Um die Auswirkungen der Epidemie, die sich zur Pandemie auszuwachsen scheint, auf die Weltwirtschaft abzuschätzen, werden viele Vergleiche zur SARS-Epidemie in den Jahren 2002/03 gezogen. Dieser Vergleich ist jedoch eher unrealistisch. Zum einen sind die jüngsten Maßnahmen der chinesischen Behörden beispiellos (ganze Städte und Landstriche unter Quarantäne, regionale Schließung von Produktionsanlagen). Zudem unterscheidet sich die heutige Situation Chinas stark von der Anfang der Nullerjahre: Die Schuldenlast von Verbrauchern, Unternehmen und der öffentlichen Hand ist seitdem stark gestiegen (Grafik 1).
Grafik 1: Chinas Verschuldung des nichtfinanziellen Sektors (Prozent des BIP)
Das Konjunkturwachstum des Landes, das kürzlich der Welthandelsorganisation (WTO) beigetreten ist, hat sich hingegen abgeschwächt. China nimmt heute eine besondere Stellung in der globalisierten Wirtschaft ein: Als inzwischen riesige Werkbank der Welt hat sich der Anteil des Landes am weltweiten BIP mehr als verdoppelt und macht heute fast ein Fünftel davon aus (Grafik 2).
Grafik 2: Chinas Anteil am weltweiten BIP (in Prozent und in PPP)
Absehbar ist: Die Auswirkungen dieser Krise auf Chinas Wirtschaft, wie auch auf den Rest der Welt, werden davon abhängen, wie schnell die Wirtschaftsaktivität in China wieder in Schwung kommt. Eine grobe Berechnung zeigt, dass ein massiver Einbruch der chinesischen Produktion über allein 20 Arbeitstage hinweg zu einem Wachstumsverlust von einem Prozentpunkt im Laufe des Jahres führen dürfte: Chinas Wachstum für das Jahr 2020 beliefe sich dann eher auf 5 Prozent als 6 Prozent (Grafik 3). Doch inzwischen sind mehr als 40 Tage der Viruskrise ins Land gegangen – eine Wachstumsanpassung nach unten dürfte nicht ausbleiben.
Grafik 3: Chinas Wachstumsrate im Jahr 2020 (Prozent, basierend auf der Anzahl der Tage mit Unterproduktion)
Bislang gingen viele Schätzungen davon aus, dass sich die Konjunkturrückgänge zunächst auf das erste Quartal beschränken würden – erwartet wurde, dass im zweiten Quartal ein erheblicher Aufholeffekt zu verzeichnen sein dürfte. Doch inzwischen trübt sich das Bild drastisch ein. Sollten die wirtschaftlichen Folgen eines Konjunkturstillstands länger anhalten, wäre das natürlich für China, aber auch für den Rest der Welt beunruhigend. Zwar macht der chinesische Tourismus lediglich etwa 0,3 Prozent des weltweiten BIP aus. Für einzelne Länder, vorrangig in Asien, spielen chinesische Touristen jedoch eine erhebliche wirtschaftliche Rolle.
Was weltweit schwerer wirkt: Die Gewichtung der Importe von Zwischenerzeugnissen aus China hat sich im vergangenen Jahrzehnt in den meisten Ländern verdoppelt: Wenn sich die Erholung der Wirtschaftstätigkeit in China länger hinziehen sollte, könnten die Störungen in den Lieferketten weitaus spürbarer werden.