Gut gemeint, aber nicht gut gemacht Corona-Maßnahmen können für Betriebs-Erben teuer werden

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Für die Zeit der Kurzarbeit ist mit dieser Regelung zwar Abhilfe geschaffen worden, nicht aber für darüber hinaus gehende Folgen der Krise. Denn die eigentliche Schwierigkeit ist ja, dass infolge der Kurzarbeit der Lohnaufwand für das Unternehmen bei einem möglicherweise notwendigen Personalabbau oder gar einer Einstellung des Betriebs oder einer Insolvenz vermindert wird. Der niedrigere Lohnaufwand wirkt sich jedoch bei der Bestimmung der Lohnsumme aus, also bei der Frage, ob die 400- oder die 700 Prozent, beziehungsweise 250- oder 300 Prozent erreicht werden.

Der Gesetzgeber des Erbschaftsteuergesetzes hat sicher nicht daran gedacht, dieses Risiko dem Steuerpflichtigen quasi als allgemeines Lebensrisiko aufzubürden. Daher ist zu hoffen, dass in der aktuellen Lage der Gesetzgeber oder die Finanzverwaltung durch Verwaltungserlasse oder Billigkeitsmaßnahmen hier für eine Abhilfe sorgen. Die betroffenen Steuerpflichtigen haben sonst keinerlei Möglichkeit, den Folgen der Corona-Maßnahmen in diesem Punkt zu entkommen.

Die gleichen Fragen stellen sich bei den Haltefristen. Der Betrieb muss nach der Übertragung durch Erbschaft oder Schenkung für einen Zeitraum von fünf Jahren bei der Regelverschonung, beziehungsweise sieben Jahren bei der Optionsverschonung weitergeführt werden, um die gesetzlich vorgesehenen Behaltensfristen nicht zu reißen. Insbesondere der Verkauf, aber auch die Einstellung des Betriebs, sind hier schädlich. Nach Ansicht der Finanzverwaltung soll auch bereits die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens schädlich sein.

Der Bundesfinanzhof sieht das wohl anders. Aber mit Blick auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie ist es äußerst problematisch, dass der Gesetzgeber in Paragraf 13a des Erbschaftssteuergesetzes in keiner Weise danach differenziert hat, wer die Einstellung des Betriebs zu vertreten hat. Vom Wortlaut des Gesetzes ist also auch die Einstellung des Betriebs aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie erfasst, sprich, wenn der Betrieb aufgegeben werden muss, weil die Umsätze weggebrochen sind.

Zu vermuten ist, dass der Gesetzgeber des Erbschaftsteuergesetzes diesen Fall schlicht nicht gesehen hat. Jedenfalls ist es ein krasser Wertungswiderspruch, wenn durch eine staatliche Maßnahme eine für den Steuerpflichtigen unabwendbare Situation hervorgerufen wird, die für ihn eine erhebliche Mehrsteuer nach sich ziehen kann. Und für diese Art der Mehrsteuer, anders als beispielsweise für Umsatzeinbußen, nicht ansatzweise eine Entschädigung durch den Gesetzgeber vorgesehen ist.

Hier kann den betroffenen Steuerpflichtigen nur empfohlen werden zu versuchen, ob nicht im Billigkeitsweg die Finanzverwaltung auf die Steuer verzichtet. So hat das Bayerische Landesamt für Steuern mit Verfügung vom 26. März 2020 die Finanzämter ausdrücklich angewiesen, Anträge auf weitere Billigkeitsmaßnahmen dem Landesamt vorzulegen. Dies ist zwar noch keine inhaltliche Positionierung, da das Landesamt insbesondere nicht zu dem Problem der Haltefristen etcetera Stellung genommen hat. Aber es zeigt immerhin, dass man in der Finanzverwaltung grundsätzlich über Billigkeitsmaßnahmen nachdenkt.

Steuerpflichtige sollten sich daher nicht scheuen, das Problem dem für sie zuständigen Finanzamt vorzutragen. Lehnt das Finanzamt Billigkeitsmaßnahmen ab, sollte der Rechtsweg beschritten werden. Damit könnte erreicht werden, dass ein Finanzgericht die Vorschrift einschränkend auslegt, damit sie auch in der aktuellen Lage so angewendet werden kann, dass sie dem entspricht, was allgemeines Lebensrisiko zu tragen ist.

Letztlich ist aber der Gesetzgeber beziehungsweise der Erlassgeber aufgerufen, für eine gerechte und sachgerechte Risikoverteilung zu sorgen, wenn er nicht die Verfassungswidrigkeit des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes riskieren möchte. Ein Finanzgericht, beziehungsweise der Bundesfinanzhof sind bei Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes aufgerufen, die Frage dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen.

Da in der jüngeren Vergangenheit das Bundesverfassungsgericht recht häufig mit dem Grundgesetz unvereinbare Regelungen des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes angegriffen hat, bleibt zu hoffen, dass es auch in diesem Fall den Steuerpflichtigen vor staatlichen Eingriffen schützen wird. Dennoch sollte der Druck auf die Politik erhöht werden, zeitnah für Abhilfe zu schaffen. Denn es ist für Steuerpflichtige unzumutbar, bei derart existenziellen Steuerfolgen staatlichen Handelns jeweils im Einzelfall gerichtlichen Rechtsschutz suchen zu müssen. Der volkswirtschaftliche Schaden alleine aufgrund der Rechtsverfolgungskosten in langwierigen Verfahren wäre immens.

Über den Gastautor:
Heiko Wunderlich ist Partner bei SKW Schwarz Rechtsanwälte in München. Er berät unter anderem mittelständische und Familienunternehmen im Steuerrecht sowie bei Vermögens- und Nachfolgethemen.

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