Plattform-Modelle Der Mittelweg bei Investitionen in Start-up-Unternehmen

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Grundsätzlich gibt es verschiedene Wege, um sich dem Thema anzunähern. Diese unterscheiden sich vor allem durch das Engagement, das man selbst zeigen muss. Das eine Extrem ist ein Investment in einen Venture-Capital-Fonds. Außer der Wahl des Anbieters und der zu investierenden Summe, was meist bedeutende Mindestsummen sind, hat der Anleger keinen weiteren Einfluss auf die Auswahl der Investments. Er begnügt sich mit einer Blackbox, die Rendite abwerfen soll.

Das andere Extrem ist der Business Angel, der sich mit der Materie so gut auskennt, dass er selbst interessante Anlagemöglichkeiten identifizieren, prüfen und auswählen kann. In der Regel legen sich solche Investoren auch nach Abschluss einer Finanzierungsrunde stetig für ihre Portfolio-Unternehmen ins Zeug. Die Kenntnisse in dieser Investmentdisziplin erarbeitet man sich im Austausch mit anderen Investoren in Business-Angel-Clubs. Hier sind Anleger, die in einem der Start-up-Hotspots Deutschlands tätig sind, durch die Nähe zu den Unternehmern und aktiven Netzwerken zweifelsohne im Vorteil.   

Einen Mittelweg stellen Plattform-Modelle dar, die in Europa in den vergangenen Jahren entstanden sind. Sie unterscheiden sich in ihrer Ausprägung im geographischen Fokus, im Grad der Digitalisierung und der Tiefe ihrer Unternehmensprüfung. Als gemeinsamer Nenner dürfte gelten, dass Plattformen (anders als Fonds) den Investoren die Auswahl überlassen, in welche Start-ups und wie viel sie investieren wollen.

Das erlaubt qualifizierten Anlegern, ein Portfolio aufzubauen, das ihrem Risikoappetit entspricht. Diese Plattformen sind abzugrenzen von sogenannten Crowdfunding-Plattformen, auf denen Firmen, die keine oder nur eine rudimentäre Prüfung durchlaufen, Geld einsammeln.  

Interessierte Anleger sollten sich bewusst sein, dass Jungunternehmen in der Regel mehrere Finanzierungsrunden durchführen, und dass die Firmen einen unterschiedlichen Reifegrad aufweisen. Einige investieren lieber früh in Start-ups, wenn die Risiken und möglichen Renditen noch sehr hoch sind. Andere bevorzugen Unternehmen, die schon mehrere Millionen Umsatz machen und ihr Produkt den Marktbedürfnissen entsprechend angepasst haben, die Bewertung aber auch schon höher liegt. Anleger sollten sich informieren, ob eine Plattform eine thematische, geographische und auch zeitliche Auswahl anbietet, die zu den eigenen Interessen passt. Aktive Anleger können sich dank Plattform-Modellen relativ zügig ein Portfolio von mehreren Start-ups aufbauen.

Der Zugang zu Anlagemöglichkeiten erfolgt bei den Plattform-Modellen häufig digital. Entscheidend ist, ob Anleger die notwendigen Informationen finden, um einen fundierten Entscheid zu fällen. Dazu gehört gegebenenfalls auch der persönliche Austausch mit den Unternehmern. Gerade bei Start-ups in einer frühen Entwicklungsphase sagen viele erfahrene Investoren, dass sie in erster Linie auf das Team und nicht auf das Produkt setzen, das sich im Verlauf der Zeit noch ändern kann.

Worauf kommt es generell an bei der Auswahl von Start-ups? Gängige Kriterien sind etwa die Größe des Marktes, das Wachstumspotenzial, Expertise und Erfahrung des Teams und technologische Differenzierung. Unternehmen sind in der Regel dann investierbar, wenn das Potenzial besteht, in fünf bis sieben Jahren ein Vielfaches des Anfangsinvestments durch einen Verkauf an ein anderes Unternehmen oder einen Börsengang zu verwirklichen.

Investoren, die über Plattformen in Start-ups investieren, lassen sich nach ihrer Motivation unterscheiden. Dazu gehören Experten auf einem technischen Gebiet und erfolgreiche Unternehmer, die sich sehr intensiv mit einzelnen, bestimmten Start-ups auseinandersetzen wollen. Andere sind vermögende Anleger, die nach einem effizienten Zugang zu dieser Anlageklasse suchen, aber für kleinere Investments nicht selber als Business Angel auftreten wollen, weil sich der Zeitaufwand dafür nicht rechtfertigt. Wieder andere suchen nach Diversifikationsmöglichkeiten in Gebieten, in denen sie sich selbst nicht genau auskennen, sich aber auf das Urteil eines erfahrenen Teams verlassen.

Allen gemeinsam ist aber der Wille, anders als bei einem Fondsinvestment, selbst zu entscheiden. Diese Zugangsform erlaubt es auch, die Höhen und Tiefen des Unternehmertums mitzuverfolgen. Auch können Investoren aktiv zum Erfolg des Start-ups beitragen. Und zwar, wenn sie über Geschäftserfahrung oder Netzwerke verfügen, die einem Start-up dienlich sein können. Dazu gehört etwa Unterstützung beim Gewinnen von Neukunden, Beantworten strategischer Fragen oder Rekrutieren von erfahrenem Personal.


Über den Autor:

Mike Hobmeier hat mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Finanzindustrie. Er war früher Chef der börsenkotierten Schweizer Valiant Bank. Heute betreut Hobmeier Institutionelle Anleger beim Startup-Finanzierer Verve Ventures.

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