In echten Krisen geht es manchmal ganz schnell: Was vor zwei Wochen noch undenkbar war, ist heute wahrscheinlich und morgen ist es alternativlos. Prozesse, die sich sehr lange mit der Geschwindigkeit eines Gletschers bewegt haben, bekommen plötzlich eine Dynamik, welche den Beobachter sprachlos macht. So verhält es sich heute mit Ausgangssperren, Grenzschließungen und einer finanziellen Maßnahme, die bis vor kurzem kaum jemand zu diskutieren bereit war: Helikoptergeld.
Der Begriff wurde von Paul Krugman geprägt und veranschaulicht eine mögliche Maßnahme der Zentralbank, wenn alle anderen Mittel zur Bekämpfung der Deflation ausgeschöpft sind. Krugman schlug vor, Geldbündel in Helikopter zu packen und auf die Erde regnen zu lassen, um die Menschen zum Kauf von Waren und Dienstleistungen zu bewegen. Wenn es nicht gelingt, über günstige Zinsen die Nachfrage und damit die Preise zu beleben, dann eben indem man den Menschen so lange Geld in die Hand drückt, bis sie in die Geschäfte gehen und es ausgeben.
Die Regierungen und Zentralbanken der Welt befinden sich heute in einer Situation, in der die Idee des Helikoptergeldes plötzlich sehr aktuell ist. Die aktuellen Maßnahmen zur Bekämpfung der Coronavirus Pandemie, der Shut-Down, führen zu einem Herzstillstand der Wirtschaft. In der Vergangenheit bewährte monetäre Mittel zur Wiederbelebung, wie etwa niedrige Zinsen und Anleihekäufe, scheinen bisher wenig hilfreich. Wenn die Läden geschlossen sind und die Menschen das Haus nicht verlassen dürfen, gibt es kaum Nachfrage, egal wo die Zinsen stehen.
Fiskale Unterstützung wurde in den vergangenen Tagen bereits von vielen Regierungen in Aussicht gestellt. Zwar will man klotzen statt kleckern, aber umfangreiche Konjunkturprogramme können erst später greifen, wenn die Wirtschaft wieder hochfährt. Aus heutiger Sicht sind also Dauer und Auswirkungen des derzeitigen Herzstillstands kaum absehbar.
Holen jetzt die Zentralbanker den Heli aus dem Hangar, um direkt die Staaten, die Unternehmen oder der Privathaushalte zu finanzieren? Die Zentralbanken würden damit die Kreditvergabe durch die Geschäftsbanken umgehen, indem sie Geld direkt auf die Konten des Staates und/oder der Bürger buchen.
Bislang hat nur Hongkong angekündigt, jedem Bürger 10.000 Hongkong-Dollar auf das Konto zu buchen. Die USA spielen sehr konkret mit dem Gedanken, jedem Einwohner 1.000 US-Dollar zu schenken. Auch in Japan gibt es erste Gehversuche in diese Richtung. Ist das in Deutschland vorstellbar? Durchaus! Bei einem Gesamtschuldenstand von 1.930 Milliarden Euro entspräche ein Scheck von jeweils 1.000 Euro an die 41,4 Millionen Haushalte in Deutschland einer Schuldenerhöhung von grade mal 0,2 Prozent.