Cum-Ex-Skandal Reaktionen zum Ausgang des Olearius-Prozesses – „Makel im deutschen Strafrecht“

Christian Olearius als Angeklagter bei seinem Prozess vor dem Bonner Landgericht. Am Donnerstag wurde der Strafprozess gegen den 82-Jährigen eingestellt.

Christian Olearius als Angeklagter bei seinem Prozess vor dem Bonner Landgericht. Am Donnerstag wurde der Strafprozess gegen den 82-Jährigen eingestellt. Foto: Imago Images/Panama Pictures

Noch einmal hatte Christian Olearius am Donnerstag vor dem Bonner Landgericht seine Unschuld beteuert. Er habe weder wissentlich noch unwissentlich an strafbaren Cum-Ex-Geschäften mitgewirkt, Medien hätten „populistische Meinungsmache“ betrieben, die Staatsanwaltschaft habe ihn vorverurteilt.

Beweisaufnahme hätte drei Jahre gedauert

Gegen 14 Uhr verkündete dann die Vorsitzende Richterin Marion Slota-Haaf das Urteil – beziehungsweise kein Urteil. Das Strafverfahren gegen den Miteigentümer der Hamburger Warburg-Bank werde eingestellt. Grund sei sein schlechter Gesundheitszustand, der nach einem Gutachten von Medizinern der Universität Köln nur 45-minütige Sitzungen pro Verhandlungstag erlaubt hätte. Unter diesen Bedingungen hätte die Beweisaufnahme voraussichtlich mehr als drei Jahre gedauert, was das Gericht als unzumutbar wertete. Mit einem Freispruch ist das nicht gleichzusetzen, die Schuldfrage bleibt jedoch ungeklärt.

Viele Beobachter haben sich von dem Prozess mehr Aufklärung erhofft und reagierten enttäuscht. Der Hamburger Cum-Ex-Skandal bleibe durch die Einstellung in einem wesentlichen strafrechtlichen Teil offen, sagte etwa Richard Seelmaecker, Obmann der CDU-Fraktion im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss in Hamburg.

Olearius-Prozess legt Makel im deutschen Strafrecht offen

Ob das Gutachten über Olearius' Gesundheitszustand wirklich ein Grund sei, Deutschlands spektakulärsten Cum-Ex-Prozess einfach abzubrechen, fragt Volker Votsmeier, Reporter beim „Handelsblatt“. Seiner Einschätzung nach offenbart der Prozess einen Makel im deutschen Strafrecht. „Dabei wäre es ganz einfach, Abhilfe zu schaffen. Aus der Anwesenheitspflicht sollte man ein Anwesenheitsrecht machen. In anderen Ländern ist das längst üblich“, schreibt Votsmeier auf Linkedin. 

Lukas Zdralek von der „Wirtschaftswoche“ glaubt, dass Olearius' Prozessausgang kein Einzelfall bleiben dürfte. „Womöglich werden sich weitere Cum-Ex-Beteiligte nie vor einem Gericht verantworten müssen, indem sie auf ihre Gesundheit verweisen. Schließlich dürften die Ermittler noch mindestens zehn weitere Jahre brauchen, um alle 1700 Fälle abzuarbeiten.“

 

Nach Ansicht von „Capital“-Chefredakteur Timo Pache liege der eigentliche Skandal aber woanders. In Wahrheit sei auch Olearius längst nur ein Stellvertreter in einem viel größeren Aufklärungsprozess, der noch auf seine Eröffnung wartet, schreibt Plache in einem Kommentar. Das eingestellte Verfahren gegen Olearius mag schmerzen. Die viel wichtigere Frage, ob der Rechtsstaat in der Lage ist, einen Skandal wie Cum-Ex aufzuklären, entscheide sich inzwischen darin, ob die Rolle des heutigen Bundeskanzlers Olaf Scholz, zu Olearius’ aktiven Zeiten bei Warburg Erster Bürgermeister von Hamburg geklärt werden könne.

Es sei kein Skandal, wenn das Verfahren gegen Christian Olearius mit einem Einstellungsurteil endet, hatte Gerhard Schick, Vorstand des Vereins Bürgerbewegung Finanzwende, bereits im Vorfeld des letzten Prozesstages gesagt. „Es gibt für solche Fälle rechtsstaatliche Regeln, die für alle gelten, auch für Olearius – und das ist auch richtig so.“ Gleichzeitig bemängelte Schick: „Der gleiche Rechtsstaat, der Olearius nun vor einem Verfahren schützt, dem er nicht mehr gewachsen ist, hätte ihn schon früher entschlossen anklagen müssen.“ Im April war die ehemalige Oberstaatsanwältin und Cum-Ex-Chefermittlerin Anne Brorhilker als Geschäftsführerin zur Bürgerbewegung Finanzwende gewechselt – wohl auch aus Frustration über den schleppenden Fortgang der Ermittlungen.

Wie wirkt sich Prozessausgang auf Inhaberkontrollverfahren der Bafin aus?

Neben dem Prozess gegen Olearius stand in den vergangenen Monaten auch ein Inhaberkontrollverfahren der Bafin im Raum und die Frage, ob Olearius unter den gegebenen Umständen noch als Miteigentümer der Bank geeignet ist. Die Bafin hatte laut Medienberichten vorgeschlagen, die Bank und die Holding zu verschmelzen, um eine einfachere und übersichtlichere Struktur zu schaffen. Dieser Schritt startete im September 2021. Wie sich nun das Ende des Strafverfahrens gegen den Miteigentümer Olearius auswirkt, ist noch offen. Eine Anfrage dieses Mediums, ob die Warburg-Gruppe erwartet, dass das Verfahren zeitnah fertiggestellt werden kann, blieb zunächst unbeantwortet.


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 ©Google Maps

Links im Bild befindet sich der markante Wolkenkratzer Trianon, die Zentrale der Dekabank, aus dem das Wertpapierhaus der deutschen Sparkassen-Finanzgruppe 2024 auszieht. Doch welche Privatbank hat auf der anderen Straßenseite im Frankfurter Westend ihren Sitz? 

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