Novelle des Geldwäschegesetzes Das Ende der Unschuldsvermutung?

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Alles andere als ein Kavaliersdelikt

Doch warum ist Geldwäsche kein Kavaliersdelikt? Nun, hier hilft der Blick zurück. Zunächst einmal gibt es seit der Antike den Deal zwischen dem Staat und seinen Bürgern: Der Staat errichtet die nötige Infrastruktur und hält sie instand, die Bürger finanzieren es durch die Abgabe von Steuern – und profitieren durch die Nutzung dieser Infrastruktur. Zu diesem Deal gehört auch die Alimentierung der Beamten, die die für die Umsetzung des Deals nötige Arbeitsleistung erbringen. Später kam das Solidaritätsprinzip in das Staatswesen, das den Schwächsten ein Überlebensminimum aus dem Gesamt-Etat des Staates zusichert. Im Umkehrschluss sind Steuerhinterziehung und Geldwäsche ein höchst unsozialer Akt.

Dieser historische Deal hat aber einen Haken: das Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung, insbesondere der Leistungsträger. Diese Sensitivität wird durch zwei korrelative Parameter ausgelöst: Zum einen die Höhe der zu zahlenden Abgaben, zum anderen die tatsächliche oder empfundene Ver(sch)wendung der geleisteten Abgaben. Ferner ist Geldwäsche fast immer im Zusammenhang mit (beziehungsweise als Folge von) Straftaten zu sehen, die im eingangs erwähnten Paragrafen 261 StGB auch benannt sind. Hinzu kommt: In Deutschland müssen Alleinverdiener den Steuerhöchstsatz bereits bei jährlich 58.000 Euro brutto leisten. Das alleine könnte gegebenenfalls ja noch verständlich und duldbar sein.

Doch jetzt kommt die korrelative Komponente: Wenn der Staat es beispielsweise in dieser Gemengelage dann auch noch zeitgleich duldet, dass internationale Konzerne durch einfachste Mittel ihre Gewinne in Steueroasen verschieben, während sie hierzulande prekäre Arbeitsverhältnisse und Lohn-Dumping betreiben, ist der Geduldsfaden der Leistungsträger schon arg strapaziert. Anmerkung: Wer mehr zur Psychologie der Steuermoral erfahren möchte, der/dem sei ein Interview mit Professor Erich Kirchler von der Universität Wien empfohlen.

Die Folgen: Einerseits haben potenzielle High Performer – also die jungen, gut ausgebildeten Menschen in der Wirtschaft unter 35 Jahren – heute meist gar keine Lust mehr, Führungsaufgaben oder gar Verantwortung zu übernehmen, und drosseln ihre Leistungsbereitschaft. Das hat die Wirkung passiven Widerstands.

Andererseits wächst auch der aktive Widerstand, den manche für sich als Notwehr empfinden – was zu immer kreativeren Steuervermeidungsmodellen führt. Beides hat gravierende Konsequenzen für die Gesamtwirtschaft. Das alles hat sich zu diesen enormen Summen, wie eingangs angeführt, aufsummiert. Druck erzeugt bekanntlich Gegendruck.

Doch wird der Finanzplatz und Wirtschaftsstandort Deutschland so, durch Abwanderung der Leistungsträger und Vermögensinhaber, unattraktiv? Keineswegs. Während viele nur jammern, entwickelt sich die Finanzwelt, auch getrieben durch die Digitalisierung und den Auftritt neuer Player, wie zum Trotz, immer schneller immer weiter. Neue, kreative Geschäftsmodelle, tokenisierte Investments wie ICOs und ETCs, alternative Zahlungsmittel wie Bitcoin, Ether und andere schießen aus dem Boden, und immer neue digitale Dienstleister wie zum Beispiel Verwahrstellen für Krypto-Assets kommen neu auf den Markt. Hinzu kommt, dass zunehmend mehr Vermögensverwalter ihre Arbeit durch Dokumentation in der Blockchain digitalisieren und so flexibilisieren wollen.


