ist wichtig, um interne und externe Stakeholder umfassend zu informieren und ein positives Momentum zu entwickeln. Die Mitarbeitenden sind dabei ein entscheidender Faktor für den nachhaltigen Erfolg der Zusammenführung. Gehen Banken die Fusion auf diesem Wege an, schaffen sie bestmögliche Voraussetzungen für eine erfolgreiche Transaktion. 

IT-Systeme müssen zusammengeführt werden

Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für eine erfolgreiche Fusion, beziehungsweise Übernahme und damit die Realisierung der mit der Fusion verfolgten Ziele ist die Anpassung, beziehungsweise Zusammenführung von Fachfunktionen, Prozessen und IT-Systemen. Ein Fokus liegt dabei auch immer auf der Finanzfunktion: Hier bietet sich die Chance, die eigene Finanzfunktion neu zu definieren, sprich die Finanzprozesse effizienter als in der Vergangenheit durchzuführen.

Dazu gehört, die IT-Systeme zusammenzulegen und den Datenfluss für Reportings zu optimieren: Je nach Situation kann eine vollständige Integration der Daten ein sehr effizienzsteigerndes und kostensenkendes Ergebnis der Transaktion sein. Doch wie kann eine zukunftsfähige Finanzarchitektur aussehen, die regulatorischen Anforderungen gerecht wird? 

Finanzfunktion zusammenführen und neu ausrichten

Es ist unabdingbar, dass die benötigten Daten unter den Disziplinen Accounting, Controlling, Meldewesen und Tax abgestimmt und für jeden davon betroffenen Bereich verfügbar sind: Weg von den Silos, hin zu agilen Strukturen. Während des Integrationsprozesses müssen Fach-, IT- und Prozess-Know-how eng verknüpft werden.

Mit einem umfassenden Finance-Transformationsprogramm können Banken ihre Finanzfunktion fit für die Zukunft machen. Ein wesentlicher Faktor hierbei ist die Prozessautomatisierung: Vorgänge, die sich wiederholen, werden vollständig automatisiert. Dadurch sind wichtige Finanzdaten stets verfügbar und können von den verschiedenen Sektoren schnell bearbeitet werden. 

 

 

Eine zukunftsfähige und belastbare Finanzarchitektur kann man sich wie ein „House of Finance“ vorstellen: Die Automatisierung via integrierter Technologien und Systeme bilden das Fundament. Sie muss die Anforderungen der Steuerungsebene und der darauf aufsetzenden Prozesse erfüllen. Darauf bauen vollständig harmonisierte und standardisierte Prozesse, Wertflüsse und Stammdaten auf. Das Dach bildet die Steuerungsebene. Deren Kernaufgabe ist es, die Finanzfunktion strategisch auszurichten: Sie besteht aus der Finanzstrategie, dem Steuerungsmodell und dem Finance Target Operating Model. 

Für die nachhaltige Wirkung der Konsolidierung sollten die fusionierenden Banken so früh wie möglich eine langfristige Roadmap ausarbeiten und sich nicht von ihrem Weg abbringen lassen. Denn mit dem Iref (Integrated Reporting Framework) hat die EZB die nächste regulatorische Initiative parat, die das zukünftige Meldewesen der Banken beeinflussen wird. Das zeigt: Das Bankenumfeld bleibt dynamisch. Zwar könnten sich die Treiber verändern, doch der Trend wird voraussichtlich nicht abreißen. Banken sollten ihre M&A-Pläne dieses Mal nicht in der Schublade verschwinden lassen.

Über die Autoren:

Jana Behr ist Partnerin im Bereich Financial Services bei KPMG. Als Expertin für Financial Data Leadership und Leiterin für den Bereich Technology und Finance bei KPMG unterstützt sie Mandanten mit strukturiertem Finanzdatenmanagement, Datenschätze zu heben sowie die Datenqualität zu verbessern. Außerdem treibt sie Datenintegration über verschiedene Fachdisziplinen wie Accounting, Controlling, Regulatory Reporting und Risk hinweg voran.

Marc Oliver Poggel ist Head of FS Deal Advisory bei KPMG in Deutschland. Er unterstützt Kunden bei nationalen und internationalen Transaktions- und Transformationsprojekten in der Finanzdienstleistungsindustrie. In einem durch regulatorische Veränderungen, wirtschaftspolitische Entscheidungen und Markteintritte neuer Wettbewerber zunehmend komplexen Marktumfeld begleitet er Deals vollständig von der strategischen Planung bis zur operativen Durchführung.

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