Innovation versus Compliance Finanzinstitute auf dem Weg zu ihrer KI-Governance

Eric Günter Krause ist Senior Partner sowie Leiter Finanzservices und Versicherungen Deutschland bei Infosys.

Eric Günter Krause ist Senior Partner sowie Leiter Finanzservices und Versicherungen Deutschland bei Infosys. Foto: Infosys

Während viele Finanzinstitute nach Möglichkeiten suchen, ihre Gestaltungsmöglichkeiten bei der KI-Nutzung als Wettbewerbsvorteil auszuschöpfen, wachsen gleichzeitig die Bedenken zur Verwendung, da klare Grenzen und Richtlinien für den Einsatz dieser Technologie fehlen. Die Häuser wissen nicht, ob sie rechtlich oder gesellschaftlich auf dem richtigen Weg oder auf dem Weg in potenzielle Rechtsbrüche und damit verbundene Strafzahlungen sind.

Angesichts dieser grundsätzlichen Fragestellung und der risikobasierten Regulierung des neuen europäischen KI-Gesetzes (EU AI Act) ist es für sie von entscheidender Bedeutung, sich proaktiv mit einer KI-Governance auseinanderzusetzen. Nur so können Banken ihren Einsatz von KI – die Identifikation und Umsetzung von Use Cases – zukunftsstabil machen. Doch wie können Banken eine möglichst umfassende KI-Governance-Strategie entwickeln, in der sich Transparenz und Wettbewerbsvorteil vereinen lassen?

Banken im Spannungsfeld zwischen Transformation und Regulation

KI und insbesondere generative KI hat das Potenzial, im Finanzwesen eine transformative Wirkung zu entfalten, von der Optimierung des Kundenservice bis hin zur präzisen Risikoanalyse. Moderne Chatbots und künstliche Agenten, wie Avatare mit Modellen auf Basis von Speech-to-Text und Text-to-Speech, bieten dem Kundenstamm sofortige Unterstützung, reduzieren Betriebskosten und schaffen zusätzliche Kapazitäten in Beratungsteams für komplexere Anliegen.

Die Strategie lautet hierbei „Augment – not automate“. Robo-Advisor nutzen leistungsstarke Algorithmen, um maßgeschneiderte Anlageportfolios zu erstellen. Außerdem ermöglichen prädiktive Analysetools Banken und vor allem Kundenmanagerteams, genauere Vorhersagen über Aktienpreise und Marktbedingungen, aber insbesondere zu vielfältigen Abhängigkeiten und Korrelationen, zu treffen. Darüber hinaus können KI-Modelle das Risikomanagement und die Kreditwürdigkeitsprüfung unterstützen, indem sie Muster und Trends identifizieren, aus denen sie für die Zukunft lernen und dem Relationship Manager neue Möglichkeiten der Risikoanalyse und -bearbeitung liefern können.

 

Parallel zu diesen vielfältigen Einsatzmöglichkeiten sind Finanzinstitute einem zunehmenden Druck von externen Einflussfaktoren ausgesetzt, was ihre KI-Nutzung anbelangt. Regulierungen werden immer strenger und die Akzeptanz in der Gesellschaft ist sehr volatil, da diese Technologie natürlich auch missbraucht werden kann. Der unsachgemäße und intransparente Einsatz von KI birgt außerdem das Risiko, dass sich Banken mit Vorwürfen von Voreingenommenheit (Bias) oder datenschutzrechtlichen Verletzungen konfrontiert sehen könnten – schwerwiegende Reputations- und Rechtsschäden können die Folge sein. Angesichts dieser Herausforderungen ist eine fundierte KI-Governance nicht nur ratsam, sondern absolut erforderlich, um die Sicherheit, Integrität, Compliance und vor allem Akzeptanz in der Finanzbranche zu gewährleisten.

Eine holistische KI-Governance: Keine leichte Aufgabe für Finanzinstitute

Angesichts dieser Herausforderungen benötigen Finanzinstitute ein Rahmenwerk (Framework), das den internen Einsatz von KI regelt und verwaltet. Diese KI-Governance ermöglicht es Organisationen, interne Richtlinien und Verfahren zu entwickeln, die auf ihre spezifischen Anforderungen zugeschnitten sind.

Doch das Zusammenführen verschiedener Bankbereiche unter einem Governance Framework ist komplex. Oft besteht eine deutliche Diskrepanz zwischen den Vorstellungen der Front- und Back-End-Teams darüber, wie robust und rechtlich sicher die Ergebnisse von KI-Anwendungen sein müssen.

Im kundennahen Front-End-Bereich, wo beispielsweise Informationen auch ohne Rechtsanspruch zur Verbesserung der User Experience bereitgestellt werden, fühlen sich beratende Teams eingeengt, wenn KI-Governance-Richtlinien zu strikt sind. Im Gegensatz dazu werden im Back-End, beispielsweise bei der Vertragsgestaltung und -erstellung, KI-Anwendungen nur mit klarer Transparenz, dokumentiert und nachvollziehbar – kurz prüfungssicher – eingesetzt. Beispielsweise stellen KI-gestützte Analysen von Vertragsdokumenten im internationalen Handelsrecht oder bei Transaktionen einen deutlich höheren Risikofaktor dar. Hier müssen KI-Ergebnisse rechtlich haltbar sein, da sie bedeutende Auswirkungen auf Geschäftsentscheidungen haben können.

Eine weitere Herausforderung, die es bei KI-Governance-Leitlinien zu berücksichtigen gilt, ist das Haftungsrisiko der Banken. Obwohl die Technologie beispielsweise die Untersuchungsverfahren bei Sanktionen und Geldwäsche automatisieren könnte, bleibt die Anwendung von KI-Tools in diesem Bereich noch eingeschränkt. Die Bank trägt hier die ultimative Verantwortung für Fehler, selbst wenn diese durch die Maschine verursacht werden. Dies führt zu einer vorsichtigeren Herangehensweise an die Implementierung von KI-Software in kritischen Bereichen.