In Abbildung 2 sind zusätzlich das durchschnittliche Wachstum der Personalkosten und das durchschnittliche Erlöswachstum in den Jahren 2017 bis 2021 dargestellt. Es ist ein starker, gleichgerichteter (linearer) Zusammenhang zwischen den beiden Größen erkennbar. Aufgrund der vorliegenden Daten ist nicht entscheidbar, ob die höheren Personalkosten aus einer Erhöhung der Mitarbeiterzahl oder der durchschnittlichen Gehälter resultiert.

Im Hinblick auf die Digitalisierung der Kundeninteraktion ist festzuhalten, dass alle Institute ihren Private-Banking-Bestandskunden branchenübliche Interaktionswege wie einen Online-Banking-Zugang anbieten. Für Neukunden jedoch beschränkt sich der angebotene Zugangsweg meist auf allgemeine Service- und Produktinformationen und ein Kontaktformular, über das eine Verbindung zu einem Kundenbetreuer hergestellt werden kann. Die direkte Möglichkeit der digitalen Eröffnung einer Neukundenverbindung wird meist nicht angeboten, was vermutlich an den hohen Anforderungen der Institute an ihre Kunden im Hinblick auf das zu investierende Vermögen liegt.
Erweiterung des Geschäftsmodells über Robo Advisor
Als Differenzierung von den übrigen Instituten bieten Quirin mit quirion, Hauck Aufhäuser Lampe mit Zeedin und Warburg mit dem Warburg Navigator eigene digitale Robo Advisor an, die bereits mit überschaubaren Anlagebeträgen genutzt werden können. Ein solcher hybrider Ansatz ermöglicht mehrere strategische Stoßrichtungen: Einerseits lassen sich Anlagegelder von Kunden aus dem Mass-Affluent-Segment generieren, die sich ansonsten nicht für eine Betreuung durch einen persönlichen Berater im Private Banking qualifizieren, was eine Skalierung des eigenen Portfoliomanagements ermöglicht.
Weiterhin können Kunden mit einem niederschwelligen Einstiegsangebot akquiriert und im Laufe ihres Lebenszyklus hin zu einer komplexeren Betreuung durch einen persönlichen Betreuer weiterentwickelt werden. Nicht zuletzt ermöglicht dieser Ansatz auch eine Expansion in geographische Regionen, die bisher mit dem begrenzten Netz eigener physischer Standorte einer Privatbank nicht erreicht werden konnten. Schließlich bietet ein solcher Ansatz auch die Möglichkeit auf unterschiedliche Preissensitivitäten von Kunden zu reagieren, indem ein etwas kostengünstigeres digitales Betreuungsmodell neben das klassische Modell gestellt wird.
Im Hinblick auf den Aufbau neuer digitaler Ökosysteme ist bei den meisten Instituten bisher nur wenig Aktivität festzustellen. Bei diesem Thema sticht Hauck Aufhäuser Lampe hervor, die einen komplett neuen Geschäftsbereich Digitale Assets aufgebaut haben mit Kapitalverwaltung und –verwahrung, Krypto-Wertpapier-Registerführung und dem Fonds HAIC Crypto Native, wobei ein wesentlicher Meilenstein die Übernahme der Kapilendo Custodian war.
Weitere Aktivitäten dieser Art oder Beteiligungen von Privatbanken an neuen Fintech-Geschäftsmodellen sind nicht festzustellen. Warburg hat seine Beteiligung an der W&Z FinTech, die unter dem Markennamen Ownly eine unabhängige Assetübersicht über sämtliche Vermögenswerte eines Nutzers einschließlich Konten, Immobilien und illiquider Assets anbietet im Zuge der Konsolidierung seiner Aktivitäten als Folge der Cum-Ex-Affäre an den CEO des Unternehmens Nicholas Ziegert verkauft. Metzler berichtet immerhin über den Aufbau einer Abteilung Digital Assets im Bereich Kapitalmarkt und eine interne Digitalmanufaktur als Inkubator für neue Ideen.
Kein Zwang zu Skaleneffekten und Großbanken
Wie Geschäftsmodelle wie die von Quirin oder Hauck Aufhäuser Lampe zeigen, bietet die Digitalisierung auch kleineren Instituten Möglichkeiten zu expandieren. Kostendegression in der IT, Cloud Computing und API-Schnittstellen-basierte unternehmensübergreifende Kooperationen bieten die Möglichkeit ohne riesengroßen Investitionsbedarf Geschäftsmodelle weiterzuentwickeln. Insofern ist es keineswegs so dass kleinere Privatbanken ins Hintertreffen gegenüber Großbanken oder den beiden Finanzverbünden der Sparkassen und Genossenschaftsbanken mit ihren auf den ersten Blick größeren Skaleneffekten geraten und es einen digitalisierungsgetriebenen zwangsläufigen Trend hin zu Konsolidierung und immer größeren Einheiten gibt. Dies wird auch durch die insgesamt erfolgreiche Entwicklung der Privatbanken in den vergangenen Jahren untermauert.
Allerdings zeigt sich auch, dass die meisten Privatbanken – von den erwähnten Frontrunnern abgesehen – die Möglichkeiten zur Weiterentwicklung der eigenen Geschäftsmodelle durch Digitalisierung (beispielsweise bei der Bancassurance) bisher recht behutsam angegangen sind. Grund hierfür könnte die positive Geschäftsentwicklung auf Grund der insgesamt positiven Kapitalmarktentwicklung der vergangenen Jahre sein, die Erfolge ohne das Eingehen von größeren Investitionsrisiken in neue Projekte oder Geschäftsfelder ermöglicht hat. Für die Zukunft würde man sich noch mehr Innovationsgeist in der Branche wünschen, um die Potenziale auszuschöpfen.
Über die Autoren:
Stefanie Hehn ist Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule für
Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen und ist auf Corporate Finance und Kapitalmarkttheorie spezialisiert. Bis 2018 war sie für die Deutsche Bank tätig.
Gösta Jamin lehrt an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen als Professor für Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre. Zudem begleitet er als Berater Banken und Finanz-
dienstleister bei der digitalen Transformation.
Carsten Pohl ist Professor an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen
und lehrt und forscht zu quantitativen Daten und SAP-S/4HANA-Anwendungen im Finanzwesen. Zuvor war er bei SAP, Schering und Bayer beschäftigt.