
Trotz zunehmender geopolitischer Spannungen zeigte sich die Weltwirtschaft Anfang 2025 überraschend widerstandsfähig, und die Inflation normalisierte sich weiter. Allerdings könnte die Wirtschaftspolitik von US-Präsident Donald Trump – die die Nachkriegsordnung infrage stellt, Handel auch gegenüber langjährigen Verbündeten als Druckmittel einsetzt, mit ständigen Kurswechseln Unsicherheit schafft und das Vertrauen von Haushalten wie Unternehmen untergräbt – die globale Konjunktur letztlich spürbar belasten.
China: Handelsspannungen bremsen das Wachstum – Reformen könnten den Kurs ändern
Obwohl das Wachstum zu Beginn des Jahres noch solide war, deuten die Einkaufsmanager-Index (PMI)-Umfragen nun auf eine Verlangsamung sowohl in Chinas verarbeitendem Gewerbe als auch im Dienstleistungssektor hin. Die Jugendarbeitslosigkeit – insbesondere unter Hochschulabsolventen – ist nach wie vor hoch, und das Verbrauchervertrauen bleibt schwach. Auf die Frage, wofür sie ihr Einkommen verwenden wollen, sagen sechs von zehn Haushalten, dass sie lieber sparen, statt es für Konsum oder Immobilien auszugeben – ein deutlicher Anstieg im Vergleich zu den vergangenen zehn Jahren (Quelle: Chinesische Zentralbank). Der deflationäre Druck bleibt demnach bestehen.
Der Immobiliensektor ist noch immer durch das rasante Bautempo der Vergangenheit belastet und muss sich erst noch erholen. Gleichzeitig dämpfen die weit verbreiteten Überkapazitäten in vielen Industriesektoren weiterhin die Investitionen der Unternehmen.
Infolgedessen hängt das Wachstum Chinas weiterhin von der Stärke seines Außenhandels ab. Angesichts der eskalierenden Handelsspannungen wird diese Exportabhängigkeit problematisch. China versucht, die US-Zölle zu umgehen, indem es seine Exporte über Drittländer umleitet und den Wachstumsschock durch die Expansion in neue Märkte auszugleichen versucht. Diese Strategie stößt jedoch auf zunehmenden Widerstand bei den Handelspartnern – viele von ihnen sehen sich auch mit dem Protektionismus der USA und dem Druck der Trump-Regierung konfrontiert, den Handel mit China zu reduzieren. Wenn es nicht zu einer grundlegenden Änderung der US-Handelspolitik kommt, wird Peking in den kommenden Monaten die inländischen Konjunkturmaßnahmen erheblich verstärken müssen, um sein Wachstumsziel von 5 Prozent für 2025 zu erreichen.
Die entscheidende Frage ist, ob China bereit ist, über kurzfristige Konjunkturhilfen hinauszugehen und tiefgreifende Reformen seines Sozialsystems anzugehen. