Crash-Propheten Dr. Doom & Co. Was von Börsen-Gurus zu halten ist

Seite 7 / 9

Insofern ist es nicht verwunderlich, wenn empirische Untersuchungen immer wieder zeigen, dass Analysten-Voten und insbesondere die damit zusammenhängenden Kursprognosen zumeist völlig falsch sind. Insbesondere in Situationen, wo der Analysten-Konsensus entweder sehr optimistisch oder sehr pessimistisch ist, eignen sie sich deshalb – wenn überhaupt – nur als Kontra-Indikator: So ermittelte eine Analyse von AJ Bell für den britischen Aktienmarkt in 2016, dass von den Top-10-Kaufempfehlungen der Analysten zu Beginn des Jahres nur drei besser als der Markt waren, sieben hingegen schlechter. Im Durchschnitt war die Performance 2,1 Prozent versus 12,5 Prozent beim Gesamtmarkt. Noch krasser war aber das Ergebnis bei den 10 unpopulärsten Aktien: Sie legten durchschnittlich um satte 56,2 Prozent zu, nur drei hatten tatsächlich eine negative Kursentwicklung.

Gerade bei den anfangs negativ eingeschätzten Titeln kam es im Jahresverlauf zu strukturellen Veränderungen (Übernahmen, Managementwechsel und so weiter), die ein Analyst vielleicht erahnen, aber nicht in eine Punkt-Kursprognose oder simple Kauf/Verkauf-Aussage hineinarbeiten konnte. Solche strukturellen Veränderungen sind bei Krisen-Unternehmen nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Insofern zeigt sich bei „Hopp oder Top“-Situation deutlich, wie unsinnig konkrete Kursprognosen sind.

Analysten aufgrund der Genauigkeit ihrer Kursprognosen zu bewerten, ist daher irreführend. Sonst könnte man auch Roulettespieler als „besonders treffsicher“ auszeichnen, die mehrfach hintereinander gewinnen. Allerdings hat sich bei Roulettegewinnen inzwischen herumgesprochen, dass sie aus einem Zufallsprozess resultieren.

Richtige Kursprognosen sind reine Zufallstreffer, die über die Fähigkeiten eines Analysten nicht das Geringste aussagen. Wenn etablierte Informationsanbieter wie Thomson Reuters oder Fachzeitungen wie das Handelsblatt auf einer solchen Basis Auszeichnungen vergeben, erscheint dies sehr fragwürdig. Zumindest das Handelsblatt hat im Jahr 2017 bisher darauf verzichtet, vielleicht hat man hier ja etwas gelernt.

Bei klar strukturierten Problemen mit eindeutigen Wirkungszusammenhängen und einer überschaubaren Anzahl von Lösungsmöglichkeiten – was vor allem für naturwissenschaftliche, künstlerische, handwerkliche und technische Fragen zutrifft – gibt es eigentlich kein Problem mit Experten: Sie sind in der Regel kompetenter und finden schneller und sicherer eine richtige Lösung als ein Laie.

Bei gesellschaftlichen, ökologischen, ökonomischen und speziell den Finanzmarkt betreffenden Fragen haben wir es hingegen mit nicht linearen komplexen Problemen zu tun. Hierfür gibt es grundsätzlich zwei Arten von Experten: Zum einen diejenigen, die aufgrund ihres reduktiven Bias ein klares Bild der Zukunft vermitteln und dabei fast immer völlig falsch liegen. Zum anderen denjenigen, die sich versuchen, einer komplexen Realität anzunähern, indem sie verschiedene Zukunftsvarianten entwickeln und ihre Prognosen immer wieder revidieren.