So wechselhaft das Wetter über und um die größte Immobilienmesse Europas herum dieses Jahr auch war, so klar war die Themenauswahl auf der Mipim 2025. Im Mittelpunkt der Gespräche standen – neben dem brachenübergreifenden, allgegenwärtigen Elefanten im Raum namens Geopolitik – vor allem Themen wie die Geldpolitik, die Rolle künstlicher Intelligenz oder auch das Zusammenwachsen von Immobilien und (Energie-)Infrastruktur.
Die Grundstimmung ist besser als im vergangenen Jahr, aber noch ausbaufähig, wie Gisbert Beckers, geschäftsführender Gesellschafter von German American Reality meint: „Die Stimmung ist wie das Wetter: Bewölkt, mit etwas Sonne und heftigen Regenschauern. Das Hauptthema bleibt Kapital.“ Sein Kollege Patrick Adenauer ergänzt, dass mittlerweile eine Bodenbildung stattgefunden habe. Es komme mehr Bewegung in die Märkte, aber Überschwang gibt es noch nicht – eher positiven Realismus.
Ähnlich sehen es Jens Ebert, Stefan de Greiff und Michael Schleich, Vorstände bei der Aam2core Holding: „Die Stimmung auf der Mipim ist vorsichtig optimistisch – besser als im Vorjahr, aber noch nicht überschwänglich. Die Teilnehmerzahl ist geringer, doch das hebt die Qualität: Die Gespräche sind offener, direkter und transparenter.“ Auffällig sei, dass die Assetklasse Wohnen für den deutschen Markt wieder verstärkt in den Fokus gerate und eine Vielzahl an Gesprächen präge. Zudem trieben die Zinsanpassungen die Branche weiter um. Und die politische Lage und Rahmenbedingungen in Deutschland kämen bei den Abendveranstaltungen immer wieder auf.
„Wir sollten uns von der Vorstellung verabschieden, das es wieder so wird wie 2018/2019“
Themenübergreifend waren sich die meisten Immobilienprofis auf dem Branchentreff an der Côte d’Azur darüber einig, dass das anziehende Transaktionstempo und -volumen vorsichtige Hoffnung auf Erholung machen. Diesen Eindruck bestätigt auch Henning Koch, Vorsitzender des Vorstandes des Asset Managers Commerz Real: „Die Erwartungen von Käufern und Verkäufern nähern sich weiter an, was zu einer Belebung am Markt führt. Gleichwohl sollten wir uns von der Erwartung verabschieden, es werde wieder so wie 2018/2019. Ich vergleiche die aktuelle Situation eher mit jener der Jahre 2014 bzw. 2015.“
Viele europäische Volkswirtschaften wachsen wieder, was zu einer Erholung der Nutzernachfrage geführt hat – vor allem mit Fokus auf höherwertige Gebäude, so Koch. Er erwartet, dass die Mieten für Best-in-Class-Immobilien – insbesondere Büros in den Top-Lagen – weiter zulegen und so die Kapitalwerte stabilisieren werden. „Da die Kapitalwerte hauptsächlich durch Mietsteigerungen getrieben werden, ist aktives Assetmanagement der Schlüssel zum Erfolg.“
Chancen sieht Koch aktuell vor allem für High-Networth-Individuals und Family Offices. Daneben gebe es aber auch jene institutionellen Investoren, die jetzt antizyklisch investieren und sich nicht in ausgedehnten Bieterverfahren wiederfinden wollen: „Es gilt: Cash ist King. Wer Zugriff auf Eigenkapital hat, dem bieten sich nun attraktive Investmentmöglichkeiten. Allerdings dürfte sich dieses Fenster in etwa zehn bis 18 Monaten wieder schließen.“
Europaweite fehlen 20 Millionen Wohnungen
Ein Aufhellen der Stimmung sieht auch Christie Wright, Co-Leiterin der Investmentdivision des Assetmanagers Patrizia, als zentrale Botschaft vieler Gespräche: „Nach einem herausfordernden Jahr 2024 kehrt wieder mehr Optimismus auf den Markt zurück. Der Fokus liegt dabei klar auf smarten Sachwerte-Lösungen.“
Dabei, so Wright weiter, lasse sich bei den Investoren ein zunehmender Appetit beobachten, besonders bei Logistik und Wohnen: „Speziell bezahlbares Wohnen und wohn-nahe Nischen wie studentisches Wohnen, Senioren-Wohnen und Co-Living sind attraktiv. Europaweit braucht es über 20 Millionen zusätzliche Wohneinheiten, was unterstreicht, wie wichtig öffentliche und private Investments hier sind.“
Mit Blick auf die jüngsten geopolitischen Entwicklungen betont sie die Notwendigkeit großer Investitionen in Europas Infrastruktur: „Privates Kapital wird bei der Modernisierung der europäischen Infrastruktur – vom Verkehrswesen über Energie bis zur Digitalisierung – eine entscheidende Rolle spielen. Daher sehen wir zunehmend ein Zusammenwachsen von Immobilien und Infrastruktur in der Form einer aufstrebenden neuen Assetklasse, die wir RE-Infra nennen. Hier bieten sich sehr attraktive langfristige Investment-Opportunitäten.“
„Deutschland gilt nicht mehr nur als sicherer Hafen für Investoren“
Dass Unsicherheiten die globalen Märkte belasten und Deutschland als Safe Haven für Anleger fungieren kann, diese Einschätzung teilt auch Sarah Cervinka, Managing Partner bei der Immobilienberatung Knight Frank in München. Zugleich ergänzt sie: „Auf der Mipim wird zunehmend klar, dass Deutschland nicht mehr nur als sicherer Hafen für internationale Investoren gilt. Der Markt entwickelt sich vielmehr zu einem Terrain für opportunistische Chancen, bei denen neue Value-Add-Produkte auf den Markt kommen.“
Institutionelles Fundraising ist ermutigend
Dass man bei fehlender Champagnerlaune eher nüchtern ist, scheint logisch. Umso weniger überrascht war André Zücker, Co-Geschäftsführer des Investment- und Asset Managers KGAL, folglich darüber, dass die Mipim 2025 sehr fokussiert ausfiel: „Das regnerische Wetter mit nur vereinzelten Sonnenstrahlen an der Côte d’Azur ist eine passende Kulisse für die Stimmungslage der europäischen Immobilienbranche.“ Insgesamt überwiege Nüchternheit und ein Fokus auf die weiterhin bestehenden Herausforderungen, ganz im Gegensatz zur Partystimmung und teils Übermut der Boomjahre bis Anfang 2022.
