„Die Empfehlung einer Beteiligung an dem vorliegenden geschlossenen Immobilienfonds war nicht anlegergerecht.“ So lautet einer der Kernsätze einer rechtskräftigen Entscheidung des Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt vom 28. Januar 2015 (Aktenzeichen 1 U 32/13), die kürzlich bekannt wurde.
In der Folge muss die Commerzbank der Klägerin rund 200.000 Euro Schadensersatz nebst Zinsen leisten – Zug um Zug gegen ein Angebot zur Rückübertragung der von der Klägerin gezeichneten Beteiligung. Die Besonderheit dieses Falls: Die Klägerin ist keine natürliche Person, sondern eine gemeinnützige Stiftung.
Novum im Stiftungswesen
Erstmals postuliert damit ein Gericht in einer am heutigen Tag veröffentlichten Entscheidung in derart grundlegender Weise die Voraussetzungen einer anlegergerechten Beratung speziell für Stiftungen. Auch wenn nur eine Bank das Lehrgeld bezahlen musste, fragt sich doch die gesamte Finanzbranche, welche Lehren aus diesem Urteil zu ziehen sind.
In einem ersten Reflex liegen zahlreiche falsche Schlüsse nahe: Die Bankberatung für Stiftungen ist allgemein schlecht. Geschlossene Fonds sind für Stiftungen generell ungeeignet. Das Vermögenserhaltungsgebot schließt „riskante“ Anlagen aus. Es droht eine neue Klagewelle. Bei der gebotenen differenzierten Betrachtung ergibt sich jedoch ein etwas anderes Bild.
Bessere Beratung für Stiftungen?
Die bisher bekannte Rechtsprechung zur Haftung der Banken für Anlagefehler von Stiftungen suchte die Verantwortung stets auf Seiten der Stiftungsvorstände. Ihnen wurde vor allem dann ausreichende Fachkenntnis unterstellt, wenn dort, wie im vorliegenden Fall, Angehörige der rechts-, steuer- und wirtschaftsberatenden Berufe vertreten waren.
Noch die in Stiftungskreisen heftig diskutierte Entscheidung des OLG Oldenburg (Aktenzeichen 6 U 50/13, Kommentar) zur Haftung eines Stiftungsvorstands vom 08. November 2013 thematisiert eine (Mit-)Verantwortung der Bank nicht, obwohl ihr der Vorstand ein Mandat mit einer für Stiftungen offensichtlich ungewöhnlich hohen Aktienquote von bis zu 80 Prozent erteilt hatte.
Gründe für das Urteil
Hier schlägt das OLG Frankfurt eine neue Richtung ein. Das Gericht macht das stiftungsrechtliche Vermögenserhaltungsgebot zum Beratungsgegenstand. Bei der Frage, inwieweit diese Beratung stattgefunden hat, ist allerdings zwischen den Parteien strittig. Die Bank konnte sich diesbezüglich nicht entlasten, und auch die Bankberaterin bestätigte im Prozess ihr Wissen um die Wichtigkeit des Kapitalerhalts.
Die Empfehlung des geschlossenen Fonds sei deshalb, so folgert das Gericht, nicht anlegergerecht gewesen, weil diese mit der rechtlichen Verpflichtung der Stiftung, ihr Kapital zu erhalten, unvereinbar sei. Denn diese Investition beschwöre unstreitig „gewisse Verlustrisiken“ herauf, die sich aus der Finanzierung in einer Fremdwährung und der Unsicherheit der Entwicklung von erzielbaren Mieten und aufzubringenden Darlehenszinsen ergäben.
Auch die besonderen wirtschaftlichen Kenntnisse des damals zeichnenden Vorstands (Wirtschaftsprüfer und Steuerberater) lässt das OLG außer Acht: Die Fachkenntnisse des Anlegers spielten in Bezug auf die Anlegergerechtigkeit des Investments keine Rolle, weil sie keinen Rückschluss auf dessen Risikobereitschaft zuließen.
Die Erkundigung nach der Risikobereitschaft, so der Bundesgerichtshof in einer vom OLG Frankfurt zitierten Entscheidung (Aktenzeichen XI ZR 33/10, Pressemitteilung des BGH), kann nur dann entfallen, wenn der Berater sich noch vor der Anlageentscheidung des Kunden die Gewissheit verschaft hat, dass dieser die geschilderten Risiken des Finanzprodukts in jeder Hinsicht verstanden hat. Hierzu ist die beklagte Bank im Verfahren vor dem OLG beweisfällig geblieben.
