Noch sind wir Deutschen aber nicht so weit. Finanzminister Scholz hat am vergangenen Freitag unlimitierte Kredite der KfW für deutsche Unternehmen angekündigt und diesen Schritt als Bazooka bezeichnet. Außerdem sind direkte Hilfen (Helikoptergeld) für kleine Unternehmen angekündigt.
Ist das genug für den verängstigt zu Hause sitzenden Konsumenten? Die Franzosen hamstern Rotwein, die Amerikaner Waffen, und die Deutschen Klopapier. Die EZB hat es in der aktuellen Krise mit Konsumenten zu tun, die sich offensichtlich auf das Wesentliche beschränken, anstatt die Wirtschaft durch gleichbleibende Ausgaben stabil zu halten. Eine Möglichkeit für einen starken Impuls wäre es aber dennoch, das Helikoptergeld auf Konsumenten auszuweiten.
Zugegeben, die Möglichkeiten zum Konsumieren sind derzeit stark eingeschränkt, selbst wenn man Geld ausgeben wollte. Es gehört aber nicht viel Phantasie dazu, sich den Tag vorzustellen an dem die Geschäfte wieder öffnen. Durch die relativ niedrige Staatsverschuldung in Deutschland wäre viel Platz für Konsumenten-Schecks. Bekommt der sparsame Deutsche nun Geld zum Konsumieren geschenkt, dann kann man sich Schlangen vor den Einzelhandelsläden bei Wiedereröffnung durchaus vorstellen. In dieser komfortablen Situation sind aber leider nicht alle Länder der Eurozone. Deshalb bleibt, unabhängig von den Maßnahmen der Bundesregierung, nur die EZB als Institution, die einen solchen Schritt flächendeckend für die gesamte Eurozone umsetzen könnte.
Es soll aber nicht verschwiegen werden, dass das Helikoptergeld bislang nicht gut beleumundet ist und insbesondere von sparsamen Nationen wie Deutschland bisher abgelehnt wird. Als abschreckendes Beispiel dient die direkte Finanzierung des deutschen Staates durch die Reichsbank im ersten Weltkrieg bis 1923. Anfänglich, in den Jahren 1917/18 wirkte sich die Geldvermehrung kaum auf die Preise aus, denn die Zeiten waren hart und viele Menschen erhöhten ihre Sparguthaben, um wenigstens ein finanzielles Polster zu haben. Das Geld wurde also nur zum Teil für Waren ausgegeben und die relativ geringe Nachfrage führte natürlich zu einer geringen Teuerungsrate. Irgendwann aber, in den Jahren 1921/22, war auf allen Konten so viel Geld, dass der Knoten platzte. Auf einmal war die Nachfrage da und für eine kurze Weile boomte die Wirtschaft. Aus einer schleichenden wurde aber eine galoppierende Inflation und schließlich – im Jahr 1923 – eine Hyperinflation mit ihren gewaltigen wirtschaftlichen und sozialen Kosten.
Allerdings haben sich die Zeiten sehr geändert. Europa hat in letzter Zeit keinen Krieg verloren, muss keine Reparationszahlungen in Fremdwährung leisten, kann sich intern finanzieren und hat eine Zentralbank mit hinreichend Know-how, um mit Inflation umzugehen. Die Umstände der derzeitigen Wirtschaftskrise sind neu in der Geschichte, die historische Analogie mit den 1920er-Jahren eignet sich also nur bedingt. Um dieser neuen Situation zu begegnen, braucht es die angemessenen Mittel, auch wenn diese uns vor einigen Wochen noch als drastisch und ausgeschlossen erschienen wären.
Wie diese Mittel aussehen, ist noch unklar. Aber die Krise wird neue Konstellationen hervorbringen, undenkbares denkbar machen. Dann wird sich alles beruhigen. Und auch die Aktienmärkte werden einen Boden finden und der Himmel wird uns nicht auf den Kopf fallen. Die Unterstützungsmöglichkeiten der EZB sind noch lange nicht ausgereizt. Die Angst wird vergehen, ebenso wie der von den Verlusten der letzten Tage verursachte Schmerz. Heute gilt es, Mut und Nerven zu behalten.
Über den Autor:
Georg Graf von Wallwitz ist Geschäftsführer und Fondsmanager der Vermögensverwaltung Eyb & Wallwitz.