Scheinproblem oder doch komplizierter? BGH beendet langjährige Diskussion um digitalen Nachlass

Wolfgang Galonska und Mareike Gehrmann von der internationalen Wirtschaftskanzlei Taylor Wessing: Trotz des eindeutig klaren Urteils des BGH könnte die Diskussion um das digitale Erbe jetzt erst richtig losgehen.

Wolfgang Galonska und Mareike Gehrmann von der internationalen Wirtschaftskanzlei Taylor Wessing: Trotz des eindeutig klaren Urteils des BGH könnte die Diskussion um das digitale Erbe jetzt erst richtig losgehen. Foto: Taylor Wessing

Endlich hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, – und damit in weiten Teilen die langjährige Diskussion innerhalb der Fachwelt beendet – was im Todesfall mit der digitalen Nachlassenschaft, also den Spuren und Quellen in den sozialen Netzwerken im Internet geschieht. Verblüffend ist die Argumentation des höchsten deutschen Zivilgerichts insoweit, als es mit überraschender Leichtigkeit wiederholt Vergleiche mit dem herkömmlichen Briefverkehr aufstellt und nahezu keinen Unterschied zur Kommunikation der vergangenen Jahrzehnte festzustellen vermag.

Erben erhalten Anspruch auf Zugang

Der digitale Nachlass fällt in die Erbmasse ebenso wie einmal geschriebene Briefe es immer getan haben. Punkt. Weder das Telekommunikations- noch das Datenschutzrecht vermögen daran etwas zu ändern und auch nicht das Verfassungsrecht. Das Erbrecht – aus dem Jahr 1900 – sei da eindeutig. Auch wenn der vom BGH konkret entschiedene Fall sehr schlicht gelagert war, lohnt der Blick hinaus, um zu fragen, ob der BGH wirklich alle Erscheinungsformen sozialer Netzwerke und Internetdienste sowie erbrechtlicher Konstellationen zu Ende gedacht haben könnte. Im aktuellen Fall wurde die verstorbene 15-jährige kinderlose Erblasserin mangels eines Testamentes von ihren Eltern beerbt, die auch ihre nächsten Angehörigen waren. Einzig der Umstand, dass das Kind vermutlich mittels Suizid aus dem Leben geschieden ist, machte den Fall aufwändiger.

Nimmt man nun den konkreten Ausgangsfall, so scheint für die Zukunft die Lösung einfach. Der Dienstleister sozialer Netzwerke wird statt des aktuellen Gedenkstatus seinen Vertragspartnern anbieten, dass deren Spuren im Internet mit deren Tod automatisch gelöscht werden. Der sogenannte Gedenkzustand durch den Betreiber – in diesem Fall Facebook – war im Übrigen nach den Entscheidungsgründen des Urteils nicht einmal vertraglich vereinbart. Stimmen die Nutzer – und soweit minderjährig mit Zustimmung ihrer Eltern – dem zu, gibt es zweifelsfrei keinen digitalen Nachlass mehr.

Denn ganz eindeutig hat der BGH festgestellt, dass die Erben in das Vertragsverhältnis mit dem Nutzer und dem Dienstanbieter mit dem Inhalt eintreten, mit dem es geschlossen wurde. Die Erben erhalten keine weitergehenden Rechte. Eine solche Reaktion und Lösung wäre rechtmäßig, da der BGH ganz ausdrücklich auch betont hat, dass wegen der vertraglich vereinbarten ausschließlich persönlichen Nutzung durch den Anwender die Erben nicht das Recht erben, mit dem Account des Verstorbenen weiter aktiv im Netz tätig zu werden. Das Erbe beschränkt sich – so der BGH – nur auf die Einsicht in bereits Vorhandenes.

Nicht nur zivilrechtlich, sondern auch erbrechtlich lässt sich das gleiche Ergebnis dadurch erreichen, dass der Nutzer letztwillig verfügt, dass sein digitaler Nachlass nach seinem Tode gegenüber dem Dienstanbieter gelöscht werden soll. Zur Sicherstellung, dass sich der Erbe daran auch hält, könnte ohne weiteres eine Testamentsvollstreckung mit entsprechendem Auftrag an den Testamentsvollstrecker verfügt werden. Erforderlich ist natürlich in diesem Fall die Testierfähigkeit des Nutzers, er muss also mindestens 16 Jahre alt sein. Damit hätte sich grundsätzlich dank der Grundsatzentscheidung des BGH, die so bald wohl auch nicht wieder infrage gestellt werden dürfte, das vieldiskutierte Thema des digitalen Nachlasses erledigt.