Alfred Ernst: Meine Meinung Der Schlendrian und der Tüchtige

Alfred Ernst von Salmann Investment Management

Alfred Ernst von Salmann Investment Management

Die frühere britische Premierministerin Margaret Thatcher muss ihren inoffiziellen Titel einer „Iron Lady“ möglicherweise bald teilen. Erste Aspirantin, ebenfalls als eiserne Dame in die Geschichte einzugehen, ist Angela Merkel. Eisern hat die deutsche Kanzlerin – zumindest bis Ende Juni – gegen die Vergemeinschaftung europäischer Staatsschulden in Form von gemeinsamen Anleihen gekämpft. „Mehr Wettbewerb statt mehr Haftung“ lautet die Losung Deutschlands und weiterer Nordlichter, während der „Club Med“ eher mit einem weiteren Scheck der reichen Onkel und Tanten aus dem Norden liebäugelt.

Die Vergemeinschaftung von Staats- und möglicherweise bald auch Bankschulden ist höchst gefährlich und widerspricht liberaler, auf Eigenverantwortung basierender Logik. Sie belohnt den Schlendrian und bestraft den Tüchtigen.

Dass dies auf lange Sicht nicht aufgehen kann, scheint in den Politetagen nicht überall anzukommen. Möglicherweise kommt das Nachgeben der bisher Standhaften aber ganz Europa teuer zu stehen. Vor allem den Süden könnte die große Ernüchterung einholen, wenn den reichen Verwandten im Norden nicht nur Geld und Wille für weitere Schecks ausgegangen sind, sondern im Zuge einer lahmenden Europa-Konjunktur auch deren Mittel, um sich Badeferien, Wein, Olivenöl und Fetakäse zu ordern, um es etwas salopp zu formulieren.

Den Anlegern blieb vor dieser Kulisse großer Unsicherheit reichlich Platz, sich im Warten auf Godot zu üben. Daran hat auch der mit großem Zittern erwartete zweite Wahlgang in Griechenland nichts geändert.

Der leicht sparkursfreundliche Ausgang der Wahlen hat zwar etwas Stress abgebaut, am Grundproblem aber noch nichts geändert. Die freundliche Stimmung des ersten Quartals ist an den Finanzmärkten denn auch Hand in Hand mit den Kursgewinnen verflogen. Eine Rally legten Aktien, Öl, Kupfer sowie Obligationen von schuldengeplagten EU-Ländern allerdings am letzten Handelstag des jüngsten Dreimonatszeitraums hin, als die Ergebnisse vom letzten Regierungsgipfeltreffen die Runde machten. So soll es eine Vereinfachung bei der Refinanzierung von Banken, ein 120-Milliarden-Wachstumspaket sowie Maßnahmen zur Dämpfung des Zinsdrucks in Italien und Spanien geben. Laut dem italienischen Premierminister Mario Monti sei gar der Weg für künftige Gemeinschaftsanleihen geebnet worden. Dem widersprachen deutsche Regierungsstellen prompt. Wie weit angesichts dieser Kakophonie die Märkte nachhaltig euphorisch bleiben, ist somit abzuwarten. 

Weder politisches Gezänk noch Schuldenprobleme haben sich bisher negativ auf die Erwartungen des Wirtschaftswachstums ausgewirkt. Die Eurozone muss unverändert mit einer leichten Rezession rechnen, während die USA, Japan und Deutschland expandieren.

Alfred Ernst (53) ist Mitglied des Anlagekomitees beim Liechtensteiner Vermögensverwalter Salmann Investment. Er ist seit 2008 im Unternehmen und Mitglied der Geschäftsleitung. Ernst ist geprüfter Finanzanalytiker und Vermögensverwalter

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