KI und neue Kundenanforderungen Wie das Private-Banking-Beratungsgespräch der Zukunft aussieht

Natalia Kluger, Partnerin bei Deloitte

Natalia Kluger ist Partnerin bei Deloitte und beschreibt, wie KI künftig Beratungsgespräche vereinfachen kann. Foto: Deloitte

Der persönliche Kontakt ist im Private Banking nach wie vor eines der wichtigsten Elemente. Um ein kundenorientiertes Angebot bereitzustellen, bleiben Gespräche von Angesicht zu Angesicht ein unverzichtbarer Baustein. Persönliche Gespräche ermöglichen es nicht nur, individueller zu beraten, sondern tragen auch maßgeblich dazu bei, dass Vertrauen aufgebaut wird. Dennoch machen Digitalisierung und sozialer Wandel auch vor Private Banking nicht halt und werden die Rolle des Beraters nachhaltig verändern.

Um zu analysieren, wie sich die Megatrends der Zukunft auf das Private Wealth Management auswirken werden, hat Deloitte die Studie Building a future-ready investment firm in Kooperation mit Thought Lab verfasst. Hierzu wurden weltweit sowohl Wealth-Management-Anbieter als auch deren Kunden zu ihren Zukunftserwartungen befragt. Deloitte zeigt anhand der Studienergebnisse, wie der Prozess eines Beratungsgesprächs im Jahr 2028 aussehen könnte. 

KI als wichtigster Treiber von Veränderung

Ziel der Studie ist es, ein möglichst genaues Bild der künftigen Wealth-Management-Landschaft zu erhalten. Daher erstreckt sich das Spektrum der befragten Kunden über verschiedene Vermögensniveaus, Regionen und Altersgruppen. Unter den 2.000 Teilnehmern finden sich 120 Privatpersonen aus Deutschland, von denen 28 Prozent ein investierbares Vermögen von mehr als 10 Millionen US-Dollar aufweisen (Durchschnitt der Befragten in Deutschland: 22 Millionen US-Dollar, Durchschnitt weltweit: 43 Millionen US-Dollar). 

Auch auf Anbieterseite (250 Anbieter) wird ein breites Spektrum abgedeckt. Unter den befragten Unternehmen befinden sich Universal- und Privatbanken sowie Family Offices. Die Ergebnisse wurden um elf Experteninterviews mit Führungskräften aus der Vermögensverwaltungsindustrie ergänzt.

Eine der wichtigsten Erkenntnisse der Studie: Vermögensverwalter müssen Innovation anhand von Künstlicher Intelligenz (KI) vorantreiben. Durch KI können Unternehmen die Fähigkeiten der Kundenberater verbessern, alltägliche Aufgaben automatisieren, ein verbessertes Kundenerlebnis bieten und sich als digitaler Marktführer positionieren. Dies verdeutlicht ein Blick auf Abbildung 1, die die wichtigsten Aspekte für deutsche Kunden bei der Auswahl eines Investmentanbieters zeigt.  

Dass sie sich möglichst geringe Gebühren wünschen, ist wenig überraschend. Auch dass steuerliche Aspekte im Rahmen einer ganzheitlichen Finanz- und Nachfolgeplanung für die Zielgruppe wichtig sind, leuchtet ein. Das Thema Innovation aber folgt schon an dritter Stelle, mit einer überdurchschnittlich hohen Bedeutung unter deutschen Kunden. 

Der KI-Einsatz liefert für alle der genannten Aspekte ausgezeichnete Ansatzpunkte. Interne Kostenstrukturen können optimiert und Innovationsprozesse vorangetrieben werden. Weil über 50 Prozent der befragten Anleger in Deutschland und weltweit angaben, in den nächsten drei Jahren den Anbieter wechseln zu wollen, müssen Vermögensverwalter die Möglichkeiten des technologischen Fortschritts schnellst- und bestmöglich in eigene Lösungen umsetzen. Nur so können Marktanteile gesichert werden. 

Wichtige Aspekte bei der Auswahl von Investmentanbietern in Deutschland vs. Weltweit
Wichtige Aspekte bei der Auswahl von Investmentanbietern in Deutschland vs. Weltweit © Deloitte

Deutlich wird auch, dass deutsche Anleger großen Wert auf Vertrauen in Markenreputation (42 Prozent) legen. KI kann helfen, Kundenvertrauen aufzubauen und zu erhalten, indem sie Empfehlungen unterstützt und eine Kommunikationsstrategie gestaltet, die auf die individuellen Bedürfnisse und Vorlieben des Kunden zugeschnitten sind. Hinzu kommt, dass die Bandbreite an Investoren diverser wird. Dies betrifft das Alter, Geschlecht, Wohnort, Vermögensniveau sowie Lebensstil. Personalisierte Lösungen können für den Erfolg von Anbietern entscheidend sein.