Und hier schließt sich wieder der Kreis zum GwG: diese zum Finanzsektor zählenden Anbieter, die beispielsweise Krypto-Werte wie Bitcoins verwalten, handeln oder verwahren, sie in konventionelle Währungen oder umgekehrt umtauschen, werden seit 2020 ebenfalls der Gruppe der sogenannten Verpflichteten zugerechnet, die im Verdachtsfall Meldepflichten gegenüber der Zentralstelle (FIU) haben.

Was bedeutet das in der Praxis?

  1. Die Verschärfung der Meldepflicht hat Auswirkungen auf das Tagesgeschäft ganzer Berufsgruppen. Nicht nur, dass sich die Meldepflichtigen im Transparenzregister als solche eintragen müssen. Der Verstoß gegen die Meldepflicht verdächtiger Transaktionen soll zudem auch von „leichtfertig“ auf „fahrlässig“ verschärft werden. Mit der Konsequenz, dass es sich nicht mehr um eine mit Verwarnung bewehrte Ordnungswidrigkeit handelt, sondern um einen mit Bußgeld bewehrten Rechtsverstoß.

    Das birgt immense Risiken für die noch neuen aufstrebenden Unternehmen dieses Sektors. Zudem kann es als „Beihilfe zu einem Verbrechen“ (siehe oben) verfolgt werden – mit der Folge, dass sich vermeintlich ahnungslose Vermittler nach Paragraf 34c, 34f oder 34h der Gewerbeordnung (GewO), Kunsthändler oder Kryptoverwahrer plötzlich im Zellentrakt mit Schwerverbrechern wiederfinden können. Sicher, das wird zwar nur in besonders schweren Fällen zu erwarten sein, aber das Damoklesschwert ist jedenfalls schon einmal positioniert, und das Prozesskostenrisiko hoch. Siehe dazu auch einen Kommentar der IHK Kassel-Marburg.

  2. Für Asset Manager ist die Veränderung eher gering: Sie werden lediglich einen (noch) höheren Bürokratismus zu bewältigen haben. Mehr denn je heißt es hier: „Wer schreibt, der bleibt!“ Saubere Dokumentation wird also noch wichtiger als zuvor. Zu befürchten ist nämlich, dass sich hier der nächste Wirecard-Fall aufbauen könnte.

    Die Frage, die sich hier für den Staat stellen kann, fällt in die wohlbekannte Diskussionsecke des Fachkräftemangels (War for Talents), denn um talentierte Verschleierer zu verfolgen, muss der Staat einfach mehr auf Zack sein als eben diese. Allerdings folgt „Talent immer dem Geld“, wie es in den USA dazu lapidar heißt.

  3. Für die Stiftungswelt und den Dritten Sektor, der pandemiebedingt ohnehin schon große Probleme hat, sich und seine Arbeit sichtbar zu machen, wird es jetzt echt mühsam. War das Fundraising schon vor 2020 eine Aufgabe für Profis, haben die auf persönliche Beziehungen bauenden Amateure jetzt erst recht große Schwierigkeiten ihre Projekte weiter zu finanzieren.

    In dieser Lage Geldzuflüsse auch noch einem strukturierten KYC-Prozess unterziehen zu müssen, sie gegebenenfalls erst durch ein Transparenzregister prüfen lassen zu müssen, wird viele Unterstützer abschrecken und sinnstiftenden Projekten nicht selten von vornherein den Todesstoß versetzen. Ehrenamtlich tätig zu sein und sich derlei Risiken aufzuladen steht auch für hochengagierte Mitglieder unserer Zivilgesellschaft bald in keinem rechten Verhältnis mehr zueinander. Der Wegfall von Haftungsprivilegien durch die Neuordnung des Gemeinnützigkeitsrechtes kommt hier noch erschwerend hinzu.