Scheinproblem oder doch komplizierter? BGH beendet langjährige Diskussion um digitalen Nachlass

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Fernmeldegeheimnis und Datenschutz stehen Erbrecht nicht entgegen

Wie so oft aber nur grundsätzlich, denn wie ebenfalls so oft liegt die Tücke im Detail. Mit zwei relevanten Themen hat sich der BGH ersichtlich schwer getan und sich deswegen ungewöhnlich intensiv befasst.

Es fällt auf, dass das Gericht durchaus Schwierigkeiten damit gehabt haben mag, einen Erben – wie im konkreten Fall den Eltern – in die unterstellt vielleicht intime Diskussion zwischen vielen minderjährigen Nutzern Einblick erhalten zu lassen. Nach der Argumentation des BGH wird die Kommunikation zwischen den Nutzern nämlich nicht personenbezogen geführt. Die vertragliche Verpflichtung des sozialen Netzwerkes zur Übermittlung und Bereitstellung von Nachrichten und sonstigen Inhalten sei nämlich von vorneherein kontobezogen. Der BGH hat dies mit der eingangs erwähnten Gleichstellung mit der früheren Post verglichen und versucht zu lösen, wonach jeder Absender konkludent in Kauf nehme, dass mit seinem einmal versandten Brief, auf dessen weiteren Verbleib er keinen Einfluss habe, Missbrauch betrieben werden könne. Solches sei hinzunehmen. Dagegen ist anzumerken: der BGH hatte über eine Geschäftsverbindung zu Facebook zu entscheiden. Das Netz kennt aber ganz andere Foren und Plattformen. An deren Inhalten wird sich das Urteil messen lassen müssen. Wir gehen nachfolgend darauf ein.

Auch das Fernmeldegeheimnis stehe dem Anspruch der Erben nicht entgegen. Der Erbe sei, da er vollständig in die Position des Erblassers einrücke, jedenfalls nicht „anderer“ im Sinne des Fernmeldegeheimnisses. Auch stehe das Datenschutzrecht dem Anspruch auf Zugang grundsätzlich nicht entgegen. Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung sei entweder der Nutzungsvertrag oder das berechtigte Interesse der Erben. Zumindest bei Letzterer ist jedoch zu berücksichtigen, dass eine Interessenabwägung stets einzelfallbezogen zu führen ist.

Erbrechtlich hat sich der BGH mit der Fragestellung befasst, ob es einen Bereich „höchstpersönlicher Rechte“ geben könnte, die gerade nicht in den Nachlass fallen könnten. Das Gericht hat dies unter Hinweis auf bestimmte Normen des Erbrechts verneint. Indes: Nahezu vollständig stammt das im BGB kodifizierte Erbrecht aus dem Jahr 1900. Nie und nimmer konnte sich der Gesetzgeber von damals eine Entwicklung vorstellen, über die der BGH heute zu entscheiden hatte. Das wirft natürlich die Frage auf, ob die Entwicklung der digitalen Welt in den zurückliegenden Jahren nicht doch zu einer zeitgerechteren Handhabung des Erbrechts zwingt – es also doch Bereiche gibt, die eben gerade nicht vererblich sind.

Wenn eingangs von uns einfache und taugliche Lösungen aufgezeigt wurden, so darf doch nicht verkannt werden, dass viele Nutzer sozialer Netzwerke minderjährig und damit nicht testierfähig sind. So sind auch ohne Zustimmung ihrer Eltern vertragliche Regelungen, wie oben aufgezeigt, nicht umsetzungsfähig. Also müssen wir uns doch damit befassen.