Das große Finanzmarkträtsel Was ist los mit der Value-Prämie?

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Wer im Jahr 2007 in dieses Portfolio 100 Euro investiert hätte, würde heute vor Kosten einen Verlust von 45 Euro beklagen. Wie kann es zu einer derartigen Entwicklung kommen, die allen akademischen Thesen und Postulaten widerspricht? Eine Möglichkeit, dieses Mysterium zu erklären, läge in der expansiven Geldpolitik und der damit einhergehenden Entwicklung von Anleihen. Anleihen weisen seit vielen Jahren fallende Renditen auf, was sie für Investoren zunehmend uninteressant macht. Das führt dazu, dass Investoren am Aktienmarkt nach „Anleiheersatzkandidaten“ suchen.

Dabei stehen primär Aktien im Fokus, die über ein stabiles Geschäftsmodell mit geringer Insolvenzwahrscheinlichkeit sowie planbaren Cash-Flows verfügen. Diese Unternehmen weisen eine hohe Bilanzqualität und meistens auch eine höhere oder hohe Profitabilität auf und sind daher eben gerade nicht günstig bewertet. Damit finden sich nahezu keine Value-Aktien im „Beuteschema“ ehemaliger Investoren von Anleihen.

Da dieser Trend anhalten dürfte und auch im Kontext der Corona-Krise eine immer expansiver werdende Geldpolitik zu beobachten ist, spräche vieles dafür, dass auch in Zukunft nicht mit einer signifikanten Trendumkehr zu rechnen wäre. Wenn sich allerdings diese Erkenntnis durchsetzen sollte, müssten sämtliche Anlagestrategien von Asset Managern noch einmal neu geschrieben werden, denn natürlich wirft man als Portfoliomanager auch heute noch einen Blick auf die Bewertung eines Unternehmens, bevor man einen Kauf tätigt.

Aber kann die Alternative tatsächlich darin bestehen, Bewertungsaspekte auszuklammern? Eine Lösung könnte darin bestehen, Aktien in der Auswahl nicht mit einem Bonus zu versehen, wenn sie besonders günstig sind, sondern nur mit einem Malus, wenn sie besonders teuer erscheinen. Ein einfaches „weiter so“ wäre vermutlich aber gar keine gute Lösung.


Über den Autor:
Dr. Christian Jasperneite ist Chefanlagestratege der Privatbank M. M. Warburg & CO in Hamburg. Er trägt die Verantwortung für Fragen im Zusammenhang mit der taktischen und strategischen Allokation. Seine berufliche Karriere begann Jasperneite im Jahr 2000 als Analyst im Makro-Research bei M. M. Warburg & CO.

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