Alibaba und Tencent Chinas Maßnahmen gegen die eigenen Technologie-Riesen

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Verdrängungseffekt ist eine von Pekings Hauptsorgen

Die monetäre Machtkonzentration ist enorm. Tencent hat seit 2009 insgesamt 152 Milliarden US-Dollar für Akquisitionen ausgegeben, der Konkurrent Alibaba 110 Milliarden US-Dollar. Die Ausgaben beider Konzerne machten in diesem Zeitraum insgesamt mehr als 10 Prozent des Fusions- und Übernahmevolumens im globalen Technologiesektor aus.

Das Deal-Volumen der chinesischen Plattformen: Tencent hat die Nase vorn. (Quelle: Bloomberg, April 2021)

Die chinesische Regierung will diese „zügellose Expansion des Kapitals“ eindämmen. Wir gehen davon, dass ihr vor allem der Verdrängungseffekt der digitalen Ökosysteme Sorgen bereitet.

So bedienen sich die Plattformen zum Beispiel wettbewerbswidriger Exklusiv-Vereinbarungen, die Einzelhändler daran hindern, auf konkurrierenden Plattformen zu verkaufen. Und wenn Einzelhändler auch andere Plattformen nutzen, werden ihre Angebote abgestuft. Angesichts des Mangels an alternativen Kanälen können die Plattformen Händler zwingen, sehr nachteilige Bedingungen zu akzeptieren.

Nachdem beispielsweise die Galanz Group, der weltgrößte Hersteller von Mikrowellengeräten, seine Angebote auch auf einer konkurrierenden Webseite zu vermarkten begann, soll Alibaba durch eine nachteilige Behandlung der Angebote des Herstellers für einen starken Umsatzrückgang gesorgt haben. Die Aufsichtsbehörden, die das Machtungleichgewicht zwischen mittleren und kleinen Unternehmen und den marktbeherrschenden Plattformen überwachen, könnten letztere dazu drängen, die Kosten für den Wechsel zu einem anderen Anbieter zu senken oder zu beseitigen.

Bisherige Geldstrafe hat eher symbolischen Charakter

Im März 2021 verhängte die Marktaufsichtsbehörde SAMR Geldstrafen gegen zwölf Technologie-Unternehmen wegen insgesamt zehn Transaktionen, die nach Angaben der Behörde rechtswidriges monopolistisches Verhalten darstellen. Zu den bestraften Unternehmen gehörten unter anderem Baidu, Tencent, Didi Chuxing, Softbank und eine von Bytedance unterstützte Firma. Die Unternehmen wurden jeweils zur Zahlung von 500.000 Renminbi – umgerechnet etwa 77.000 US-Dollar – verurteilt.

Während die Geldstrafen eher symbolischen Charakter hatten, wurde von staatlicher Seite außerdem angekündigt, Technologie-Unternehmen womöglich bald dazu zwingen zu wollen, ihre proprietären Kundendaten in ein separates Joint Venture mit Staatsbeteiligung auszugliedern.

Obwohl sich eine solche Restrukturierung erheblich auf die Betriebs- und Wachstumsmodelle der Plattformen auswirken würde, entsprechen die Kredit-Spreads der Unternehmen mit ausstehenden Hartwährungsanleihen den Tiefstständen vor der Pandemie.

2,75 Milliarden US-Dollar Strafe für Alibaba

Das jüngste wettbewerbsrechtliche Ermittlungsverfahren gegen Alibaba führte zu einer Geldstrafe von 2,75 Milliarden US-Dollar, was etwa 4 Prozent des Umsatzes von Alibaba im Jahr 2019 entspricht. Nach chinesischem Recht ist eine Strafe von bis zu 10 Prozent vorgesehen. Die Aktien von Alibaba legten im Anschluss an die Bekanntgabe dieser Geldstrafe zu, während die Kredit-Spreads des Unternehmens ihr relativ enges Niveau beibehielten.

Mit Blick auf die Zukunft glauben wir, dass die chinesische Regierung als einschneidende Maßnahme das  Zerschlagen der Konglomerate in Erwägung ziehen könnte, obwohl die Wahrscheinlichkeit eines solchen Schritts angesichts der gewaltigen Beschäftigtenzahlen dieser Unternehmen gering ist.

Wir halten es für wahrscheinlicher, dass die Regierung Geldstrafen und andere Strafmaßnahmen einsetzen wird, um das Wachstum der Konzerne zu bremsen. Kapitalbeschaffungsmaßnahmen und Akquisitionen könnten ebenfalls eingehender geprüft werden. Tatsächlich wurde Ant Financial Mitte April aufgefordert, eine Finanzholding zu gründen und Eigenkapitalquoten einzuhalten, die denen eines traditionellen Finanzinstituts ähneln.

Die Tage der ungezügelten Expansion gehören der Vergangenheit an

Deshalb gehen wir davon aus, dass die Plattformen bei der Erweiterung ihrer Ökosysteme in Zukunft vor zusätzlichen und höheren Hürden stehen werden. Die chinesischen Aufsichtsbehörden prüfen derzeit, ob eine geplante 6-Milliarden-Dollar-Fusion zwischen drei Live-Stream-Gaming-Firmen unter dem Dach von Tencent gegen das Kartellgesetz des Landes verstößt.

Dies wäre das erste Mal, dass dieses Gesetz auf den Internet-Sektor des Landes angewendet wird. Das neu entstehende Unternehmen hätte einen Marktanteil von etwa 80 Prozent, und Tencent würde eine Beteiligung von 67,5 Prozent halten.

Alibaba soll seinerseits gezwungen werden, seine Medien-Beteiligungen zu verkaufen, darunter die South China Morning Post, Hongkongs wichtigste englischsprachige Nachrichten-Publikation. Alibaba besitzt außerdem große Beteiligungen an einflussreichen Medien wie Weibo, einem Twitter-ähnlichen Dienst, und Youku, einem der größten Video-Streaming-Dienste des Landes, die ebenfalls ins Visier der Regulierungsbehörden geraten könnten.

Schlagzeilenrisiko erheblich gestiegen

Aktuell sehen wir keine signifikante Gefahr für die Kreditprofile der Plattform-Unternehmen. Tencents liquide Mittel und kurzfristige Anlagen deckten zum Ende des Geschäftsjahres 2020 insgesamt 87 Prozent seiner Gesamtverschuldung ab.

Indem sich die chinesische Regierung nun verstärkt in das Geschäft der Plattform-Unternehmen einmischt, hat das Schlagzeilenrisiko erheblich zugenommen. Die relativ engen Kredit-Spreads decken dieses Risiko aus unserer Sicht nicht völlig ab.

Wir evaluieren unsere Untergewichtung dieser Unternehmen daher nicht nur im Hinblick auf die Kreditfundamentaldaten der Plattformen, sondern auch mit Blick auf Aspekte wie wettbewerbswidrige Praktiken und Kapitalakkumulation, die China dazu veranlassen könnten, in Zukunft noch weitere Maßnahmen zur Bändigung seiner Tech-Titanen zu ergreifen.


Über die Gastautorin:
Yanru Chen ist Vize-Präsidentin und Kreditanalystin des Emerging Markets Corporate Bond Research Teams von PGIM Fixed Income in Singapur. Bevor sie 2013 zu PGIM kam, war Yanru Chen als Kreditspezialistin bei der Deutschen Bank tätig.

>>Alle hierzulande zugelassenen PGIM-Fonds in der Übersicht

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