Kunstversicherer Hiscox „Der Kunstmarkt ist eine Crème brûlée“

Robert Read, Partner und Leiter der Kunstabteilung beim Spezialversicherer Hiscox

Robert Read, Partner und Leiter der Kunstabteilung beim Spezialversicherer Hiscox

private banking magazin.de: Der Kunstmarkt hat im vergangenen Jahr für außerordentliche Schlagzeilen gesorgt. Es gab Rekorderlöse bei Auktionen und den Kunstfund bei dem Münchner Sammler Cornelius Gurlitt. Was war Ihre erste Reaktion, als Sie von dem Fundgehört haben?

Robert Read: Die Dimension hat mich überwältigt. Das erleben sie nicht oft. Das ist sicher ein Jahrhundertfund und besonders von der Qualität und der Quantität her einzigartig. Die Tatsache, dass bei einem Sammler bislang unbekannte Werke bedeutender Künstler gefunden wurden, hat mich weniger überrascht. Ich bin mir sicher, dass es weltweit noch viele unentdeckte Schätze gibt. Die über 1.000 Kunstwerke wurden in einer verhältnismäßig kleinen Wohnung aufbewahrt.

private banking magazin.de: Wie urteilen Sie als Kunstliebhaber und Versicherungsexperte darüber?

Read: Damit habe ich kein Problem. Je weniger die Kunstwerke bewegt werden, umso besser und sicherer ist es. Wie groß oder klein eine Wohnung ist, spielt keine Rolle. Die meisten Schadensfälle, die wir begleichen, entstehen durch Unfälle und unsachgemäßen Umgang mit den Kunstwerken. Da werden großflächige Bilder von zwei Personen getragen, und es reicht eine kleine Windböe für eine große Katastrophe. Stets ein Risiko sind auch die Besucher in Museen und Ausstellungen.

private banking magazin.de: Im November wurde „Three Studies of Lucian Freud“ von Francis Bacon für 142 Millionen Dollar versteigert. Sind Sie über immer neue Rekordsummen überrascht?

Read: Nein. Warum sollte sich der Kunstmarkt von anderen exklusiven Märkten unterscheiden? Wir werden die 200-Millionen-Grenze erleben, und auch darüber ist noch Luft. Warum nicht 500 Millionen Dollar? So lange es sehr große Vermögen gibt, werden auch hohe Summen für Kunstwerke gezahlt. Wir haben Kunden, die einen sehr seltenen Ferrari GTO bei uns versichert haben. Da stehen einige Exemplare mit einem Wert von 10Millionen Dollar in den Büchern. Im Herbst wurde ein GTO von 1963 versteigert. Für über 35 Millionen Dollar.

private banking magazin.de: Kennt der Markt Grenzen?

Read: Der Kunstmarkt ist wie eine Crème brûlée. Es gibt die ganz weiche Basis, den Pudding. Da wackelt es immer mal ein bisschen und es gibt Auf- und Absteiger. Wer möchte denn heute noch alte englische Antiquitäten? Die Generation ihrer Eltern hat dafür sicher viel bezahlt. Heute stehen die Möbel auf dem Antikmarkt. Und Sie haben die harte Zuckerschicht auf der Crème. Das ist der High-End-Markt. Den wird es immer geben, und der lässt sich nur schwer knacken.

private banking magazin.de: Sie haben Flohmarkt-Möbel zu Höchstpreisen in den Büchern und seltene Sportwagen, die inzwischen ein Vielfaches des ursprünglich versicherten Wertes auf dem Markt erzielen.

Read: So läuft das Geschäft. Der Versicherungsnehmererhält stets die Leistung oder den Ersatz, der beim Abschluss der Police taxiert wurde. Eine Neubewertung der Ferrari-Police würde natürlich höhere Prämien bringen. Im Schadensfall wäre eine Erstattung natürlich auch näher am derzeitigen Marktpreis.

private banking magazin.de: Nun kann ein einzigartiges Kunstwerk sicher nicht so einfach verschwinden, aber ein Sammler kann ja auch mal vor finanziellen Schwierigkeiten stehen und den Betrug als Ausweg sehen.

Read: Das kommt sicherlich vor. Trotzdem basiert unser Geschäft auf einer sehr vertrauensvollen und engen Kundenbeziehung. Mitunter sind nicht nur einzelne Kunstwerke, sondern auch der Haushalt oder die Ferienhäuser bei uns versichert. Kommt es zu einem Schadensfall, bedienen wir uns aber manchmal auch außergewöhnlicher Methoden.

private banking magazin.de: Was stellen Sie da an?

Read: Eine Kundin verliert einen wertvollen Ring beim Skilaufen. Da mobilisieren wir schon mal einige Pistenraupen, schieben den Schnee zusammen und sieben ihn. Wir haben den Ring aber leider nicht gefunden und den Verlust ersetzt. Ein anderer Kunde verliert seine Uhr im Wert von über 100.000 Dollar beim Wassersport. Wir hätten den Preis erstattet. Zeitnah war aber eine Auktion, wo eines dieser Modelle versteigert werden sollte. Der Kunde wollte die Uhr und war einverstanden. Die Auktion war für uns preiswerter als eine Erstattung.

private banking magazin.de: So außergewöhnlich ihre Kundschaft ist, so ausgefallen ist doch sicher die Sammlerleidenschaft. LehnenSie da auch mal ab?

Read: Es kam mal ein Kunde mit einem Defibrillator .Er soll mal Elvis gehört haben. Wir haben abgelehnt.

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?
Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen