Das deutsche Steuerwesen, Teil 2 Warum es nie ein einfaches Steuerrecht geben wird

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Doch auch dafür hat der Fiskus eine Lösung: Aufgrund der bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen wirken sich EU-Verluste in Deutschland in der Regel nur auf den anzuwendenden Steuersatz aus. Technisch spricht man vom Progressionsvorbehalt. Und weil nun EU-Verluste den inländischen Steuersatz und damit die inländische Steuer mindern, wurde der Progressionsvorbehalt für positive wie negative Einkünfte aus dem EU-Ausland kurzer Hand ganz abgeschafft.

Gut, wer seine Verluste im Inland erzielt. Aber auch mit den inländischen Verlusten ist es nicht ganz einfach. Denn entgegen dem oben einmal geäußerten Grundsatz, dass jeder nur nach seiner Leistungsfähigkeit besteuert wird und deswegen Verluste zum Ausgleich zugelassen werden müssen, gilt dieses für relativ viele Verluste wiederum gerade nicht. So können Verluste aus gewerblicher Tierzucht nur mit Gewinnen aus gewerblicher Tierzucht verrechnet werden und Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften (früher Spekulationsverluste) nur mit ebensolchen Gewinnen.

Ist man gar Anleger im Rahmen eines sogenannten Steuerstundungsmodells – ich erspare Ihnen etwas auch nur annäherungsweise zu erläutern, woran bisher auch der Bundesfinanzhof gescheitert ist – darf man dort entstehende Verluste nur mit Gewinnen aus eben der selben Anlage verrechnen. Und so lässt sich die Liste der Fallstricke noch munter fortsetzen, die dafür sorgen, dass einem der Verlustausgleich letztlich doch genommen wird.

Und endgültig den Überblick verliert man, wenn die Verluste in einem Jahr höher sind als der Betrag der gleichzeitig erzielten positiven Einkünfte. Dann hat man nämlich einen negativen Gesamtbetrag der Einkünfte, der sich im laufenden Jahr nicht mehr steuerlich verbrauchen lässt. Dann käme der Steuerpflichtige auf die Idee, zu sagen: „Moment mal – ich hab doch letztes Jahr viele Steuern gezahlt, weil anzunehmen war, ich würde im Folgejahr weiter so gut verdienen. Aber jetzt habe ich hohe Verluste erlitten. Um nicht Pleite zu gehen, müsste ich dringend etwas von den Steuern des letzten Jahres zurückbekommen. Schließlich war meine Leistungsfähigkeit tatsächlich nicht so hoch, wie letztes Jahr angenommen.“

Aber auch hier rechnet der Steuerpflichtige ohne den Fiskus. Um Geld, was er einmal eingenommen hat, möglichst nicht wieder hergeben zu müssen, ist der Verlustrücktrag begrenzt. Der zulässige Höchstbetrag von einer Million Euro klingt großzügig. Doch er nützt Ihnen wenig, wenn Sie mit Ihrem mittelständischen Unternehmen, für dessen Gewinne Sie im Lauf der letzten zwanzig Jahre viel Steuern gezahlt haben, letzten Endes in die Insolvenz gehen müssen, nachdem Sie von chinesischen Konkurrenten aus dem Markt gedrängt werden und auf Ihren Verlusten schlichtweg sitzen bleiben, da Sie diese nicht zurücktragen können.

Wer immerhin in der Zukunft wieder Gewinne erzielt, mag sich dann trösten wollen, dass er Verluste zumindest zeitlich unbegrenzt in Zukunft vortragen darf. Das schon, aber leider nicht finanziell in unbegrenzter Höhe. Machen Sie nämlich im nächsten Jahr wieder Gewinne, wenn auch geringere als Ihre Vorjahresverluste, will das Finanzamt trotzdem Steuern von Ihnen. Denn das Gesetz hat den möglichen Verlustvortrag auf eine Million Euro jährlich zuzüglich 60 Prozent der übersteigenden Einkünfte beschränkt.

Sind Sie noch da? Auf unserem Abstecher in den Steuerdschungel haben wir nun eine wichtige Wegmarke erreicht. Uns ist klar geworden, womit das Gesetz den Steuerpflichtigen und seine Steuerberater quält. Diese Verlustausgleichsregeln zeigen: Der deutsche Fiskus versucht, Gewinne zu sozialisieren, also der Steuer zu unterwerfen, und Verluste zu privatisieren, also ihre steuerliche Anerkennung möglichst zu vermeiden.

Regulärer Umsatzsteuersatz Ermäßigter Umsatzsteuersatz
19 Prozent 7 Prozent
Adventskranz aus Trockenpflanzen Adventskranz aus frischem Material
Babynahrung und Kinderkekse Katzenfutter und Hundekekse
Fruchtsäfte, Gemüsesäfte Frisches Obst und Gemüse
Mineralwasser Gänseleber, Riesengarnelen, Wachteleier
Kartoffeln: Pommes Frites Kartoffeln (unverarbeitet)
Pilze (mit Essig haltbar gemacht) Pilze (ohne Essig haltbar gemacht)
Tomatenketchup, Tomatensauce Tomatenmark, Tomatensaft
Topfblumen Schnittblumen
Wildschweine Hausschweine


Wer soll schon verstehen, warum Hunde, Katzen, Kanarienvögel und Zierfische, wenn sie in der Zoohandlung verkauft werden, mit dem vollen Steuersatz zu belegen sind, während ihr Futter, das Herrchen und Frauchen anschließend kaufen, um eben diese Tiere zu ernähren, nur mit 7 Prozent besteuert wird. Die Fürsorglichkeit des Gesetzgebers zeigt sich auch darin, dass er Bücher, Zeitungen und Zeitschriften nur ermäßigt besteuert, allerdings nur solche mit jugendfreiem Inhalt. Liegt dem Buch eine CD bei, bleibt es bei 7 Prozent, wenn die CD nur eine Ergänzung ist.

Dominiert der CD-Inhalt über den Buchinhalt, sind es 19 Prozent. Voll besteuert werden auch Hörbücher und E-Books – aus welchen Gründen auch immer. Und passen Sie auf beim Zugfahren! Nahverkehr ist ermäßigt besteuert, allerdings nur wenn die Fahrweite unter 50 Kilometer beträgt. Für alle Strecken darüber ist der volle Steuersatz fällig – wie generell für Bergbahnen, die nie eine Länge von 50 Kilometern erreichen würden…

Und weiter: Wenn Sie krank sind, erhalten Sie medizinische Hilfsmittel wie Rollstühle, Prothesen und Krücken sowie künstliche Gelenke, Hörgeräte, Herzschrittmacher und andere Implantate zum niedrigen Steuersatz. Für Medikamente zahlen Sie dagegen den vollen Steuersatz. Und überrascht es Sie, dass Sie für Kinokarten nur 7 Prozent berappen müssen, allerdings unter dem Vorbehalt des Jugendschutzes?