Kunst-Investments Kein Markt wie jeder andere

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Die dunklen Seiten des Kunstmarktes


Die bekannteste Missbrauchsmöglichkeit des Kunstmarktes ist der Handel mit gefälschten Kunstwerken. Dies ist allerdings weniger ein Problem, welches den Handel mit zeitgenössischer Kunst betrifft, aber umso mehr das Geschäft mit Werken verstorbener Künstler, die nicht mehr die Authentizität selbst bestätigen können. Einer Fälschung ist oft nur sehr schwer und nur mit aufwendigen Untersuchungen auf die Spur zu kommen. Dies ist ein Aufwand, den gerade auf Diskretion bedachte Privatsammler oft scheuen. Insofern dürfte es eine enorme Dunkelziffer geben. Eine Indikation hierfür geben Angaben des 2008 verhafteten Fälschers Wolfgang Beltracchi, der Bilder im Stil deutscher Expressionisten gemalt und als Originale verkauft hat. Nach seinen eigenen Angaben hat er 300 Bilder gefälscht, von denen bisher gerade mal circa ein Sechstel in Sammlungen identifiziert worden sind.

Manipulationen von Preisen werden durch die ausgesprochene Intransparenz des Kunstmarktes erleichtert. Handel, Vergleichs-Preise, Marktteilnehmer, hierüber herrscht oft nur ein diskretes Schweigen. Nicht selten agieren Strohmänner für Galeristen oder anonyme Sammler. Viele Geschäfte werden nach wie vor per Handschlag ohne schriftlichen Vertrag abgeschlossen. Darüber hinaus können auch gezielte Falschinformationen über Kunstwerke in Umlauf gebracht werden.

Weiterhin erleichtert die Intransparenz den Abrechnungsbetrug. So hat in diesem Sommer die Verhaftung des bekannten Kunstberaters Helge Achenbach Schlagzeilen gemacht. Ihm wird vorgeworfen, dass er im großen Stile für Sammler Kunstwerke in US-Dollar kaufte, den Betrag plus Kommission dann aber als Euro-Summe beim Käufer abrechnete. Selbst wenn Herr Achenbach noch nicht verurteilt ist und deswegen die Unschuldsvermutung gilt, so scheinen 1) die Beweise relativ erdrückend; und 2) ist anzunehmen, dass er nicht der Einzige ist, dem solche dubiosen Geschäftspraktiken vorgeworfen werden können.

Ein weiterer spektakulärer Fall des Betrugsvorwurfs, der ein Licht auf die intransparenten Praktiken des Kunstmarktes wirft, kommt vom Unternehmer und profilierten Sammler Ronald O. Perelman. Er richtet sich gegen Larry Gagosian, einen der größten Kunsthändler in New York. Gagosian soll 2012, nachdem er das starke Interesse von Perelman an einem Bild von Cy Twombly bemerkte, den Preis durch einen zwischenzeitlichen Scheinverkauf an Strohmänner in die Höhe getrieben haben. Damit konnte der Kunsthändler – sofern der Vorwurf zutrifft – einen deutlich höheren Preis als den Schätzwert und doppelte Kommission erzielen. Perelman hat bisher geschätzt 3 Millionen US-Dollar für Anwälte und Detektive ausgegeben, um den Sachverhalt zu recherchieren, und Schadensersatzklage eingereicht. Das Verfahren dürfte einiges zur Aufhellung von dubiosen Handelspraktiken beitragen.

Eines der Themen, über welche die Kunstwelt äußerst ungerne spricht, ist die Rolle des Marktes bei der Geldwäsche und Steuerhinterziehung. Dabei ist gerade die Bedeutung des Kunsthandels für illegale Aktivitäten in den vergangenen Jahren immer größer geworden. Denn die Bemühungen von Gesetzeshütern auf der ganzen Welt, durch Tracking von elektronischen Kontenbewegungen gegen illegale Geldtransfers vorzugehen, haben den nach wie vor sehr intransparenten Kunstmarkt bei Kriminellen immer populärer werden lassen. Kunstwerke werden oft anonym und gegen Bargeld gehandelt, ideal für kriminelle Aktivitäten.