Schwächen des Urteils
Diese Begründung lässt den Vermögensberater zunächst etwas ratlos zurück, zumal sich die genannten Grundsätze kaum auf geschlossene Sachwertefonds beschränken lassen, sondern jede Art der Anlageberatung (mit der Betonung auf Beratung) betreffen dürften.
Sollten schon „gewisse Verlustrisiken“ ausreichen, um eine Anlage mit dem Vermögenserhaltungsgebot unvereinbar zu machen, müssten Stiftungen sich insgesamt aus allen Anlagesegmenten zurückziehen. Sie drohen im Niemandsland zwischen ökonomischer Rationalität und juristischer Beharrungskraft verloren zu gehen.
Angesichts der in diesem Fall gerichtlich festgestellten Beratungsfehler – weder wurde die Rückvergütung der Initiatorin an die Bank offengelegt noch der Prospekt übergeben – setzt sich das Urteil nicht mit der objektiven Eignung der Anlage für die betreffende Stiftung differenziert auseinander.
So bleibt die Struktur des übrigen Stiftungsvermögens ebenso außer Betracht wie die Frage, ob die Zeichnungssumme in Höhe von 280.000 Euro bei einem Ein-Objekt-Fonds in einem angemessenen Verhältnis zum Gesamtvermögen – laut Presseberichten gut 3 Millionen Euro – steht.
Die Entscheidung bleibt hier viel zu holzschnittartig, um daraus differenzierte Schlussfolgerungen für die Vermögensanlage von Stiftungen abzuleiten. Vor diesem Hintergrund scheint es nicht ausgeschlossen, dass dasselbe Produkt bei angemessener Beratung einer gerichtlichen Überprüfung standgehalten hätte.
Eine sinnvolle Reaktion der Anbieter könnte aber darin bestehen, ihre Vertriebsmitarbeiter noch stärker für die Bedürfnisse von Stiftungen zu sensibilisieren, um nicht unbedachte Haftungsrisiken im Austausch mit dem (potentiellen) Kunden entstehen zu lassen. Dies fällt leichter, wenn die Stiftungskompetenz an einer internen oder externen Stelle gebündelt und abrufbar ist.
Ferner haben Stiftung und Bank im Hinblick auf die jeweiligen Haftungsrisiken ein verstärktes gemeinsames Interesse an einer transparenten Anlagestrategie und einer sauberen Dokumentation jeder einzelnen Anlageentscheidung. Risikoaufklärung und Kostentransparenz spielen eine zentrale Rolle. Hier empfehlen sich stiftungsspezifische Beratungsinstrumente.
In der Folge muss die Commerzbank der Klägerin rund 200.000 Euro Schadensersatz nebst Zinsen leisten – Zug um Zug gegen ein Angebot zur Rückübertragung der von der Klägerin gezeichneten Beteiligung. Die Besonderheit dieses Falls: Die Klägerin ist keine natürliche Person, sondern eine gemeinnützige Stiftung.
Novum im Stiftungswesen
Erstmals postuliert damit ein Gericht in einer am heutigen Tag veröffentlichten Entscheidung in derart grundlegender Weise die Voraussetzungen einer anlegergerechten Beratung speziell für Stiftungen. Auch wenn nur eine Bank das Lehrgeld bezahlen musste, fragt sich doch die gesamte Finanzbranche, welche Lehren aus diesem Urteil zu ziehen sind.
In einem ersten Reflex liegen zahlreiche falsche Schlüsse nahe: Die Bankberatung für Stiftungen ist allgemein schlecht. Geschlossene Fonds sind für Stiftungen generell ungeeignet. Das Vermögenserhaltungsgebot schließt „riskante“ Anlagen aus. Es droht eine neue Klagewelle. Bei der gebotenen differenzierten Betrachtung ergibt sich jedoch ein etwas anderes Bild.
Bessere Beratung für Stiftungen?
Die bisher bekannte Rechtsprechung zur Haftung der Banken für Anlagefehler von Stiftungen suchte die Verantwortung stets auf Seiten der Stiftungsvorstände. Ihnen wurde vor allem dann ausreichende Fachkenntnis unterstellt, wenn dort, wie im vorliegenden Fall, Angehörige der rechts-, steuer- und wirtschaftsberatenden Berufe vertreten waren.
Noch die in Stiftungskreisen heftig diskutierte Entscheidung des OLG Oldenburg (Aktenzeichen 6 U 50/13, Kommentar) zur Haftung eines Stiftungsvorstands vom 08. November 2013 thematisiert eine (Mit-)Verantwortung der Bank nicht, obwohl ihr der Vorstand ein Mandat mit einer für Stiftungen offensichtlich ungewöhnlich hohen Aktienquote von bis zu 80 Prozent erteilt hatte.
