Insight Index, Teil 3 Der entwachsene Bruder MSCI Emerging Markets

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Dies läutete die vierte und letzte wichtige Zeitperiode ein. Die Erkenntnis, dass selbst Länder wie China nicht dauerhaft ein BIP-Wachstum von mehr als 10 Prozent pro Jahr erwirtschaften können, enttäuschte die hochgesteckten Erwartungen der Anleger. Dabei unterschätzten viele die künftige Dominanz Asiens und Chinas in der Weltwirtschaft, die sich trotz abflachender Wachstumsraten Bahn brach.

So stieg das Gewicht chinesischer Aktien im MSCI Emerging Markets Index seit 2008 von 14 auf aktuell 43 Prozent. Der Anteil der Region Asien kletterte im gleichen Zeitraum von 50 auf derzeit 80 Prozent. Damit hat er sich im Laufe der Jahre zu einem asiatischen Index mit internationaler Beimischung entwickelt.

Die ursprüngliche Exotik ist dem Index dabei etwas verloren gegangen. Kleinere und von Investoren unentdeckte Märkte gibt es nur noch wenige und spielen im Index kaum noch eine Rolle. Diese finden sich eher noch im 2007 geschaffenen MSCI Frontier Markets Index, der Länder abbildet, deren Ökonomie und Finanzmarkt weniger weit entwickelt sind. Beispiele für diese Grenzmärkte sind Vietnam und Marokko.

Quelle: MSCI, Weberbank

Chinas Aufstieg

Im MSCI Emerging Markets Index ist hingegen die Dominanz von Asien und speziell Chinas auffällig, könnte in den kommenden Jahren weiter zunehmen. Dabei werden die chinesischen Inlandsaktien, die sogenannte A-Aktien, vom Indexanbieter MSCI derzeit nur mit einem Anteil von 20 Prozent berücksichtigt. Die Integration dieses Segments wurde im Jahr 2019 mit 5 Prozent begonnen. Sollte China seinen Kapitalmarkt weiter in einem ähnlichen Tempo entwickeln und öffnen wie zuletzt, sollte dieser Anteil weiter ansteigen.

China ist im Begriff einer der größten und wichtigsten Finanzplätze der Welt zu werden. In der kommenden Dekade wird das Land die USA als größte und wichtigste Volkswirtschaft der Welt ablösen. Zum Vergleich: Die vollständige Integration des heutigen Index-Schwergewichts Korea dauerte sechs Jahre. China wird somit im MSCI Emerging Markets Index eine Bedeutung erlangen, wie die USA es im MSCI World getan haben.

Der Aufstieg Asiens hängt auch eng mit dem globalen Digitalisierungstrend des vergangenen Jahrzehnts zusammen. Die Region ist Produktionsstandort Nummer Eins für Hochtechnologieprodukte wie Computer, Smartphones oder elektronische Komponenten. So stieg der Anteil der IT-Branche im Index von 1998 bis heute von 5 auf 18 Prozent.

Aber auch das Thema Plattform-Ökonomie, das sonst von den großen US-Konzernen wie Amazon, Alphabet oder Facebook dominiert wird, hat stark an Bedeutung gewonnen. Unternehmen wie Alibaba oder Tencent haben in Asien eine ähnliche Relevanz erlangt und sind Schwergewichte im Index. Viele asiatische Unternehmen sind auch im Zukunftssegment der künstlichen Intelligenz führend und haben somit in der kommenden Dekade weiteres Wachstumspotenzial. Der früher dominierende Rohstoff- und Energiebereich hat heute indes kaum noch eine Relevanz.

Die Regionen Osteuropa und Lateinamerika, in denen diese Branchen stark vertreten sind, haben in den vergangenen zehn Jahren eine schlechtere relative Entwicklung als der Gesamtindex erzielt und deutlich an Gewicht verloren. Schaut man auf die fundamentalen Bewertungskennzahlen des Index, so ist er trotz der geschilderten Zukunftsausrichtung attraktiver bewertet als der MSCI World. Beispielsweise liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis auf Basis von Gewinnschätzungen für die kommenden zwölf Monate bei 15 gegenüber teuren 21 beim großen Bruder-Index.

Der MSCI Emerging Markets Index ist schon lange seinem Nischendasein entronnen und heute eine feste Größe in der Portfoliokonstruktion. Ein Engagement ermöglicht langfristigen Anlegern, die erhöhte Schwankungen tolerieren, eine Überrendite gegenüber klassischen internationalen Aktienanlagen. Zusätzlich bietet es die Chance, an der asiatischen Wachstums-Story zu partizipieren – getreu dem Motto „The Future is Asian!“.



Über den Autor:
Daniel Schär ist Leiter Portfoliomanagement der Weberbank. Der 45-Jährige CFA-Charterholder leitet das zehnköpfige Team der Analysten und Portfoliomanager und ist für die Entwicklung der Kapitalmarktstrategie und das Management der Vermögensverwaltungs- und Fondsmandate zuständig.

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