Nachhaltige Portfolios in der Praxis Die 4 Eckpfeiler nachhaltiger Kapitalanlage für Versicherer

Schaufelradbagger am nordrhein-westfälischen Braunkohle-Tagebaustandort Garzweiler

Schaufelradbagger am nordrhein-westfälischen Braunkohle-Tagebaustandort Garzweiler: Marie Niemczyk von der Fondsgesellschaft Candriam erklärt in einem Gastbeitrag, wie Versicherungsgesellschaften ihre Kapitalanlage nachhaltig aufstellen können. Foto: herbert2512 / Pixabay

Angesichts der Dringlichkeit von klimabezogenen Problemen und den daraus resultierenden regulatorischen Auflagen ist nachhaltiges Investieren für Versicherer zu einem unausweichlichen Thema geworden. Tatsächlich bietet es einen Rahmen, um Nachhaltigkeitsrisiken zu erkennen, denen Vermögenswerte ausgesetzt sein können. Zudem trägt es dazu bei, die möglichen Auswirkungen von Nachhaltigkeitsrisiken auf Verbindlichkeiten zu verstehen und die Eskalation schwer versicherbarer Risiken einzudämmen.

Marie Niemczyk, Candriam

Bei Nachhaltigkeit geht es jedoch nicht nur um die Erfüllung gesetzlicher Auflagen und umfassenderes Risikomanagement. Nachhaltigkeit bedeutet auch Chancen. Strukturelle Trends, wie die Energiewende, können Anlagemöglichkeiten mit langfristigem Wachstumspotenzial bieten. Und da sich Endkunden immer mehr für Nachhaltigkeitsaspekte interessieren, ergeben sich auch neue Gelegenheiten bei der Produktpositionierung. Doch wie setzt man nachhaltiges Investieren so um, dass es potenziellen Mehrwert bringt?

Es gibt keine Standardformel für die Umsetzung von Nachhaltigkeit. Wichtig ist, dass der Ansatz auf die Gegebenheiten des Versicherers passt und auf die Anlageklassen und Instrumente zugeschnitten ist. Die Entwicklung einer Charta für nachhaltiges Investieren kann hier sinnvoll sein, um konzernintern Definitionen klarzustellen und Ziele festzulegen. Bei der Strukturierung einer solchen Charta helfen vier Säulen: Research und Analyse, Methoden zur Implementierung, Stewardship und Metriken sowie Berichterstattung.

Research und Analyse

Recherchen und Analysen sind die Basis für die Beurteilung von Nachhaltigkeitsrisiken und -chancen. Wenn die der Anlageentscheidung zugrunde liegenden Bewertungen nicht gründlich und qualitativ hochwertig sind, kann der Versicherer ungewollt Risiken im Portfolio behalten und Chancen verpassen.

Bei der Bewertung von Unternehmen sind zwei Elemente entscheidend. Erstens eine eingehende Analyse der Fähigkeit von Unternehmen, die Beziehungen zu ihren Stakeholdern – Umwelt, Gesellschaft, Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten und Investoren – zu managen. Zweitens muss untersucht werden, wie sich Unternehmen gegenüber globalen Nachhaltigkeitstrends positionieren und welche Risiken und Chancen dies mit sich bringt.

Insbesondere bei Staatsanleihen müssen zudem die emittierenden Länder untersucht werden, denn es zeigt sich zunehmend: Die Nachhaltigkeit von Staaten ist ein wichtiger Indikator für ihre Fähigkeit, Schulden zurückzuzahlen. Der Ausgangspunkt für die Analyse von Ländern ist ihre Fähigkeit, ihre vier Kapitalformen nachhaltig zu entwickeln: ökologisches, menschliches, soziales und wirtschaftliches Kapital. Einige Ansätze basieren fälschlicherweise auf der Annahme, dass diese vier Kapitalformen austauschbar sind.

Jedoch ist Naturkapital endlich und nicht ersetzbar – und Ansätze müssen seine zentrale Rolle anerkennen. Australien zum Beispiel schneidet bei den meisten Ratings gut ab. Während Wirtschafts-, Human- und Sozialkapital gut gemanagt werden, sind bei Naturkapital jedoch Abstriche nötig, da Australien durch seine Bergbau- und Kohlenwasserstoffexporte eine hohe CO2-Bilanz hat und damit die Umwelt und das Klima belastet.

Zudem besitzen Nachhaltigkeitsindikatoren für jedes Land jeweils eine andere Relevanz. So sind Zahlen für Elektrofahrzeuge für ein Land wie Norwegen aussagekräftig, während für ein Land wie Uganda Faktoren wie Zugang zu Bildung und Elektrizität aufschlussreicher sind.