Das Frühjahrsgutachten der Wirtschaftsweisen stellt nach zwei Jahren Schrumpfung für 2025 nur Stagnation in Aussicht. Erst 2026 ist mit einem Wachstum von einem Prozent zu rechnen.
Aktuell kein Grund für die deutsche Wirtschaft „Hurra“ zu schreien
Hintergrund der deutschen Wachstumsschwäche ist zunächst die Unsicherheit über die weitere US-Handelspolitik. Und leider tritt China auf den Weltmärkten wegen Überproduktion, Export-Dumping, aber auch Industrie-Know How immer mehr in Konkurrenz zu deutschen Unternehmen, vor allem im Automobil-Sektor.
Grafik 1: Einkaufsmanagerindex Verarbeitendes Gewerbe Welt und ifo Exporterwartungen

Hinzu kommt das Ausbluten der Wirtschaft gerade in früheren Vorzeigebranchen wegen mangelnder Wettbewerbsfähigkeit, auch mit der Folge von Produktionsverlagerungen ins Ausland.
Auch wenn die deutsche Wirtschaft im I. Quartal 2025 zum Vorquartal etwas wachsen konnte, müssen insbesondere Industriestrompreis-Subventionen her, um das Ruder konsequent herumzureißen. Dafür sind allerdings Genehmigungen aus Brüssel erforderlich.
Erst dann kommt es in Deutschland zum Turnaround in den energieintensiven Branchen Stahl, Chemie oder Glas. Auch die langen Genehmigungsverfahren, der Innovationsstau, die schleppende Digitalisierung, die Alterung der Gesellschaft und die Vernachlässigung des Leistungsprinzips machen Deutschland zu schaffen. Es müssen viele dicke Bretter zeitgleich gebohrt werden. Dann wären auch ganz andere Wachstumsraten möglich. Aber wie viel Kraft hat der Schlagbohrer von Merz & Co.? Möge Trump als ultimativer Weckruf dienen.
Hoffnung macht das Finanzpaket der neuen Bundesregierung, dessen Mittel allerdings marktwirtschaftlich verwendet werden müssen. Erst dann wird dem Aufschwung ordentlich auf die Sprünge geholfen, was auch weniger Schuldenaufnahme möglich macht.
Und auch wenn es nicht jeder hören will: Rüstung ist ebenfalls ein Wirtschaftsfaktor, der bei uns in den vergangenen Jahrzehnten zur militärischen Abschreckung sträflich vernachlässigt wurde. Aufgrund von Nachholeffekten wird er auch in Zulieferbranchen Wachstumskräfte freisetzen.
Dennoch ist die Börse hoffnungsfroh
Immerhin zeigt die Stabilisierung der ifo Geschäftsklimazahlen, dass der Boden gefunden wurde. Erfreulich ist die sich im Trend fortsetzende Verbesserung der ifo Geschäftserwartungen, die allerdings nur in vorsichtigen Schritten von geringem Niveau aus erfolgt. Im historischen Vergleich liegen die Erwartungen ohnehin noch weit entfernt von jenen vor Corona oder vor dem Handelskonflikts aus Trumps erster Amtszeit. Zumindest ist die Erwartungshaltung nicht zu hoch, was Enttäuschungspotenzial mildert und Überraschungspotenzial stärkt.
Grafik 2: ifo Geschäftsklima, -lage und -erwartungen

Grundsätzlich besteht die Hoffnung, dass nach Auslaufen der Zoll-Karenzzeit Anfang Juli Basiszölle im transatlantischen Handel bei maximal „nur“ 20 Prozent liegen könnten. Das ist zwar immer noch eine große Herausforderung für europäische Exporteure. Doch wenn man in den Abgrund von deutlich höheren Zöllen geschaut hat, wäre die Erleichterung dennoch groß. Man würde versuchen, sich damit zu arrangieren. Ohnehin sind die DAX-Konzerne weltweit gut diversifiziert.
Dieser entspanntere Zoll-Hintergrund - hoffentlich ohne weitere Zumutungen aus dem Weißen Haus - spricht für zyklische Aktien in Europa und speziell Deutschland. Sowieso sind sie gegenüber US-Werten deutlich enger an den globalen Güterzyklus gekoppelt, der nach langer Lethargie wieder Fahrt aufnimmt. Das kommt im Vergleich auch dem deutschen Gewinnwachstum zugute.
Schützenhilfe kommt auch von der EZB. Ihre Senkungen des Einlagenzinses von in der Spitze vier auf aktuell 2,25 Prozent werden zunehmend in der Wirtschaft ankommen. Und zwei weitere zu erwartende Herabsetzungen bis Sommer auf dann 1,75 Prozent wirken sicherlich nicht als Handicap.
Grafik 3: EZB-Einlagenzins und ifo Geschäftserwartungen

Ohnehin ist zu erwarten, dass die EZB inoffiziell Konjunktur- vor Preisstabilität setzt. Und da Aktienkurse Nominalkurse sind, kommt ihnen nicht konsequent mit Zinsrestriktionen bekämpfte Inflation zugute.
Auf Branchenebene zeigen die Erwartungen ein sich insgesamt stabilisierendes Bild. Im Bausektor ist die Schmerzlinderung durch bessere Zinskonditionen allerdings noch deutlich verbesserungswürdig. Der Handel profitiert von wieder etwas höherer Kaufkraft der Konsumenten. Und während Dienstleister ihre Stabilisierung fortsetzen, schaut auch die Industrie vom Maschinenbau bis hin zu den besonders energiesensitiven Bereichen weniger pessimistisch in die Zukunft.
Grafik 4: Ifo-Geschäftserwartungen nach Branchen

Lasst die Titel aus dem M-Dax, nach vorne
Insofern ist weiteres Aufwärtspotenzial für den Dax vorhanden, zumal er als Auffangbecken für von Trump verunsicherte Anleger an Wall Street fungiert.
Doch kommt das deutsche Fiskalpaket vor allem Nebenwerten aus der zweiten und dritten Aktienreihe zugute, die einen stärkeren Heimatbezug haben. So erzielen Titel aus dem M-Dax im Durchschnitt 30 Prozent ihrer Gewinne im Inland und damit mehr als die Dax-Werte mit lediglich 18 Prozent. Der weite Bereich der Infrastrukturwerte wird besonders profitieren.
Da sie zugleich führend in industriellen Nischenmärkten sind, kommt selbst das protektionistische Amerika nicht an ihrem Know-How vorbei.
Die bereits seit Herbst letzten Jahres zu beobachtende Verstetigung der Gewinnentwicklung von M-Dax gegenüber Dax dürfte sich damit perspektivisch weiter aufhellen. Das spricht fundamental ebenso für ein Auslaufen der langjährigen Underperformance von M-Dax zu Dax. Seit Jahresbeginn ist bereits eine Stabilisierung zu beobachten. Es sei daran erinnert, dass der M-Dax den Dax in früheren Phasen bereits outperformen konnte.
Grafik 5: Gewinn- und Kursentwicklung M-Dax und Dax

Daneben haben die MDAX-Werte die Kraft der zwei Herzen. Neben dem Infrastrukturpaket kommt ihnen auch die bislang weniger genutzte Auslandsverlagerung zugute. Für den deutschen Makrokosmos schlecht, aber für ihren Mikrokosmos gut profitieren sie in den USA von niedrigeren Steuern, Deregulierung und sehr viel günstigeren Energiepreisen. In der harten Wirtschaft ist für Vaterlandsliebe wenig Platz.