Diversere Kundschaft fordert stärkere Digitalisierung

Gleichzeitig verstärkt sich der Wunsch nach Eigenverwaltung, denn zwei Drittel der Befragten wünschen sich bessere digitale Tools, die dies ermöglichen. Dabei sollen die digitalen Erlebnisse möglichst mit denen führender, digitaler Unternehmen vergleichbar sein.

Vermögensverwalter reagieren auf diese Trends und nutzen im Sinne der Wettbewerbsdifferenzierung auf KI und Kundendaten. Dabei verschieben sie ihren Fokus innerhalb der nächsten drei Jahre zunehmend in Richtung Gen Z, die technischen Features offen gegenübersteht und aktuell mit der Vermögensbildung beginnt. Dementsprechend erwarten Vermögensverwalter die größten Änderungen in diesem Zeitraum auch beim Thema KI – insbesondere beim Einsatz von Tools für das Portfoliomanagement oder zur Betreuung von Investoren.

Beratungsgespräche bis 2028 von KI geprägt

Um das volle Potenzial auszuschöpfen, wird KI idealerweise in jedem einzelnen Schritt entlang des Beratungsprozesses von Vermögensverwaltern eingesetzt. Abbildung 2 zeigt, an welchen Stellen sich Ansatzpunkte und Anwendungsfälle ergeben, die bis 2028 umgesetzt werden können.

Wealth Management Kundenlebenszyklus und KI-Anwendungsfälle
Wealth Management Kundenlebenszyklus und KI-Anwendungsfälle © Deloitte

Kundengewinnung

Beginnen wir mit der Kundengewinnung, die hart umkämpft ist und von regulatorischen Anforderungen beschränkt wird. Hier kann KI zunächst unterstützen, Interessenten zu identifizieren, etwa durch Persönlichkeitsprofile, dank derern die Kundenberaters zu bestimmten Interessenten zugerodnet werden. Zudem können Netzwerke analysiert und potenzielle Kunden anhand von bestimmten Suchkriterien angesprochen werden. Auch mediale Inhalte bieten Potenzial – hier kann KI Nachrichten screenen und interpretieren und somit Liquiditätsereignisse (zum Beispiel den Verkauf von Vermögenswerten/Unternehmen, Erbschaften) identifizieren oder sogar vorhersagen.

 

Gleichzeitig ermöglicht KI eine bessere Personalisierung von Inhalten zur Kundenakquise. Basierend auf wichtigen Interessengebieten (Geschäft, Hobbys, Mitgliedschaften, Netzwerk), potenzieller Serviceaffinität und Kundenpräferenzen können gezielt personalisierte Pitch-Strategien und Präsentationen maschinengestützt generiert werden.

Kundenaufnahme

Der Onboarding-Prozess ist geprägt von KYC-Standards und -Regeln (Know Your Customer), die eine umfassende Bewertung von Interessenten auf der Grundlage mehrerer Dateneingaben (zum Beispiel negative Medien) verlangen. Dies sind Aufgaben mit hoher menschlicher Beteiligung, die wertvolle Zeit und Ressourcen beanspruchen.

Mit Hilfe von „Natural Language Processing“-Algorithmen (NLP) können diese Prozesse effizienter gestaltet werden. So werden Daten aus Finanzdokumenten automatisch extrahiert, strukturierte und unstrukturierte Datenquellen systematisch auf relevante Informationen analysiert, und Ergebnisse können aus bestehenden Suchmaschinen zusammengefasst werden. Die extrahierten Informationen sind nachvollziehbar und bieten Kundenbetreuern eine transparente Grundlage für ihre Beurteilung. Im Endeffekt ist eine Mischung aus menschlicher Beteiligung und KI notwendig, um an Effizienz zu gewinnen und sicherzustellen, dass kritische Entscheidungen (und Grenzfälle) vom jeweiligen Bearbeiter sachgerecht getroffen werden können.

