Datenaustausch Deutschland und Türkei Der gläserne Steuerbürger zwischen Hamburg und Istanbul

Rainer Biesgen von Wessing & Partner

Rainer Biesgen von Wessing & Partner: Eile ist geboten. Foto: Wessing & Partner

Worum geht es bei dem automatischen Informationsaustausch?

Finanzinstitute in der Türkei melden grundsätzlich Daten über Bank- und andere Finanzkonten über die türkischen Finanzbehörden an die deutschen Finanzbehörden, wenn der Kontoinhaber in Deutschland ansässig ist. Ebenso melden die deutschen Finanzbehörden Daten über Konten bei Finanzinstituten in Deutschland von Kontoinhabern, welche in der Türkei ansässig sind, an die türkischen Finanzbehörden.

Der Austausch der Daten erfolgt, wie der Name schon sagt, automatisch, also ohne konkrete Nachfrage des anderen Staates für alle Finanzkonten, welche die Kriterien erfüllen.

Was ist die Rechtsgrundlage für den Datenaustausch?

Der Datenaustausch erfolgt aufgrund eines internationalen Abkommens aus dem Jahr 2014. Mehr als 100 Staaten haben das Abkommen inzwischen unterzeichnet und tauschen die entsprechenden Daten untereinander aus. Dazu gehören auch Deutschland und die Türkei.

Die Staaten setzen das Abkommen durch nationale Gesetze in geltendes Recht um. In Deutschland ist dies das Finanzkonten-Informationsaustauschgesetz (FKAustG) aus dem Jahre 2015.

Wann ist ein Inhaber von Konten in der Türkei vom Datenaustausch nach Deutschland betroffen?

Maßgeblich ist, ob der Kontoinhaber in Deutschland ansässig ist. Welche Staatsangehörigkeit er hat, ist unerheblich.

Ein Kontoinhaber ist in Deutschland ansässig, wenn er hier eine ständige Wohnstätte hat. Hat er daneben auch in der Türkei eine ständige Wohnstätte, kommt es darauf an, in welchem der beiden Länder er den Mittelpunkt der Lebensinteressen hat. Häufig ist dies der Staat, in welchem der Ehepartner und die noch zum Haushalt gehörenden Kinder leben. Bei alleinstehenden Kontoinhabern ist es meist der Staat, in welchem dieser arbeitet und sich vorwiegend aufhält.

Wie prüft das Finanzinstitut die Ansässigkeit?

Wenn ein Kunde sein Konto eröffnet, muss die Bank von ihm eine Selbstauskunft verlangen. Sie muss dann die Plausibilität der Angaben anhand der ihr vorliegenden Informationen prüfen und dabei unter anderem auch den im Personalausweis oder Pass eingetragenen Wohnsitz berücksichtigen.

Bei bestehenden Konten kann sich das Finanzinstitut an der in den Bankunterlagen erfassten Anschrift des Kontoinhabers richten. Es kann aber auch weitere Unterlagen prüfen wie etwa hinterlegte Telefonnummern aus dem anderen Staat oder Daueraufträge über Zahlungseingänge aus diesem Staat wie Lohn- oder Rentenzahlungen.

Bei einem Kontostand von mehr als einer Million US-Dollar muss die Bank zwingend ihre Unterlagen daraufhin untersuchen, ob Hinweise, auf eine Ansässigkeit im anderen Staat bestehen.

Wann beginnt der Datenaustausch zwischen Deutschland und der Türkei?

Erwartungsgemäß am 30. September 2021. Einen früheren Datentransfer kann ich jedoch nicht ausschließen. Die deutschen Finanzinstitute haben die Daten von Kontoinhabern mit Ansässigkeit in der Türkei bereits bis zum 31. Oktober 2020 an das Bundeszentralamt für Steuern gemeldet, und zwar mit Stichtag 1. Januar 2019. Es ist damit zu rechnen, dass diese Daten jetzt auch bis zum 30. September 2021 an die türkischen Finanzbehörden übermittelt werden.

Welche Konten werden gemeldet?

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Die Behörden melden alle Arten von Bankkonten, also insbesondere Girokonten, Sparkonten und Terminkonten sowie Depots mit Aktien oder anderen Wertpapieren sowie Beteiligungen an Investmentfonds. Auch bestimmte Versicherungsverträge, wie zum Beispiel kapitalgedeckte Lebensversicherungen werden erfasst. Auf die Höhe des Kontostandes kommt es nicht an.

Können Kontoinhaber den Datenaustausch vermeiden, wenn sie jetzt das betroffene Konto auflösen?

Nein, der automatische Datenaustausch betrifft alle entsprechenden Konten, welche am 1. Januar 2019 oder am 1. Januar 2020 bestanden. Wurde ein solches Konto danach beendet, wird es gleichwohl gemeldet.

Welche Daten melden die Behörden?

Sie melden Kontonummer, Name der Bank und des Kontoinhabers, dessen Geburtsdatum und dessen Anschrift. Bei allen Konten wird der Kontosaldo zum Stichtag mitgeteilt. Bei Einlagekonten (z.B. Girokonto, Sparkonto, Termingeldkonto) daneben auch der gesamte Bruttobetrag der im jeweiligen Jahr zugeflossenen Zinsen. Bei Depotkonten übermitteln die Beamten auch Dividenden und andere Einkünfte sowie den Bruttobetrag der Kontozuflüsse aus dem Verkauf oder dem Rückkauf von Finanzvermögen, also beispielsweise Erlöse aus Aktien- oder anderen Wertpapierverkäufen.

Wie verwenden die deutschen Finanzbehörden die Daten?

Die türkischen Finanzbehörden übermitteln die Daten zunächst zentral an das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt). Dieses leitet die Daten an das jeweils für den Kontoinhaber zuständige Finanzamt weiter. Das Finanzamt vergleicht dann die Daten mit den vorliegenden Steuererklärungen. Es prüft insbesondere, ob Einnahmen aus diesem Bankkonto in der Vergangenheit erklärt wurden und ob die Höhe des gemeldeten Kontosaldos aufgrund der Höhe der in der Vergangenheit erklärten Einnahmen plausibel erscheint. Ist dies nicht der Fall, kann es weitere Maßnahmen ergreifen.

Es kann insbesondere den betroffenen Kontoinhaber zu weiteren Auskünften auffordern, zum Beispiel über die Herkunft des Vermögens. Auch kann es nach dem Doppelbesteuerungsabkommen gezielte Anfragen an die türkischen Finanzbehörden veranlassen und so etwa an die Kontoauszüge gelangen.

Bei Verdacht auf Steuerhinterziehung leitet das Finanzamt die Informationen an die zuständige Straf- und Bußgeldstelle weiter. Diese kann ein Steuerstrafverfahren einleiten und gegebenenfalls einen richterlichen Beschluss über eine Hausdurchsuchung beantragen.

Melden die Behörden auch Daten über andere Einkünfte, zum Beispiel aus Mietsachen, Hausverkäufen oder Renten?

Im automatischen Informationsaustausch werden diese nicht unmittelbar gemeldet. Es ist aber möglich, dass das Finanzamt durch die vorgenannten weiteren Maßnahmen, beispielsweise die Anforderung von Kontoauszügen, hierauf stößt. Hierzu besteht beispielsweise Anlass, wenn der Kontosaldo durch die inländischen Einnahmen nicht erklärbar ist oder sich in einem Jahr deutlich erhöht hat, etwa durch Erträge aus einem Hausverkauf oder eine Erbschaft.