Tatsächlich ist längst empirisch belegt, dass Medien in ihren Publikationen vor allem auf Experten setzen, deren Analysen besonders oberflächlich sind und bei denen Prognosen im Nachhinein besonders weit danebenliegen. Glücklicherweise gibt es aber trotzdem noch viele andere hoch qualifizierte Experten, auch wenn sie nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit sind. In Hinblick auf die Ökonomie zeigt dies jedenfalls Jahr für Jahr das FAZ-Ökonomenranking.
Hier werden Ranglisten für die Bedeutung von Ökonomen ermittelt: eine Gesamtliste sowie einzelne Listen auf der Basis von wissenschaftlicher Wirkung, auf der Basis von Medienresonanz sowie aufgrund von politischem Einfluss. Auf der Liste für Bedeutung in der Wissenschaft stehen fast immer andere Namen als auf den Listen für Einfluss in den Medien und der Politik. Durch die Medien bekannte und in der Politik einflussreiche Experten sind zumeist in der Forschung unbedeutend. Wirtschaftswissenschaftler, die in der Forschung wirklich etwas geleistet haben, sind in ihren Aussagen hingegen zumeist wenig plakativ und werden in der Öffentlichkeit und Politik fast immer ignoriert.
Noch absurder als in der Ökonomie haben sich die Anforderungen an die Sell-Side-Analysten von Investmentbanken entwickelt, die Unternehmen oder Finanzmärkte analysieren und hieraus Anlageempfehlungen ableiten. Denn ihre Leistung wird oftmals danach bewertet, wie präzise sie neben Unternehmensgewinnen auch Kurse vorhersagen.
So verspricht beispielsweise Thomson Reuters, dass mit der Methodik für die „Analyst Awards“ die Qualität von Analysten objektiv eingeschätzt werden kann: Unterschieden nach 14 Regionen der Welt wird die Performance von Sell-Side-Analysten nicht nur auf der Basis der Genauigkeit ihrer Gewinnschätzungen bewertet, sondern auch aufgrund der Performance ihrer Kauf/Verkauf-Empfehlungen relativ zu einer Branchen-Benchmark. Das Handelsblatt maß bei seinen bis 2016 verliehenen Analysten-Awards nur die Kursentwicklung: Der Analyst, der diejenigen Aktien empfiehlt, die hinterher am stärksten steigen, ist der beste – so lautete die dahinterstehende Logik.
Doch speziell Kurse an Wertpapiermärkten lassen sich noch viel weniger prognostizieren als grundlegende ökonomische Entwicklungen. Denn Finanzmärkte sind hochkomplex, verarbeiten neue Information sehr schnell (wenn auch nicht immer richtig) und reagieren oft auch hochemotional. Analysten wie Anleger bilden ihre Erwartungen in Abhängigkeit von Verhaltensannahmen für andere Finanzmarktteilnehmer. Herdenverhalten spielt eine große Rolle bei der Bewertung sowie der Entwicklung von Angebot und Nachfrage von Wertpapieren. Selbst wenn Analysten ein Unternehmen sehr gut kennen und völlig richtig bewerten, können sie in der Regel markttechnische Faktoren schlecht einschätzen. Insofern ist es praktisch unmöglich, dass sie eine richtige Kursprognose abgeben.
Zudem kommt in den Kurszielen der Analysten oft nicht ihre wahre Meinung zum Ausdruck. Sie sind in ihren Voten durch die Geschäftspolitik ihres Arbeitgebers beeinflusst und wagen es in der Regel nicht, allzu kritisch zu sein. Auch fürchten viele beruflich negative Konsequenzen, wenn sie zu stark von der Konsensusmeinung am Markt abweichen: Denn wenn sie sich damit irren, stehen sie hinterher individuell besonders dumm da.