Patientenverfügung prüfen Das Wichtigste zur gesonderten Covid-19-Erklärung

Axel Godron und Jessica Wöppel, Rechtsanwälte der Kanzlei Taylor Wessing

Axel Godron und Jessica Wöppel, Rechtsanwälte der Kanzlei Taylor Wessing: Die beiden Nachfolgeexperten beleuchten die sogenannte Covid-19-Erklärung als wichtigen Ergänzungsbaustein einer Patientenverfügung. Foto: Taylor Wessing

1. Sinn und Zweck einer Patientenverfügung

Gerade ältere Menschen erstellen zunehmend häufiger Patientenverfügungen. Darüber können sie gegebenenfalls eines Tages den Ärzten mitteilen, welche Art der Behandlung sie wünschen, wenn sie sich in einem unabwendbaren Sterbeprozess befinden. Wichtig ist dies in erster Linie dann, wenn der Patient selbst nicht mehr in der Lage ist, den Ärzten seine Vorstellungen in einer solchen Situation mitzuteilen. Da insbesondere Unfälle, aber auch plötzlich eintretende schwere Erkrankungen wie Herzinfarkte oder Schlaganfälle eine solche Situation zur Folge haben können, sollte idealerweise jeder Erwachsene eine Patientenverfügung erstellen.

2. Situation des Patienten bei schwerem Verlauf einer Sars-Cov-2 Infektion

Zur Heilung und Linderung der Sars-Cov-2 Infektion ist es bei schweren Verläufen häufig erforderlich, den Patienten künstlich und hierbei auch invasiv zu beatmen und ihn dafür gegebenenfalls in ein künstliches Koma zu versetzen. Eine solche invasive Beatmung kann für den Patienten äußerst qualvoll und schmerzhaft sein. Viele der Patienten müssen dafür ins künstliche Koma versetzt, künstlich ernährt und mit Flüssigkeit versorgt werden. Zudem kann eine solche Behandlung mit einer Dialyse einhergehen.

In den vergangenen Monaten erreichten uns daher vermehrt Mandantenanfragen, wie man die Verweigerung einer solchen Behandlung für den Fall einer Covid-19-Erkrankung bestmöglich umsetzen kann. Insbesondere die nicht abschätzbaren Langzeitfolgen der invasiven Beatmung bereiteten den Mandanten Sorge. Nicht unterschätzt werden sollten unter anderem die psychischen Folgen einer solchen Beatmung, während der keinerlei Eigenatmung mehr beim Patienten stattfindet, sondern die Luft ausschließlich von außen in die Lunge „gepresst“ wird.

Dies ermöglicht laut führenden Medizinern den Eintritt von zahlreichen Erregern. Dauert diese Beatmung länger als zwei Wochen an, kann es zu irreversiblen Lungen-, Gehirn- oder sonstigen Organschäden kommen. Zudem wird die Behandlung gegebenenfalls bereits in einem Krankheitsstadium angewandt, in dem sie noch nicht erforderlich ist. Patienten sollten sich daher ausreichend informieren und einen entsprechen Willen bilden, ob sie sich im Falle eines derart dramatischen Verlaufs der Erkrankung dieser Behandlung unterziehen wollen.

Zusätzliche Erkenntnisse ergeben sich aus einer Studie des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO), der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) und der Technischen Universität Berlin vom 29. Juli 2020, die im The Lancet Respiratory Medicine Magazin veröffentlicht worden ist und sich mit den Folgen der einzelnen Behandlungsmaßnahmen bei einer Covid-19 Erkrankung beschäftigt.

Nach dieser Studie sind etwa 50 Prozent der Patienten, die stationär in deutschen Krankenhäusern künstlich beatmet wurden, anschließend verstorben. Bei der Altersgruppe der über 80-Jährigen sind es sogar etwa 72 Prozent. Von den Patienten, die stationär nicht beatmet wurden, verstarben etwa 16 Prozent. Insgesamt verstarben etwa ein Fünftel aller Patienten, die zwischen Februar und April 2020 in deutsche Krankenhäuser eingeliefert wurden. Aus-gewertet wurden die Daten von etwa 10.000 Patienten mit bestätigter Covid-19-Diagnose, die vom 26. Februar bis zum 19. April 2020 in insgesamt 920 deutschen Krankenhäusern aufgenommen wurden.

Wie sorge ich also als Patient für den Fall einer Infektion mit SARS-CoV-2 rechtlich bestmöglich vor? Und inwieweit sind die behandelnden Ärzte gehalten, sich an meinen geäußerten Willen zu halten?

3. Umfasst meine Standard-Patientenverfügung den Covid-19 Fall?

Zur Beantwortung dieser Frage ist zunächst nach dem akuten Gesundheitszustand des jeweiligen Patienten im Rahmen seiner Covid-19 Erkrankung zu unterscheiden. Ist der Verlauf der Krankheit so schwer, dass sich der Patient bereits in einem aller Wahrscheinlichkeit nach unabwendbaren, unmittelbaren Sterbeprozess befindet, ist der Anwendungsbereich der Patientenverfügung eröffnet. Ist in dieser bereits eine Verweigerung der künstlichen invasiven Beatmung enthalten, ist keine weitere Regelung erforderlich.

Nicht in den Anwendungsbereich der Standard-Patientenverfügung fällt jedoch eine künstliche invasive Beatmung, die durchgeführt wird, um den Patienten zu heilen. Diese Behandlungsmethode wird insbesondere eingesetzt, wenn die Covid-19-Erkrankung mit einer schweren Lungenentzündung und Atemnot einhergeht. Der Unterschied zu dem oben beschriebenen Fall ist, dass sich der Patient hier nicht im unmittelbaren Sterbeprozess befindet.

Vielmehr erfolgt die künstliche invasive Beatmung zum Zwecke der potenziellen Heilung des Patienten. Entscheidet sich der Patient auch in diesem Fall gegen eine künstliche invasive Beatmung, aus den unter Ziffer 2 genannten möglichen akuten und Langzeitfolgen dieser Behandlung, sollte er diesen Willen ausdrücklich schriftlich niederlegen. Anderenfalls führt der behandelnde Arzt diese Maßnahme im Rahmen seines ärztlichen Eides durch.