Dax-Unternehmen Deckungsgrad der Pensionsverpflichtungen steigt – Rechnungszins fällt

André Geilenkothen, Leiter Pensionskassenberatung bei Mercer.

André Geilenkothen, Leiter Pensionskassenberatung bei Mercer: „Bestehende Ausfinanzierungslösungen sollten in jedem Fall unter Berücksichtigung der neuen Gegebenheiten an den Kapitalmärkten optimiert werden.“ Foto: Mercer

Die meisten Anlageklassen haben sich im Jahr 2023 positiv entwickelt. Das führte im Vergleich zum Vorjahr zu einem Anstieg des Pensionsvermögens der 40 im Dax gelisteten Unternehmen von 245 Milliarden Euro auf 267 Milliarden Euro. Was aber noch unter dem Höchststand von fast 300 Milliarden Euro Ende 2021 liegt. Das sind die Ergebnisse des Beratungsunternehmens Mercer, diese beruhen auf Schätzungen aus den Geschäftsberichten der Dax-Unternehmen sowie aktueller Kapitalmarktinformationen.

Der Rechnungszinssatz konnte sich gleichzeitig nicht auf dem hohen Vorjahresniveau halten und hat insbesondere im November und Dezember 2023 nachgegeben. Dadurch ist der Wert der Pensionsverpflichtungen nach IFRS von rund 307 Milliarden Euro auf 330 Milliarden Euro gestiegen.

Somit hat der Deckungsgrad, also das Verhältnis von Pensionsvermögen zu Pensionsverpflichtungen, den Rekordwert des Vorjahres noch übertroffen und stieg von 80 auf 81 Prozent. 

Neue Unternehmen im Dax, Pensionsvermögen gesunken

Die Zusammensetzung des Dax 40 hat sich 2023 geändert. Im Februar wurde Linde durch die Commerzbank, im März Fresenius Medical Care durch Rheinmetall ersetzt. Der Abgang von Fresenius Medical Care hat dabei keine Auswirkungen auf das Pensionsvermögen, da das Unternehmen vollständig bei Fresenius konsolidiert wird. Bei den drei anderen Unternehmen bestehen jeweils mehrere Milliarden Euro Pensionsvermögen. Per Saldo hat sich durch die veränderte Zusammensetzung das Pensionsvermögen nur um etwa 2 Milliarden Euro erhöht.

Aufgrund der hohen Inflation dürften die Zahlungen aus dem Planvermögen erneut höher sein als die neuen Zuwendungen. Der daraus resultierende Mittelabfluss könnte auf Grundlage der Berechnungen von Mercer etwa 5 Milliarden Euro betragen. Im Ergebnis hat sich das Pensionsvermögen durch die veränderte Dax-Zusammensetzung und die Mittelabflüsse um 3 Milliarden Euro reduziert. Da der Stand Ende 2023 aber 22 Milliarden Euro höher ist als Ende 2022, ergibt sich eine Rendite im Pensionsvermögen von rund 25 Milliarden Euro oder 10 Prozent.

Volatile Aktienmärkte

Die Aktienmärkte zeigten sich im Jahr 2023 robust, aber volatil. Die entwickelten Märkte zeigten im ersten Halbjahr eine gute Performance, getrieben von den starken Technologiekonzernen der USA.

Im zweiten Halbjahr dämpfte die Rhetorik der amerikanischen Zentralbank die Kursentwicklung an den Aktienmärkten, bevor im vierten Quartal eine Jahresendrallye einsetzte. Im Gesamtjahr 2023 stieg der MSCI World TR Index um 20,2 Prozent, der MSCI Emerging Markets TR Index legte 6,5 Prozent zu und der MSCI Europe TR Index gewann 16,6 Prozent (jeweils in Euro) hinzu.

 

Mit den weiteren Zinsanhebungen im Jahr 2023 sind die nominalen Anleihenrenditen entlang der gesamten Kurve gestiegen. Insgesamt konnten die globalen Anleihenmärkte um 4,7 Prozent hinzugewinnen (gemessen am Bloomberg Barclays Global Aggregate TR Index Euro Hedged). Mit dem Rückgang der Inflationsraten sind auch die realen Renditen gestiegen. 

„Es kam für Investoren im Jahr 2023 darauf an, die veränderten Chancen am Kapitalmarkt zu erkennen und situationsgerecht zu handeln“, sagt Jeffrey Dissmann, Leiter Investments bei Mercer Deutschland. Investoren hätten das höhere Zinsniveau zum Ausbau ihrer Absicherung genutzt. Pensionsanleger müssten weiterhin Kapitalmarktrisiken eingehen, um den gestiegenen Anpassungsbedarf aus der Inflation zu decken. „Am Aktienmarkt hat sich das insbesondere zum Jahresende auch durchaus ausgezahlt“, erklärt Dissmann.

Anstieg der Pensionsverpflichtungen durch niedrigen Rechnungszinssatz

Dass die Pensionsverpflichtungen von 307 auf 330 Milliarden Euro gestiegen sind, liegt am niedrigeren Rechnungszinssatz. In welchem Ausmaß der Zins in den einzelnen Unternehmen reduziert werden musste, hängt an der Mercer Yield Curve. Mit diesem Verfahren ermittelt das Beratungsunternehmen den Rechnungszinssatz nach den internationalen Rechnungslegungsvorschriften (International Financial Reporting StandardsIFRS) für eine typische Restlaufzeit von 15 beziehungsweise 20 Jahren. Dabei ist der Wert von 4,21 auf 3,57 Prozent (15 Jahre) und 4,25 auf 3,63 Prozent (20 Jahre) gesunken.

