Der Preis für Brent-Öl knackte kürzlich das erste Mal seit November 2014 die Marke von 80 US-Dollar. Dafür gibt es mehrere Ursachen. Als der Ölpreis 2016 seinen Tiefpunkt erreichte, hatten wir am Markt ein Überangebot und brechend volle Lagerbestände, die wie eine schwere Decke auf den Ölpreisen lagen. Doch die niedrigen Preise führten zu einer Stilllegung vieler Förderstätten, die nicht mehr rentabel waren. Dies trug zur Reduzierung des Angebots bei. Gleichzeitig heizte das hohe Wirtschaftswachstum die Nachfrage an, und die OPEC vereinbarte Produktionskürzungen mit Russland, um die hohen Lagerbestände abzubauen.
Im Ergebnis ist der Ölmarkt heute anfälliger für Ereignisse, die das globale Angebot reduzieren können: Sowohl die Wiedereinführung der US-Sanktionen gegenüber dem Iran als auch die gravierende Wirtschaftskrise in Venezuela hatten beispielsweise einen Rückgang der Produktion zur Folge.
Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Finanzmärkte
Im Allgemeinen haben wir die steigenden Ölpreise bisher als Bekräftigung der globalen Konjunkturdynamik aufgefasst und nicht als Hindernis für den Aufschwung. Die Preisanstiege im letzten Monat sind jedoch großenteils auf die Befürchtungen vor einem geringeren Angebot zurückzuführen, unter anderem als Folge der Iran-Sanktionen. Gleichzeitig haben die anziehenden Notierungen dazu beigetragen, die Zinsen in den USA nach oben zu treiben, da die Preisanstiege unter anderem steigende Inflationserwartungen wecken.
Für die Finanzmärkte waren die steigenden Ölpreise vorwiegend positiv. 2016 standen viele schuldengeplagte Ölunternehmen unter großem Druck – und das hatte nicht nur fallende Aktienkurse zur Folge, sondern auch eine große Unsicherheit in Bezug auf den Wert der Unternehmensanleihen, die diese Ölunternehmen emittiert hatten. Ein Teil dieser Unsicherheit ist jetzt verschwunden – auch, weil eine Reihe US-amerikanischer Ölunternehmen die gute Dynamik nutzten, um sich über Aktienemissionen neues Kapital zu beschaffen.
Gewinner und Verlierer
Offensichtliche Gewinner sind die Energiebranche und ihre Zulieferer, da die höheren Ölpreise neben dem unmittelbaren Einnahmeneffekt auch steigende Investitionen im Energiesektor zur Folge haben. Führen die höheren Ölpreise zu höheren Zinsen, kann das auch dem Finanzsektor zugutekommen, der von einer höheren Zinsmarge zwischen Einlagen- und Kreditzinsen profitiert.
Die Verlierer sind die Unternehmen, die entweder zur Herstellung ihrer Waren Öl benötigen oder Waren an Kunden verkaufen, die stark vom Ölpreis abhängig sind. Chemieunternehmen und Reifenproduzenten können beispielsweise von höheren Ölpreisen beeinträchtigt werden, doch viele dieser Firmen geben die gestiegenen Kosten mehr oder weniger an ihre Kunden weiter. Gleichzeitig leiden Fluggesellschaften an höheren Treibstoffpreisen, ebenso drosseln höhere Benzinpreise die Nachfrage insbesondere nach großen Autos. Im Allgemeinen versetzen höhere Ölpreise dem Konsum einen Dämpfer, da höhere Ausgaben für zum Beispiel Benzin und Heizung die Mittel für andere Konsumgüter und Dienstleistungen schmälern.
Kein Hemmschuh für das globale Wachstum
Wir gehen davon aus, dass der Ölpreis auf 12-Monats-Sicht niedriger sein wird als heute. Dessen ungeachtet sind jedoch kurzfristig weitere Anstiege und Schwankungen denkbar. Unserer Ansicht nach wurden die jüngsten Ölpreisanstiege großenteils von spekulativen Investitionen ausgelöst.
Die aktuellen Ölpreise halten wir daher nicht für einen Hemmschuh für das globale Wirtschaftswachstum. Unseres Erachtens deutet alles weiterhin auf höhere Aktienkurse und leicht steigende Zinsen hin, die die Anleihennotierungen nach unten drücken können. Deshalb haben wir eine Übergewichtung in Aktien und eine Untergewichtung in Anleihen.
Trotz steigender Ölpreise halten wir an unserer neutralen Gewichtung im Energiesektor fest. Das liegt einerseits daran, dass viele Energieunternehmen immer noch hoch verschuldet sind, und andererseits am Risiko für neue Aktienemissionen der schuldengeplagten Unternehmen im Sektor. Das kann die Aktienkurse verwässern, wie es auch 2017 der Fall war.