Das deutsche Steuerwesen, Teil 3 Das Steuerrecht erstickt an sich selbst

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Oder mit denen wahlloser Missbrauch gestoppt wird. Oder systematische Lücken geschlossen werden. Oder sich EU-Vorgaben umsetzen lassen. Oder „Vereinfachungen“ erreicht werden, anders das Gesetz nicht praktikabel zu handhaben ist – und was der willfährigen Begründungen mehr sind, mit denen sich Finanzminister, Bundesregierung und Bundestag verführen lassen, das Gesetz zu initiieren und zu verabschieden.

Und so macht in Wahrheit die Finanzverwaltung das Steuergesetz, das sie zu brauchen glaubt. Im Einkommenssteuerrecht sind die jährlich erlassenen sogenannten Jahressteuergesetze ein beliebter Tummelplatz für diese von der Finanzverwaltung initiierten Änderungen. Darin sammelt die Finanzverwaltung die unter dem Jahr in der Praxis festgestellten „Hindernisse“, die ihr ein zu nachsichtiges Gesetz bei der Erhebung der Steuer bereitet, und behebt diese – ganz im Sinne des Fiskus.

Einem Eichhörnchen gleich sammelt der Fiskus Steuernüsse und bekämpft zugleich per Gesetzesänderung den störrischen Bürger und das unbequeme Gesetz, das ihn am ungenierten Sammeln hindert. Es wäre vermessen anzunehmen, ein einziger Abgeordneter im gesamten Bundestag wüsste auch nur im Entferntesten, was er da verabschiedet, wenn er diesen Gesetzen zustimmt. Denn diese sind immer allerliebst begründet. Stets drohen Steuerausfälle oder Missbrauch oder ist eine Regelung zu kompliziert. Und immer denkt sich der Abgeordnete treuherzig: Die Finanzverwaltung wird schon wissen, was sie tut.

Das Problem für uns ist dabei: Er ahnt nicht einmal, wie sehr er damit Recht hat. Das Schlimme daran ist nicht, dass der Fiskus fiskalisch denkt; das ist fast schon selbstverständlich. Das Schlimme ist, dass der Fiskus zum Gesetzgeber mutiert. Das aber widerspricht der Verfassung. Unser Grundgesetz sieht vor, dass Gesetze vom Bundestag erlassen werden.

In diesem Bundestag sitzen Abgeordnete, die wir Bürgerinnen und Bürger als unsere Interessenvertreter gewählt haben. Wenn unsere Abgeordnete aber ihre Funktion nicht mehr ausüben, können sie auch unsere Interessen nicht wahrnehmen.

Dies ist nichts anders, als eine Aushebelung der Gewaltenteilung und damit die Verletzung eines grundsätzlichen demokratischen Prinzips.

Deshalb behaupte ich mit Fug und Recht, dass unsere Steuergesetze im Großen und Ganzen auf verfassungswidrige Weise zustande kommen, weil das verfassungsrechtlich vorgesehene Verfahren – die Gesetze werden im Bundestag verabschiedet – nur noch formal eingehalten wird, nicht aber inhaltlich; denn unsere Abgeordneten wissen nicht, was sie da verabschieden. Damit schafft sich in unserem Land der Fiskus seine eigenen Steuergesetze. Die Exekutive ermächtigt sich selbst. Unsere Steuergesetze kommen auf undemokratische Weise zustande.

Und genau so fühlen sie sich auch an.

Missachtete Gewaltenteilung 2: So werden die Gerichte klein gehalten

So richtig tut hier keiner seinen Job. Nicht die erste Gewalt im Staate: der Gesetzgeber. Es ist seine Aufgabe und damit der demokratisch gewählten Volksvertreter, Gesetze zu erlassen, die im Interesse der Bürger sind. Schließlich haben die Bürger ihren Gesetzgeber auch gewählt.

Nicht die zweite Gewalt im Staate: die Exekutive. Es ist ihre Aufgabe, sich in Ausübung ihrer Aufgaben an eben diese Gesetz zu halten. Das gilt auch ohne Ausnahme für die Finanzverwaltung!

Und auch nicht die dritte Gewalt im Staate: die Judikative. Es ist ihre für einen Rechtsstaat und eine Demokratie fundamental wichtige Aufgabe, dass unabhängige Richter und Gerichte kontrollieren, ob die Finanzverwaltung sich bei der Erfüllung ihrer Aufgaben an die Gesetze hält und – wenn dies nicht der Fall ist – dies durch Urteil festzustellen und zu korrigieren.