Wandelanleihen „Das volle Aktienrisiko können wir nicht vertreten“

Pierre Henri de Monts de Savasse von Aberdeen Asset Management

Pierre Henri de Monts de Savasse von Aberdeen Asset Management

private-banking-magazin: Wandelanleihemanager erzählen immer, es sei der richtige Moment, um zu kaufen. Formulieren wir die Frage also um: Wann wäre denn der falsche Zeitpunkt?

Pierre Henri de Monts de Savasse: Ich verstehe Ihre Frage. Viele Manager erzählen in der Tat, dass sie sich gut mit Wandelanleihen fühlen. Das ist die langfristige Betrachtung. Ich kann Ihnen aber mal erzählen, wann wir vorsichtig oder skeptisch waren.

private-banking-magazin: Bitte.

de Monts de Savasse: Das war Ende 2006 und 2007. Die Risikoaufschläge, die Spreads, für Unternehmensanleihen waren sehr niedrig. Anleger haben gekauft, ohne auf Qualität zu achten. Wir hatten aber das Gefühl, dass die in Wandelanleihen enthaltenen Spreads zu eng waren. Das kann man ausrechnen. Auch die Aktienmärkte sahen damals sehr teuer aus. Und die sind die zweite maßgebliche Größe für Wandelanleihen.

private-banking-magazin: Was haben die Anleger gesagt?

de Monts de Savasse: Viele Aktienanleger wollten bei uns einsteigen, weil ihnen der reine Aktienmarkt überbewertet vorkam. Sie fühlten sich in Wandelanleihen sicherer.

private-banking-magazin: Heute sind die Spreads wieder recht eng und die Aktienmärkte stehen auf ähnlichen Niveaus wie damals.

de Monts de Savasse: Die Situation ist trotzdem anders. Vor der Krise lag die Risikoprämie von europäischen Aktien als Spread ausgedrückt bei 3 oder 4 Prozent. Heute liegt sie bei 5,5 oder gar 6 Prozent. Es ist sicherlich immer die Frage, wie Sie Risikoprämien messen und definieren. Aber es besteht kein Zweifel, dass der Markt noch nicht auf normalem Niveau liegt. Zudem sind Wandelanleihen noch nicht neu gepreist?

private-banking-magazin: Warum sollten sie?

de Monts de Savasse: Die Zentralbanken wollen über ihr Quantitative Easing neue Preisniveaus für Risikoanlagen erzeugen.

private-banking-magazin: Die berühmte Asset-Price-Inflation?

de Monts de Savasse: Wie auch immer Sie das nennen wollen. Mit Schritt 1 traf es die Anleihemärkte, die Renditen sind nur noch niedrig. Bei Schritt 2 sind die Risikoaufschläge an den Hochzinsmärkten gesunken. Ende 2012 ging das Repricing schnell, womit wir wahrscheinlich nahe dem Ende sind. Aktien sind als letztes dran in Phase 3. Und weil Wandelanleihen den Aktien näher stehen, sind sie die letzte Anleiheklasse, die noch nicht neu gepreist ist. Wir haben also in Sachen Zuflüsse und Risiko-Appetit das Beste noch nicht gesehen.

private-banking-magazin: Ein wichtiger Indikator für Wandelanleihen ist, wie stark sie sich im Verhältnis zu Aktien bewegen – die Sensitivität. Wie sieht es damit derzeit aus?

de Monts de Savasse: Vor der Krise 2007 hatten wir noch einen starken Gleichlauf von etwa 60 Prozent …

private-banking-magazin: … weil die Aktienkurse schon enorm hoch waren und die Risikoaufschläge für Anleihen gering?

de Monts de Savasse: Exakt. Und heute sind wir bei 25 Prozent.

private-banking-magazin: So wenig? Trotz wieder hoher Aktienkurse?

de Monts de Savasse: Viele Wandelanleihen kamen 2009 auf den Markt, als sie eine der wenigen möglichen Methoden waren, wie sich Unternehmen finanzieren konnten. Ihre Kurse stiegen mit den Aktien mit und kamen auf ein Niveau mit extrem hoher Sensitivität. Das verführte die Emittenten dazu, die Anleihen in Aktien umzutauschen. Das dürfen sie. Und so verschwanden in den vergangenen sechs Monaten viele teure aktienähnliche Wandelanleihen vom Markt.

private-banking-magazin: Sie wurden zu Aktien?

de Monts de Savasse: Genau. Zudem kamen seit Jahresbeginn neue Wandelanleihen von guten Schuldnern auf den Markt. Neue Papiere sind naturgemäß nicht allzu aktiensensitiv. Beide Effekte drückten die Aktienabhängigkeit für den Gesamtmarkt im Durchschnitt auf den von mir genannten Wert.

private-banking-magazin: Nehmen Sie eigentlich die Aktien, wenn ein Umtausch ansteht?

de Monts de Savasse: Normalerweise nicht, wir verkaufen vorher. Das ist eine technische Sache. Wenn wir wandeln wollen, müssen wir das Unternehmen benachrichtigen. Damit kann es bis zu zwei Wochen dauern, bis wir die Aktien haben. In dieser Zeit sind wir nicht handlungsfähig, haben aber das volle Aktienrisiko. Das können wir nicht vertreten.

private-banking-magazin: Wer nimmt Ihnen solche Papiere dann noch ab?

de Monts de Savasse: Andere Marktteilnehmer, die die Aktien leerverkaufen können, zum Beispiel Hedgefonds. Sie gehen mit den Aktien short und haben damit kein Risiko mehr. Das ist nur noch Arbitrage.

private-banking-magazin: Können Sie eine Maßzahl nennen, um die Ihr Portfolio im Falle eines Aktien-Crashs einbrechen würde?

de Monts de Savasse: Die Anlageklasse ist ja konvex. Das heißt, wenn Aktienkurse um 20 Prozent steigen, gewinnen Wandelanleihen mehr als sie verlieren würden, wenn Aktienkurse um 20 Prozent fallen. Der Unterschied dürfte bei 5 Prozentpunkten liegen. Das ist viel.

private-banking-magazin: Zweifellos. Das beantwortet aber noch nicht meine Frage. Es muss ja so eine Art Boden geben, an dem die Papiere sich nur noch wie Anleihen verhalten.

de Monts de Savasse: Dieser Boden dürfte bei minus 25 Prozent erreicht sein. Das wäre dann aber bei einem totalen Zusammenbruch der Aktienmärkte. Dieser Abstand zum so genannten Bond Floor ist tatsächlich eine Größe, nach der viele Anleger fragen.



Schnappschuss nach dem Interview: Pierre Henri de Monts de Savasse (links) von Aberdeen Asset Management und private-banking-magazin-Redakteur Andreas Harms

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen