Rechtsanwalt ordnet ein Wie realistisch die Commerzbank-Übernahme durch die Unicredit ist

Christian Conreder, Partner und Rechtsanwalt bei Rödl & Partner

Christian Conreder, Partner und Rechtsanwalt bei Rödl & Partner: Möchte die Unicredit die Commerzbank übernehmen, gibt es nur wenige Hürden – eine feindliche Übernahme scheint aber auch kein gangbarer Weg zu sein. Foto: Rödl & Partner

Kürzlich hat die Unicredit verkündet, ihren Anteil an der Commerzbank auf 21 Prozent zu erhöhen. Zuvor überraschte die italienische Großbank auch die Bundesregierung, indem sie den schrittweisen Ausstieg des Bundes bei der Commerzbank, der das deutsche Kreditinstitut in der Finanzkrise gerettet hatte, nutzte und vom Bund 4,49 Prozent und weitere 4,5 Prozent auf dem Markt erwarb.

 

Daraufhin hat die Bundesregierung entschieden, vorerst keine weiteren Aktien der Commerzbank zu verkaufen, wobei der Bund zurzeit noch einen Anteil von zwölf Prozent hält. Bundeskanzler Olaf Scholz bezeichnete das Vorgehen der Unicredit als „unfreundliche Attacke“ und die Bundesregierung hat dafür plädiert, dass die Commerzbank eigenständig bleibt. Auch die Commerzbank scheint von einer Übernahme nicht begeistert zu sein. Zwar hatte Unicredit-Chef Andrea Orcel zunächst betont, keine feindliche Übernahme der Commerzbank anzustreben. Der letzte Vorstoß spricht aber eine andere Sprache.

Damit stellt sich die Frage nach potenziellen Hürden und Verhinderungsmöglichkeiten für eine feindliche Übernahme. Diese und die Frage, wie realistisch ein solches Szenario überhaupt ist, beantworte ich im Folgenden.

Welche rechtlichen Hürden könnten einer (feindlichen) Übernahme entgegenstehen?

Inhaberkontrolle, Wertpapier- und Übernahmerecht: Bereits um die Optionen auszuüben, die sich die Unicredit gesichert hat, ist gemäß Paragraf 2c Absatz 1b Kreditwesengesetz (KWG) die „Genehmigung“ der zuständigen Aufsichtsbehörde erforderlich. Eine Genehmigung heißt ausdrückliche Nichtuntersagung oder kein Erlass einer Untersagungsverfügung im Beurteilungszeitraum. Die Aufsichtsbehörde ist in dem Fall gemäß Artikel 4 Absatz 1 lit. c, Artikel 6, Artikel 15 Absatz 3 SSM-VO die Europäische Zentralbank (EZB).

Dabei ist ein interessierter Erwerber – wie hier die Unicredit – nach Paragraf 2c Absatz 1 S. 1 KWG verpflichtet, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und der Deutschen Bundesbank unverzüglich schriftlich die Absicht anzuzeigen, eine bedeutende Beteiligung an einem Institut erwerben zu wollen. Eine bedeutende Beteiligung bedeutet: mindestens 10 Prozent des Kapitals oder der Stimmrechte oder Ausübung erheblichen Einflusses. Gemäß Paragraf 1 Absatz 1 S. 6 KWG muss weiterhin das Institut anzeigen, wenn es beabsichtigt, eine solche Beteiligung über Schwellenwerte von 20, 30 und 50 Prozent des Kapitals oder der Stimmrechte zu erhöhen oder die Kontrolle über das Institut zu erlangen. Die in diesem Falle ebenfalls gemäß Paragraf 2c Absatz 1b KWG erforderliche „Genehmigung“ soll die Unicredit bereits hinsichtlich einer Erhöhung ihres Anteils an der Commerzbank auf 29,9 Prozent beantragt haben.

Der beabsichtigte Erwerb der bedeutenden Beteiligung oder ihre Erhöhung könnte dabei insbesondere dann untersagt werden, wenn die Unicredit nicht zuverlässig wäre oder nicht über die notwendige finanzielle Solidität verfügen würde. Unzuverlässigkeit könnte hierbei auch dann begründet sein, wenn eine Gefahr der „Ausschlachtung“ der Commerzbank bestünde.

Ab einem Anteil von 30 Prozent der Stimmrechte müsste die Unicredit grundsätzlich gemäß Paragraf 35 Absatz 1 S. 1 Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) die Erlangung von Kontrolle veröffentlichen und gemäß Paragraf 35 Absatz 2 S. 1 WpÜG ein sogenanntes Pflichtangebot abgeben.

Meldepflichten, insbesondere bei Erreichen und Überschreiten von Schwellenwerten, könnten sich auch gemäß Paragraf 33 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) ergeben.

 

Dass die EZB in der Vergangenheit den Wunsch nach einer Bankenunion in Europa geäußert hat, dürfte die Unicredit, zusammen mit den Synergien, die eine Übernahme der Commerzbank mit sich bringen würde, als Argument für ihr Vorhaben anführen. Es ist daher schwer vorstellbar, dass die EZB den Vorstoß blockieren wird.

Investitionsprüfung und kritische Infrastruktur: Dass die Übernahme durch die Unicredit nach dem Außenwirtschaftsrecht, geregelt im Außenwirtschaftsgesetz (AWG) und in der Außenwirtschaftsverordnung (AWV), untersagt wird, dürfte bereits daran scheitern, dass die Regelungen zur sektorspezifischen Investitionsprüfung nicht einschlägig sein dürften. Die Regelung der sektorübergreifenden Investitionsprüfung, worunter Betreiber kritischer Infrastrukturen fallen, setzt voraus, dass der Erwerber seinen Sitz außerhalb der Europäischen Union beziehungsweise des EFTA-Raumes hat. Diese Voraussetzung ist bei der Unicredit mit Sitz in Italien schon nicht erfüllt.

Zusammenschlusskontrolle: Weil der öffentliche Sektor im deutschen Bankenmarkt so stark ist und weil Sparkassen und Genossenschaftsbanken nicht mit internationalen Geschäftsbanken fusionieren dürfen, erscheint es nicht als naheliegend, dass im Rahmen einer Zusammenschlusskontrolle nach Kartellrecht die wettbewerblichen Nachteile durch die Übernahme überwiegen und diese daher untersagt werden würde.

Welche Möglichkeiten haben die Commerzbank und die Bundesregierung zur Verhinderung einer feindlichen Übernahme?

Möglichkeiten der Commerzbank: Hinsichtlich von Maßnahmen der Commerzbank zur Verhinderung einer Übernahme ist zu beachten, dass in Paragraf 33 WpÜG ein sogenanntes Verhinderungsverbot für den Vorstand einer Zielgesellschaft vorgesehen ist.

Zulässig bleibt aber insbesondere die Suche nach konkurrierenden Angeboten anderer Unternehmen, sogenannte weiße Ritter. Unmittelbar in Betracht kommt hierfür zurzeit aber niemand, wenn könnte es wohl sowieso nur die Deutsche Bank sein. Doch die ist nicht interessiert; sie hat mit der Postbank aktuell andere Probleme zu bewältigen. Vorausgesetzt, die Beteiligungserhöhung auf 21 Prozent wird von der EZB nicht untersagt, wäre die Unicredit eine starke Aktionärin. Auch das kann Interessenten abschrecken.

 

Im Ergebnis wird es vor allem darauf ankommen, dass die Commerzbank ihren Aktionären eine Strategie präsentiert, die wirtschaftlich attraktiver ist als eine Übernahme.

Möglichkeiten der Bundesregierung: Die Optionen der Bundesregierung sind begrenzt. Als Aktionärin ist der Bund inzwischen weit von einer 25-prozentigen Beteiligung im Sinne einer Sperrminorität entfernt. Theoretisch könnte der Staat zwar seinen Anteil an der Commerzbank wieder aufstocken, tatsächlich fehlen ihm aber die Mittel. Das hindert ihn jedoch nicht, seinen Einfluss gegenüber den anderen Commerzbank-Aktionären auszuüben.

Zwar hat die Bundesregierung mit deutlichen Worten vor einer feindlichen Übernahme der Commerzbank durch die Unicredit gewarnt, weitere Pläne zur Abwehr einer Übernahme soll es aber nicht geben, da dies Sache der Kapitalmarktakteure sei.

Wie realistisch sind eine (feindliche) Übernahme oder ein Zusammenschluss?

Angesichts der Haltung der Bundesregierung dürfte es für Unicredit-Chef Orcel sinnvoll sein, statt eines feindlichen Angebots eine einvernehmliche Lösung mit der Commerzbank zu suchen. Bevor in den nächsten Wochen eine Entscheidung für oder gegen einen Zusammenschluss getroffen werden kann, wird noch viel zu tun sein. Der starke Widerstand der Commerzbank und der Bundesregierung lässt es aber als unwahrscheinlich erscheinen, dass er zustande kommt.

Eine feindliche Übernahme dürfte sich allerdings noch schwieriger gestalten. Im Finanzsektor sind sie unüblich und auf dem deutschen Markt zudem selten erfolgreich. Sollte es aber zu einem Übernahmeangebot beziehungsweise einem Pflichtangebot kommen, werden sich die Aktionäre fragen, wie viel ihnen im Vergleich zu dem, was sie für die Aktien bezahlt haben, geboten wird – es ist eine finanzielle Entscheidung. Für die Minderheitsaktionäre, die ansonsten wenig Macht haben, den Kurs der Bank zu ändern, könnte ein Übernahmeangebot attraktiv sein.


Über den Interviewten:

Christian Conreder ist Rechtsanwalt und Partner bei Rödl & Partner und leitet den Bereich Kapitalanlagerecht. Der Schwerpunkt seiner anwaltlichen Tätigkeit liegt im Bank- und Kapitalmarktrecht, namentlich in den Bereichen des Kapitalanlagerechts. Weiterhin ist er auf das Zahlungsverkehrsrecht spezialisiert.  

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