Wegzugsbesteuerung, Teil 2 Das ändert sich für wegzugswillige Unternehmer und Privatpersonen

Sven Oberle (l.) und Sven Wanka von EY

Sven Oberle (l.) und Sven Wanka von EY: Die beiden Steuerexperten beleuchten in drei Teilen die Neuregelungen der Wegzugsbesteuerung. Foto: EY

Damit hätten die meisten kundigen Beobachter zu Beginn des Jahres nicht gerechnet. Dass das am 25. Juni 2021 durch den Bundesrat beschlossene Gesetz zur Umsetzung der Antisteuervermeidungsrichtlinie (Atad-Umsetzungsgesetz) noch diese Legislaturperiode verabschiedet wird, war nach der über Jahre kontrovers geführten Diskussion mit mehreren Gesetzesentwürfen nicht unbedingt zu erwarten gewesen. Einen wesentlichen Teil dieses Gesetzes stellen die Neuregelungen zur Wegzugsbesteuerung dar, die in Anbetracht des bereits von der EU-Kommission angestrengten Vertragsverletzungsverfahrens dringend einer Überarbeitung bedurften.

Bedauerlicherweise hat sich der deutsche Gesetzgeber dabei nun bewusst dafür entschieden, die bestehenden Regelungen in wesentlichen Punkten sogar noch zu verschärfen. Dies zeigt sich daran, dass das Atad-Umsetzungsgesetz bei der Wegzugsbesteuerung deutlich über das hinausgeht, was der europäische Gesetzgeber in der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie I vorgegeben hat.

Doch was ändert sich nun an den Regelungen konkret? Die Wegzugsbesteuerung betrifft vereinfacht gesagt wegzugswillige Personen, die wesentliche Vermögenswerte in einer Kapitalgesellschaft halten. Ferner hat der Gesetzgeber verschiedene Ersatztatbestände einem Wegzug gleichgestellt. Neben dem Wegzug einer inländischen steuerpflichtigen Person sind die Schenkung oder Vererbung von Kapitalgesellschaftsanteilen an eine im Ausland lebende Person die Fälle mit der höchsten praktischen Relevanz.

Ausdehnung des persönlichen Anwendungsbereichs

Zunächst ist festzuhalten, dass sich der sachliche Anwendungsbereich nicht wesentlich ändert. Das heißt, die Wegzugsbesteuerung erfasst weiterhin insbesondere Kapitalgesellschaftsbeteiligungen natürlicher Personen im steuerlichen Privatvermögen. Im Rahmen der Ersatztatbestände ist zu beachten, dass vorher teilweise ausdrücklich geregelte Sachverhalte, wie die Einlage in einen ausländischen Betrieb oder eine ausländische Betriebstätte, nun von der allgemeinen Auffangregelung „Ausschluss oder Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland“ erfasst werden. Eine inhaltliche Änderung dürfte sich hierbei nicht ergeben.

Eine wesentliche Änderung betrifft hingegen den persönlichen Anwendungsbereich der Wegzugsbesteuerung. Gegenwärtig greift diese dann ein, wenn ein Gesellschafter insgesamt in Deutschland zehn Jahre unbeschränkt steuerpflichtig war. Diese zehn Jahre können innerhalb eines beliebig langen Zeitraums und mit beliebig vielen Unterbrechungen „erreicht“ werden.

Zukünftig genügt es, wenn innerhalb der vergangenen zwölf Jahre eine unbeschränkte Steuerpflicht von mindestens sieben Jahren in Deutschland bestand. Auch wenn die neue Formel „7 aus 12“ in einigen Fällen auch günstiger als die aktuelle Regelung sein kann, so wird sie für die meisten Steuerpflichtigen eine Verschärfung darstellen.

Vereinheitlichung und Verschärfung der Stundungsregelung

Die aktuell geltende Regelung ermöglicht innerhalb der EU und dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) einen ertragsteuerlich und damit finanziell weitgehend nicht „spürbaren“ Wegzug. Für EU-/EWR-Staatsangehörige wird die festgesetzte Steuer von Amts wegen gestundet und zwar zinslos und ohne Sicherheitsleistung. Die Stundung erfolgt dabei grundsätzlich für unbestimmte Dauer, sodass zunächst keine Zahlungen durch den Steuerpflichtigen zu leisten sind. Voraussetzung ist lediglich, dass die wegziehende Person in dem EU-/EWR-Mitgliedsstaat einer mit der deutschen Einkommensteuerpflicht vergleichbaren Steuerpflicht unterliegt und dass gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Steuern besteht.

Doch mit dieser „Großzügigkeit“ bei einem Wegzug in einen EU-/EWR-Mitgliedsstaat ist es nun vorbei. Denn die Neuregelung unterscheidet bei einem Wegzug nicht mehr hinsichtlich des Ziellandes. Damit werden die Modalitäten der Stundungsregelung auf dem niedrigeren Niveau der Regelungen, die bei Drittländern bereits jetzt gelten, vereinheitlicht, verbunden mit leichten Verbesserungen zugunsten des Steuerpflichtigen zum Status Quo der bisherigen Drittlandregelungen.

Konkret gilt nun für alle Wegzugsfälle, dass die Steuer sofort mit dem Wegzug oder der Auslösung eines der gesetzlichen Ersatztatbestände in voller Höhe fällig wird. Betroffene können die Steuerzahlung auf Antrag auf sieben gleiche Jahresraten verteilen. Insofern erfolgt eine Erhöhung von bisher fünf auf sieben Jahre. Auch wird der Steueranspruch während der sieben Jahre nicht verzinst. Dafür ist nun in der Regel eine Sicherheitsleistung erforderlich, was bei hohen stillen Reserven und damit einer hohen Wegzugssteuer eine erhebliche wirtschaftliche Belastung darstellen kann.