Darüber hinaus lässt sich der Wert gut verschleiern. Hunderte Gemälde überqueren täglich Grenzen; ob die deklarierten Werte stimmen, lässt sich für einfache Zollbeamte nicht erkennen. So stellte beispielsweise die New Yorker Polizei vor einigen Monaten in einem Lagerhaus das Gemälde „Hannibal“ des amerikanischen Malers Jean-Michel Basquiat mit einem Schätzwert von 8 Millionen US-Dollar sicher. Es befand sich im Besitz des brasilianischen Finanzbetrügers Edemar Cid Ferreira und war 2007 mit einem deklarierten Wert von 100 US-Dollar offiziell und ohne besondere Überprüfung in die USA eingeführt worden. Insgesamt wird Ferreira verdächtigt, noch vor seiner Verurteilung 2006 zu 21 Jahren Haft Kunstwerke im Wert von mindestens 30 Millionen US-Dollar aus Brasilien herausgeschafft zu haben.

Ein Boomgeschäft sind derzeit Zollfreilager für wertvolle Anlagegüter („Freeports“). Sie sind in Ländern wie der Schweiz, Singapur oder Monaco bereits fest etabliert. Im September 2014 gab es eine große Neueröffnung in Luxemburg. Weitere sind geplant in China. Diese Zollfreilager sind an sich nichts Neues; es gibt sie beispielsweise in der Schweiz schon seit 1880. Allerdings hat ihre Bedeutung gerade in den letzten Jahren sehr stark zugenommen, die Superreichen dieser Welt nutzen sie als Lager nicht nur für Kunst, sondern auch für Juwelen, Gold, edle Weine oder Oldtimer.

Laut der bereits zitierten Untersuchung von Deloitte und Arttactic haben 28 Prozent der befragten Kunstsammler bereits eine Geschäftsbeziehung mit einem Zollfreilager. Weitere 42 Prozent haben angegeben, dass sie wahrscheinlich in der Zukunft eines benutzen wollen.

Attraktionen dieser Lager sind nicht nur die extrem strengen Sicherheitsvorkehrungen, sondern vor allem, dass sie außerhalb des Zugriffsbereichs von Finanzbehörden sind. Fiskalische Belastungen fallen nur an, wenn Güter aus dem Lager wieder herauskommen, wie zum Beispiel Importsteuern im Ankunftsland. Transaktionen innerhalb des Zollfreilagers sind völlig intransparent und nicht von außen nachvollziehbar. Verkäufe innerhalb des Lagers sind für Steuerpflichtige vieler Länder völlig legal steuerfrei, sofern sie ebenfalls innerhalb des Lagers reinvestiert werden. Deshalb verlassen auch die meisten eingelagerten Anlagegüter die Freeports nicht wieder, sondern werden intern gehandelt.

Verschiedene Banken bieten inzwischen sogar an, in Zollfreilagern befindliche Kunstwerke als Kreditsicherheiten zu akzeptieren. So können Kunstwerke von ihren Besitzern quasi „zu Geld gemacht“ werden, ohne dass sie verkauft und Gewinne versteuert werden müssen. Ob diese Vorgehensweise den Aufbau einer versteckten Kreditblase begünstigt, ist noch abzuwarten. Im Moment sind die Volumina noch zu niedrig, um für das Finanzsystem gefährlich zu werden. Allerdings verbirgt sich hinter dieser Art der Sicherheitenstellung wieder eine gefährliche Verwässerung der Qualitätsstandards bei der Kreditvergabe, die man durchaus als Indiz für eine wieder zunehmende Sorglosigkeit um Umgang mit Finanzrisiken werten kann.

Kunst ist nicht nur wegen hoher Preise ein teurer Spaß

Nicht zu vernachlässigen sind die enormen Transaktionskosten beim Kunstkauf. Sie setzen sich aus Gebühren beziehungsweise Kommissionen für Galeristen beziehungsweise Auktionatoren sowie Zölle und andere Abgaben wie die Mehrwertsteuer zusammen. Darüber hinaus muss ein Kunstkäufer noch mit erheblichen Folgekosten rechnen, so zum Beispiel durch Aufwendungen für eine sichere Lagerung oder Versicherungen, auf die im Folgenden jedoch nicht eingegangen wird, da sie individuell sehr unterschiedlich sein können.

