Crash-Propheten Dr. Doom & Co. Was von Börsen-Gurus zu halten ist

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Wie sich später zeigte, war Rajan einer der wenigen Ökonomen, die 2005 die Probleme des Weltfinanzsystems tatsächlich begriffen hatten. Die unmittelbare Konsequenz für ihn war allerdings, dass er seinen Job beim IWF verlor. Stattdessen machten neben Larry Summers insbesondere diejenigen Ökonomen Karriere, die Rajan in der Diskussion niedergemacht hatten: Ben Bernanke wurde Chairman der US-Notenbank, Don Kohn wurde sein Vice Chairman und Tim Geithner US-Finanzminister.

Dummerweise sind gerade diejenigen Experten in der Politik und auch in der Öffentlichkeit oftmals schlecht angesehen, die sich der Problematik komplexer Situationen bewusst sind. Denn sie vermeiden klare Festlegungen auf bestimmte Zukunftsszenarien und revidieren ihre Meinung, wenn sie merken, dass sie falsch liegen. In der Ökonomie war lange ein eher vorsichtiger Umgang mit eindeutigen Zukunftsaussagen üblich. Ökonomen wollten vor allem Wirkungsketten analysieren und darstellen, unter welchen Bedingungen in der Zukunft Veränderungen passieren. So stellte der Mainzer Volkswirt Ulrich van Suntum fest: „Die Lieblingsantwort eines Ökonomen ist: Kommt darauf an.“

Bei den Empfängern ökonomischer Analysen kam eine solche Vieldeutigkeit bei Antworten in der Regel aber gar nicht gut an. So lästerte einmal der ehemalige US-Präsident Harry Truman über Ökonomen: “Give me a one-handed economist. All my economists say, ‘on the one hand...on the other'”. Einer seiner Nachfolger – Ronald Reagan – machte den Witz, man solle eine Ökonomen-Ausgabe von Trivial Pursuit erfinden – mit 100 Fragen und 3.000 Antworten.

Seit einigen Jahren haben sich deshalb einige Ökonomen – wie zum Beispiel Paul Krugman und Hans Werner Sinn – vom traditionellen „kommt drauf an“ gelöst. Sie machen in der Öffentlichkeit klare Aussagen über die Gegenwart und die Zukunft sowie prognostizieren konkret, wie sich Wirtschaftsdaten und Wertpapierkurse entwickeln werden. Weiterhin geben sie zumeist eindringliche Warnungen vor zukünftigen Entwicklungen ab, die im Widerspruch zu ihren eigenen Überzeugungen stehen. Sie werden deshalb auch oft in Anlehnung an Harry S. Truman als „einhändige Ökonomen“ bezeichnet.

Mit ihren drastischen Vorhersagen erreichen diese Einhand-Ökonomen einen hohen Grad an öffentlicher Aufmerksamkeit. Einfache und klare Aussagen sind bei Pressevertretern beliebt, insbesondere, wenn sie schockieren und so auflagesteigernd platziert werden können. Auch Sachbücher mit Krisenszenarien lassen sich bestens verkaufen. Paul Krugman hat es durch seine regelmäßigen Kolumnen in der New York Times zum meistgelesenen Ökonomen der Welt geschafft. Auch Politiker und Interessenverbände mögen einfache Expertenaussagen und Prognosen, zumindest, wenn sie in ihr ideologisches Weltbild passen und als „wissenschaftliche“ Rechtfertigung für die eigenen Meinungen herangezogen werden können. Ob sich Prognosen dann als richtig erweisen, erscheint irrelevant.