Demografie, Digitalisierung, Dekarbonisierung Das Vermögen von Morgen

Carsten Mumm, Chefvolkswirt der Privatbank Donner & Reuschel

Carsten Mumm, Chefvolkswirt der Privatbank Donner & Reuschel

In einer Zeit des Wandels ergeben sich für Volkswirtschaften und verschiedene Interessensgruppen immense Chancen und Risiken. Um die Gefahr einzudämmen, dass die derzeitigen Umbrüche Verlierer erzeugen und zunehmend ungleich verteiltes Vermögen die Stabilität der Gesellschaft untergräbt, ist das Setzen von Anreizen zur Vermögensbildung für mittlere und geringe Einkommen dringend notwendig.

Auf der anderen Seite wird in Zukunft Humankapital zum wichtigsten Bestandteil des Vermögens werden. Dabei wird es weniger darum gehen, hochspezialisierte Berufe zu erlernen. Wichtiger ist es sich flexible Fähigkeiten anzueignen, um damit ständig neue Tätigkeiten ausführen zu können. Gerade in Zeiten von Paradigmenwechseln und Strukturbrüchen ist das Setzen von Anreizen zur Vermögensbildung und zur Vermögensbeteiligung essentiell, um das relevante Vermögen von Morgen zu bilden. Dabei sollte die Politik durch regulatorische Orientierung eine schärfere Kontur und damit den Anreiz setzen, in die Zukunft zu investieren. 

Der folgende Beitrag widmet sich diesen Punkten und basiert auf der Donner & Reuschel Studie „Das Vermögen der Zukunft“. Dabei untersucht die in Kooperation mit dem Hamburgischen WeltWirtschaftsinstitut (HWWI) durchgeführte Analyse, welches Vermögen volkswirtschaftlich gebildet werden muss, um Wachstum und Wohlstand für die Zukunft zu erhalten und wie Menschen an diesem Vermögen beteiligt werden können, um damit individuelle Sicherheit und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken.

Vermögen im Wandel der Zeit

Unabhängig von der aktuell alles überschattenden Corona-Pandemie, erleben wir aktuell eine außergewöhnliche Häufung von bedeutenden Zeitenwenden. Diese können als sogenannte drei D`s zusammengefasst werden: Demografie, Digitalisierung, Dekarbonisierung. Dabei birgt schon jeder Aspekt für sich allein das Potenzial enormer Veränderungen sowohl für Gesellschaften, Staaten und Unternehmen als auch für einzelne Individuen. Gemeinsam werden sie in den kommenden Jahren fundamentalen Anpassungsbedarf erzeugen, der auch für Kapitalanleger relevant ist.

Dabei sorgen die drei D`s für eine Umwertung, oft auch eine Entwertung, alten Vermögens und forcieren die Bildung neuen Vermögens. So führt die demografische Alterung in vielen Industriestaaten zu einem veränderten Spar- und Anlageverhalten, bei dem stärker auf Kapitalerhalt abgezielt und folglich mit weniger Risiko angelegt wird. Die Digitalisierung impliziert einen tiefgreifenden technologischen Wandel, der bestehendes Produktivvermögen entwerten und neue Sachanlagen sowie vor allem Humankapital erfordern wird.

Die Dekarbonisierung, also die Umstellung auf klimaneutrale Produktion, führt dazu, dass fossile Produktionsverfahren an Wert verlieren und saubere Technologien einen Wertzuwachs verzeichnen. Da die Bewertung von Vermögen immer unter den gegebenen technologischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Bedingungen erfolgt, muss bei Paradigmenwechseln auch das Vermögen einer Volkswirtschaft grundlegend neu bewertet und der Wohlstand neu definiert werden.

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Der Übergang in die Datenökonomie ist ein Beispiel für die Umwertung von Vermögen

Die Digitalisierung bedeutet eine fundamentale Veränderung der Produktionsweisen. Während Daten ein neuer Produktionsfaktor geworden sind, verlieren industrielle Geschäftsmodelle und physisches Kapital an Wert. Auf diese Weise kann die Digitalisierung zu einer ungleichmäßigeren Einkommens- und Vermögensverteilung beitragen. Sie verändert fundamental die Welt und die Art und Weise, wie Gesellschaft und Wirtschaft organisiert sind.

Daten sind heute schon eine der wichtigsten Ressourcen für die digitale Gesellschaft. Und je größer die Menge der miteinander verknüpften Daten wird, umso größer ist deren ökonomischer Wert. Bereits heute ist die Macht von Plattformen, auf denen Daten zentralisiert und verknüpft werden, offenkundig. Soziale Medien beispielsweise werden für neue Nutzer umso interessanter, je mehr andere Menschen die gleiche Plattform nutzen. Gemessen am Börsenwert haben die Daten-Plattformen mittlerweile viele große industrielle Konzerne als wertvollste Unternehmen abgelöst. Künftig werden Besitzer von Robotern, Algorithmen und Daten steigende Einkommen erzielen.

Demgegenüber werden von der Entwertung nicht nur mechanische, sondern vor allem auch kognitive Tätigkeiten betroffen sein. Künstliche Intelligenz und Daten sind dauerhaft im Einsatz, mehrfach verwendbar und zu sehr geringen Grenzkosten replizierbar. Künstliche Intelligenz wird somit traditionelle Berufsbilder und Fähigkeiten, darunter zum Beispiel ärztliche Diagnosen, entwerten, wohingegen andere Berufe an Wert gewinnen werden.