Beziehungs-Management

Die Kundeninteraktion ist für Vermögensverwalter von entscheidender Bedeutung. Persönliche virtuelle KI-Assistenten schaffen eine Schnittstelle, die ein personalisiertes Erlebnis bietet und Antworten mit Empathie liefert. Dabei können nicht nur Verträge zusammengefasst und nuancierte Fragen beantwortet, sondern auch Daten analysiert werden, die Rückschlüsse auf die Lebensereignisse, den Lebensstil und die Interessen des Kunden liefern. Anhand dieser Erkenntnisse können Kundenberater Investitionsvorschläge erstellen.

Beratung

Kundenberater müssen in der Lage sein, eine Vielzahl von Themen für Kunden mit Know-how abzudecken und gleichzeitig die jeweiligen regulatorischen Rahmenbedingungen einhalten. Virtuelle Assistenten in Anlageberatungssituationen unterstützen den Berater, indem sie basierend auf Risikoprofil und persönlichen Anlagepräferenzen des Kunden entsprechende Informationen sammeln, auswerten und dem Kundenberater zur Verfügung stellen.

So wird der Berater beispielsweise über relevante Veränderungen und Informationen an den Finanzmärkten oder Vermögenswerten seiner Kunden informiert. Selbst Echtzeitsimulationen und „Was-wäre-wenn“-Analysen sind möglich. Insgesamt kann die Anlageberatung durch KI stärker personalisiert werden, auch mit Hinblick auf die Wahl des richtigen Tones und die Berücksichtigung kultureller Bezüge. Ebenso kann der Prozess um ein komplett virtuelles Beratungscenter ergänzt werden und so zu einem nachhaltig intensiven und immersiven Erlebnis transformieren.

Transaktions-Services

Finanzinstitute werden verstärkt unter die Lupe genommen, wenn es um die Überwachung der Aktivitäten der Kunden geht, unter anderem im Bereich der Transaktionsüberwachung. KI liefert leistungsstarke Werkzeuge für Risikoüberwachung und -management in Echtzeit. Anhand synthetischer Daten, die betrügerische Transaktionen widerspiegeln, können Modelle trainiert werden, um riskante Szenarien besser zu identifizieren und die Muster früh zu erkennen. Darüber hinaus ermöglicht eine KI-gestützte Krisenschutz-Engine, verschiedene Informationsquellen zu interpretieren und Transaktionen (gemäß vereinbartem Schwellenwert) „automatisch“ auszuführen oder Marktchancen zu nutzen.

Dokumentation

Ein virtueller Assistent kann relevante Informationen aus Beratungsgesprächen im Hintergrund aufzeichnen und gleichzeitig automatisch Protokolle, Beratungsdokumente oder Aufträge ausfüllen. Dadurch entfallen arbeitsintensive manuelle Schritte, am Ende einer Kundeninteraktion muss ein Kundenberater den generierten Output lediglich überprüfen.

Kundenabgabe

Für die Kundenabgabe, also die Ausgliederung eines Kundenportfolios, steht vor allem die Prozessautomatisierung im Vordergrund. Themen wie Übertragungen auf alternative Depots, die weiterhin manuellen Aufwand erfordern, können durch KI und Automatisierung deutlich effizienter gestaltet werden.

Digitale Transformation erfordert weiterhin hohe Investitionsbereitschaft

Die digitale Transformation der Vermögensverwaltungsbranche ist in vollem Gange – selbst wenn es vermutlich noch mindestens fünf Jahre dauern wird, bis die neuen Technologien in allen Stufen des Beratungsprozesses fest verankert sind. Viele Geschäftsführer und technische Direktoren (CTOs) haben bereits erhebliche Veränderungen in ihren Organisationen vorangetrieben – dennoch sollten Geschwindigkeit und Intensität ihrer Bestrebungen nicht nachlassen. Wenn der Wandel in der Branche nachhaltig allen relevanten Stakeholdern zugutekommen soll, müssen Technologiemanagement und die Bereitschaft zum Wandel sowie die Adaption neuer Technologien weiterhin zu den Kernkompetenzen eines Unternehmens in dieser Branche gehören.


Über die Autorin:

Natalia Kluger ist Partnerin bei Deloitte. Aktuell berät sie oberste Bundesbehörden zu Themen wie Open Data, Public Budgeting, Evaluationen sowie Prozessoptimierung. Ihr Fokus liegt dabei auf der Anwendung etablierter sowie neuester qualitativer und quantitativer Methoden für Analysen und die Formulierung empirisch fundierter Handlungsempfehlungen.

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