„ESG ist heute als zentraler Aspekt jedes Deals fest etabliert. Das sehen wir als gesunde Entwicklung“
Kleine ermutigende Zeichen sieht Zücker im Bereich institutionelles Fundraising. Die historisch hohen Nettomittelzuflüsse aus den Boomjahren seien aber für die nächsten Jahre in weite Ferne gerückt. Insgesamt, so Zücker weiter, blieben Finanzierer insgesamt vorsichtig, sodass eine solide Eigenkapitalausstattung und ein langjähriger Track Record im jeweiligen Markt mit entsprechendem Netzwerk wichtiger denn je seien.
Was den Hype um ESG und Nachhaltigkeit angeht, sagt Zücker, dass dieser den Status als unbestrittenes Messethema Nr. 1 verloren habe: „Aber ESG ist heute als zentraler Aspekt jedes Deals fest etabliert. Das sehen wir als gesunde Entwicklung.“
Anziehende Allokationen bei Wohnen und Hotel – Büro ein No-Go
Ähnlich heiß begehrt wie die wenigen Sonnenstrahlen, die den Durchbruch durch die Wolken über der Côte d’Azur geschafft haben, waren Deals. Das gelte vor allem im Bereich Wohnen und Hotel, so Moritz Kraneis, geschäftsführender Gesellschafter des eigentümergeführten Immobilienunternehmens Deutsche Zinshaus Gruppe: „Gefühlt sucht hier gerade jeder nach Transaktionen. Parallel wird Büro quasi zum No-Go-Investment. Die Banken bleiben bei ihrem restriktiven Kurs, weshalb ein breiter Aufschwung am Investmentmarkt absehbar weiter auf sich warten lassen dürfte.“
Insgesamt zieht Kraneis dennoch ein positives Fazit: „Die Marktsituation ist gerade für eigenkapitalstarke Käufer mit hauseigener Asset-Management-Expertise historisch attraktiv. Die gesunkenen Einstiegspreise, zumal aus Insolvenzen oder anderen Sondersituationen heraus ermöglichen eine Wertschöpfung, wie wir sie seit Jahren nicht gesehen haben.“
Dringend gesucht: Neue Geschäftsmodelle für ein verändertes Marktumfeld
Dass man nach Jahren der Krise nicht sofort wieder in den Überholmodus schalten kann, sondern dass das Erholungstempo auch mit den gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen Schritt halten muss, kann sicher als Konsens der Mipim 2025 gesehen werden. Auch Jana Mrowetz, Geschäftsführerin von Urban Cell, einem Entwickler modularen Konzepts in Holzmodulbauweise, teilt diese Ansicht: „Back to business, but no more business as usual – das beherrschte die Stimmung auf der Mipim. Im Fokus stand die Suche nach neuen Geschäftsmodellen für ein geändertes Marktumfeld und damit verbundenen Chancen.“
Positiv findet sie, dass sich die Branche wieder zunehmend auf das Wesentliche konzentriert, wobei ein Umdenken nicht nur bei der Herstellung und Verwaltung von Gebäuden notwendig sei, um zukunftsfähige Lebensräume und Investmentprodukte zu schaffen.
Über die Mipim
Die Mipim (Marché International des Professionnels de l’immobilier, was Internationaler Markt für Immobilienfachleute bedeutet) in Cannes ist die weltweit größte Immobilienmesse. Auf über 20.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche treffen sich vier Tage lang bis zu 20.000 Besucher aus über 90 Ländern an 300 Ständen. 1990 gegründet, war es zudem die erste international ausgerichtete Immobilienveranstaltung.