Bei Galeristen ist zumeist unklar, wie viel sie an einem Kunstwerk verdienen, allerdings dürften die Gewinnspannen sehr hoch sein. Auktionshäuser verlangen Gebühren in Abhängigkeit vom Transaktionswert. Die Gebühren für Verkäufer können hierbei bis zu 25 Prozent des Zuschlagswertes zuzüglich Mehrwertsteuer für kleinere Objekte betragen, sinken dann aber mit steigender Größenordnung deutlich.

Falls der Auktionator dem Verkäufer einen Mindestpreis garantiert, können die Gebühren auch bei großen Objekten deutlich höher sein. Ihre Gestaltung ist im Wesentlichen Verhandlungssache, gelegentlich wird für Objekte im höheren Millionenbereich sogar ganz darauf verzichtet. Haupteinahmequelle der Auktionatoren ist ein Käuferaufgeld („Buyers Premium“), das zwischen 10 Prozent (für sehr hochpreisige Kunst) und zwischen 20 bis 25 Prozent (für Kunst um 100.000 Euro) des Auktionspreises beträgt. Dieses Aufgeld ist normalerweise nicht verhandelbar und wird von allen Auktionshäusern ähnlich gestaltet. Auch auf diese Gebühren wird die Mehrwertsteuer aufgeschlagen, was die Kosten weiter erhöht.

Grundsätzlich fällt bei gewerblichen Verkäufern wie Galeristen zusätzlich zum Preis eines Werkes noch die Mehrwertsteuer an, die vom Käufer auf den vollen Verkaufswert des Bildes zu entrichten ist. In Deutschland und Frankreich wurden vor Kurzem auf Druck der EU frühere Regelungen mit ermäßigten Steuersätzen rückgängig gemacht, sodass zum Beispiel in Deutschland seit 1. Januar 2014 beim Erwerb im Normalfall volle 19 Prozent zu entrichten sind. Dies ist aus Anlegersicht ein klarer Nachteil von Kunst, da bei reinen Finanzanlagen diese Steuern nicht fällig sind.

Bei Immobilien wären nur die deutlich geringeren Grunderwerbsteuern zu zahlen. In der Schweiz allerdings werden nur 8 Prozent Mehrwertsteuer erhoben. Zudem können Kunstwerke von hier aus ausfuhrsteuerfrei exportiert beziehungsweise in ein Zollfreilager transferiert werden. Dies gibt dem Standort Schweiz im europäischen Kunsthandel einen nicht zu unterschätzenden Vorteil. In den USA unterliegt der Kunsthandel grundsätzlich den lokalen Verkaufssteuern („Sales Taxes“) zwischen 2,9 Prozent und 7 Prozent, zu denen noch lokale Zuschläge kommen können.

Hiervon können aber Künstler oder Galerien beziehungsweise bestimmte Arten von Transaktionen befreit werden, was in der Praxis immer wieder für Verwirrung bezüglich potenzieller Steuerschlupflöcher sorgt. Insofern ist der Kunsthandel in den USA auch immer wieder Gegenstand von Ermittlungen der dortigen Steuerbehörden, die regelmäßig zur Aufdeckung von Steuerhinterziehungsfällen führen.

In Deutschland muss man daher bei der Auktion eines Kunstwerkes im Wert von 20.000 Euro - inklusive Steuern realistischerweise mit Transaktionskosten von insgesamt 50 bis 70 Prozent des Zuschlagspreises rechnen; bei einem Wert von 5 Millionen Euro hingegen eher mit 30 bis 40 Prozent. In der Schweiz oder den USA sind die Transaktionskosten aufgrund der niedrigeren Steuerbelastung in der Regel geringer.

Zum Autor: Karl-Heinz Thielmann ist Vorstand von Long-Term Investing Research - Institut für die langfristige Kapitalanlage.

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