Das deutsche Steuerwesen, Teil 1 Es reicht – eine Bestandsaufnahme

Rechtsanwalt und Steuerberater Prof. Dr. Peter Lüdemann

Rechtsanwalt und Steuerberater Prof. Dr. Peter Lüdemann

Der Steuerdschungel scheint auf den ersten Blick fast undurchdringlich – nicht nur, aber vor allem auch in Deutschland. Welche Kreativität beim Entwickeln neuer Steuern der Staat entfaltet, ist erstaunlich.

Noch mehr muss man sich wundern, dass dieser Erfindungsreichtum und der stetige Anstieg der dabei vom Bürger insgesamt aufzubringenden Steuerzahlungen nur höchst selten Anlass größerer Revolutionen gewesen sind – sieht man einmal davon ab, dass es Steuern waren, die zum Befreiungskrieg der 13 nordamerikanischen Kolonien gegen das Mutterland Großbritannien geführt haben.

Heutige Duldungshaltung

Seitdem scheint in Vergessenheit geraten zu sein, dass man sich gegen Steuern anders als durch individuell zu führende Einspruchs- und Gerichtsverfahren auch politisch wehren kann. Anders ist es nicht zu erklären, dass selbst der gröbste Unsinn und die extremste Drehung an der Steuerschraube mehr oder weniger achselzuckend hingenommen werden.

Angesichts dieser heutigen Duldungshaltung erscheint es kaum noch nachvollziehbar, dass Queen Victoria sich bei Einführung einer Einkommensteuer in Großbritannien um 1850 fürchtete, mit einem vergleichsweise lächerlichen Steuersatz von 3 Prozent die Bürger gegen sich aufzubringen.

Auch heute noch werden in Deutschland Steuern erhoben, die man für eine Erfindung von Kabarettisten halten könnte. Neben den großen und allseits bekannten Arten wie der Einkommensteuer – wobei die Lohnsteuer und die Kapitalertragsteuer nur Erhebungsformen der Einkommensteuer sind –, der Körperschaftsteuer, der Umsatzsteuer (siehe Tabelle 1: gemeinschaftliche Steuern), der Erbschaftsteuer, der Gewerbesteuer und der Grunderwerbsteuer existieren eine erhebliche Anzahl weiterer Steuern. Sie spielen im Bewusstsein der Öffentlichkeit meist nur eine untergeordnete Rolle, garantieren dem Staat insgesamt jedoch schöne Zusatzeinnahmen.

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Tabelle 1: Diese Steuern nehmen Bund und Länder gemeinsam ein und teilen das Aufkommen untereinander (gemeinschaftliche Steuern)


Die Masse der Gesetze & Co.

Viel Mühe hat der Staat auf die Rechtsgrundlagen für seine schöpfende oder besser schröpfende Tätigkeit verwendet. Für die Begründung und Erhebung der Steuern in Deutschland sorgen rund

  • 120 Gesetze,
  • 80 Verordnungen,
  • 20 Richtlinien,
  • 2.000 Schreiben des Bundesfinanzministeriums, und
  • 185 Steuererklärungsvordrucke.

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Diese Masse von Gesetzen, Verordnungen und Erlassen ermöglichen es dem Bund (vergleiche Tabelle 2: Steuern des Bundes), den Bundesländern (Tabelle 3: Steuern der Länder), und den Gemeinden als der dritten politischen Ebene in der Bundesrepublik (Tabelle 4: Steuern der Kommunen) bei den Bürgern kräftig zuzugreifen ‒ an jedem Ort, an jedem Tag, zu jeder Stunde.

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Tabelle 2: Diese Steuern erhebt allein der Bund für sich (Bundessteuern)