Gründe für das Urteil
Hier schlägt das OLG Frankfurt eine neue Richtung ein. Das Gericht macht das stiftungsrechtliche Vermögenserhaltungsgebot zum Beratungsgegenstand. Bei der Frage, inwieweit diese Beratung stattgefunden hat, ist allerdings zwischen den Parteien strittig. Die Bank konnte sich diesbezüglich nicht entlasten, und auch die Bankberaterin bestätigte im Prozess ihr Wissen um die Wichtigkeit des Kapitalerhalts.
Die Empfehlung des geschlossenen Fonds sei deshalb, so folgert das Gericht, nicht anlegergerecht gewesen, weil diese mit der rechtlichen Verpflichtung der Stiftung, ihr Kapital zu erhalten, unvereinbar sei. Denn diese Investition beschwöre unstreitig „gewisse Verlustrisiken“ herauf, die sich aus der Finanzierung in einer Fremdwährung und der Unsicherheit der Entwicklung von erzielbaren Mieten und aufzubringenden Darlehenszinsen ergäben.
Auch die besonderen wirtschaftlichen Kenntnisse des damals zeichnenden Vorstands (Wirtschaftsprüfer und Steuerberater) lässt das OLG außer Acht: Die Fachkenntnisse des Anlegers spielten in Bezug auf die Anlegergerechtigkeit des Investments keine Rolle, weil sie keinen Rückschluss auf dessen Risikobereitschaft zuließen.
Die Erkundigung nach der Risikobereitschaft, so der Bundesgerichtshof in einer vom OLG Frankfurt zitierten Entscheidung (Aktenzeichen XI ZR 33/10, Pressemitteilung des BGH), kann nur dann entfallen, wenn der Berater sich noch vor der Anlageentscheidung des Kunden die Gewissheit verschaft hat, dass dieser die geschilderten Risiken des Finanzprodukts in jeder Hinsicht verstanden hat. Hierzu ist die beklagte Bank im Verfahren vor dem OLG beweisfällig geblieben.
Schwächen des Urteils
Diese Begründung lässt den Vermögensberater zunächst etwas ratlos zurück, zumal sich die genannten Grundsätze kaum auf geschlossene Sachwertefonds beschränken lassen, sondern jede Art der Anlageberatung (mit der Betonung auf Beratung) betreffen dürften.
Sollten schon „gewisse Verlustrisiken“ ausreichen, um eine Anlage mit dem Vermögenserhaltungsgebot unvereinbar zu machen, müssten Stiftungen sich insgesamt aus allen Anlagesegmenten zurückziehen. Sie drohen im Niemandsland zwischen ökonomischer Rationalität und juristischer Beharrungskraft verloren zu gehen.
Angesichts der in diesem Fall gerichtlich festgestellten Beratungsfehler – weder wurde die Rückvergütung der Initiatorin an die Bank offengelegt noch der Prospekt übergeben – setzt sich das Urteil nicht mit der objektiven Eignung der Anlage für die betreffende Stiftung differenziert auseinander.
So bleibt die Struktur des übrigen Stiftungsvermögens ebenso außer Betracht wie die Frage, ob die Zeichnungssumme in Höhe von 280.000 Euro bei einem Ein-Objekt-Fonds in einem angemessenen Verhältnis zum Gesamtvermögen – laut Presseberichten gut 3 Millionen Euro – steht.
Die Entscheidung bleibt hier viel zu holzschnittartig, um daraus differenzierte Schlussfolgerungen für die Vermögensanlage von Stiftungen abzuleiten. Vor diesem Hintergrund scheint es nicht ausgeschlossen, dass dasselbe Produkt bei angemessener Beratung einer gerichtlichen Überprüfung standgehalten hätte.
Eine sinnvolle Reaktion der Anbieter könnte aber darin bestehen, ihre Vertriebsmitarbeiter noch stärker für die Bedürfnisse von Stiftungen zu sensibilisieren, um nicht unbedachte Haftungsrisiken im Austausch mit dem (potentiellen) Kunden entstehen zu lassen. Dies fällt leichter, wenn die Stiftungskompetenz an einer internen oder externen Stelle gebündelt und abrufbar ist.
Ferner haben Stiftung und Bank im Hinblick auf die jeweiligen Haftungsrisiken ein verstärktes gemeinsames Interesse an einer transparenten Anlagestrategie und einer sauberen Dokumentation jeder einzelnen Anlageentscheidung. Risikoaufklärung und Kostentransparenz spielen eine zentrale Rolle. Hier empfehlen sich stiftungsspezifische Beratungsinstrumente.