Der Rechnungszins wird im Dax im Durchschnitt aber weniger deutlich abgesenkt. Unter Berücksichtigung der verschiedenen Zinsermittlungsverfahren und der Erfahrungen aus der Vergangenheit geht Mercer-Chefaktuar Thomas Hagemann davon aus, dass der Rechnungszins im Dax zum 31. Dezember 2023 etwa einen halben Prozentpunkt unter dem Vorjahreswert lag.

Dieser Zinsrückgang ist deutlich niedriger als der Anstieg des Rechnungszinssatzes im Jahr 2022. Damals war das Zinsniveau bedingt durch den Ukrainekrieg um etwa 2,5 Prozentpunkte angestiegen. Dennoch ist der Rückgang im Jahr 2023 für die Unternehmen schmerzhaft. Vor allem die hohe Volatilität des Zinssatzes und der unerwartet schnelle und starke Rückgang des Zinsniveaus zum Jahresende waren eine Herausforderung für die Unternehmen, insbesondere für diejenigen, die sich gegen dieses Risiko in der Kapitalanlage nicht abgesichert hatten.

Hagemann schätzt, dass die hohe Inflation und die daraus resultierende Belastung möglicherweise nicht in allen Unternehmen ausreichend berücksichtigt wurde. Dies führt zu Nachreservierungen durch gestiegene Leistungen oder eine Erhöhung der Inflationsannahme, welche der Chefaktuar mit 2 Milliarden Euro berücksichtigt.

Bei den Anpassungen der laufenden Leistungen ist zu beachten, dass die erhöhten Verpflichtungswerte durch den gesunkenen Rechnungszinssatz eine rein bilanzielle Belastung darstellen. Die Volatilität von Verpflichtungs- und Vermögenswerten wird im IFRS-Abschluss erfolgsneutral dargestellt, belastet also nicht den ausgewiesenen Unternehmenserfolg.

Deckungsgrad auf Rekordhoch gestiegen

Der Deckungsgrad, also das Verhältnis von Pensionsvermögen zu Pensionsverpflichtungen, hatte Ende 2022 ein Rekordhoch von 80 Prozent erreicht. Dieser Wert wurde Ende 2023 mit 81 Prozent noch überschritten. Zum Vergleich: In den Jahren 2008 bis 2020 lag der Deckungsgrad nie über 70 Prozent, 2021 erreichte er 72 Prozent.

Die hohen Deckungsgrade spiegeln nicht nur das Verhältnis der Kursentwicklung des Planvermögens zur rechnerischen Entwicklung der Pensionsverpflichtungen wider. Sie liegen auch im allgemeinen Trend zur Ausfinanzierung.

In Deutschland gibt es anders als in den USA oder Großbritannien keine Pflicht zum Aufbau eines Pensionsvermögens, wodurch der Deckungsgrad hierzulande für gewöhnlich niedriger ist. Im Dax hält der Trend zur Nutzung von Pensionsfonds an. Sie werden für die kapitalgedeckte bAV und anderer Ausfinanzierungslösungen genutzt, um so den bilanziellen Risiken der Pensionsverpflichtungen zu begegnen.

„In den vergangenen Jahren haben viele Unternehmen Pensionsverpflichtungen auf den Pensionsfonds übertragen, um bilanziell Pensionsvermögen zu schaffen, Liquiditätsbelastungen zu verstetigen und Risiken angemessen zu steuern“, erläutert André Geilenkothen, Leiter Pensionskassenberatung bei Mercer. Hierfür haben die Unternehmen in Deutschland über die letzten Jahre kontinuierlich mittlere einstellige Milliardenbeträge bereitgestellt.

Anhaltende Unsicherheiten dürften 2024 prägen

Mit Blick auf das Jahr 2024 glaubt Geilenkothen, dass die Inflation sich als hartnäckig erweisen wird oder wieder ansteigt. Das labile Wirtschaftswachstum dürfte hier ein entscheidender Faktor sein.

Zudem halten die Kriege in der Ukraine und im Gaza-Streifen weiter an. Die Herausforderungen zum Urteil des Bundesverfassungsgerichtes über den Bundeshaushalt sind nicht vollständig gelöst. Und es stehen Wahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im September, sowie die US-Wahl im November an, was vielfältige Herausforderungen mit sich bringt.

 

Laut Investmentleiter Jeffrey Dissmann müssen sich Pensionsinvestoren im Kontext der vergleichsweise hohen Zinsen mit der Bilanzvolatilität auseinandersetzen – ohne die Rendite-Chancen zu weit zu mindern. Auch dürften nach dem Ende des „billigen Geldes“ Zuführungen zum Planvermögen für die meisten Unternehmen schwieriger geworden sein. „Hier muss eine intelligente Kapitalanlage einen höheren Beitrag zur Schließung der Deckungslücke leisten“, betont Dissmann.

Für Geilenkothen müssen die bestehenden Ausfinanzierungslösungen an die neuen Gegebenheiten an den Kapitalmärkten optimiert werden. Unternehmen, die bislang noch nicht in die planmäßige An- und Ausfinanzierung von Pensionsverpflichtungen eingestiegen sind, sollten die damit verbundenen Möglichkeiten des De-Riskings sorgfältig analysieren. „So ist eine Ausfinanzierung auch eine Möglichkeit, den gestiegenen Zinsaufwendungen für Pensionen auf der Bilanz zu begegnen“, sagt Geilenkothen.

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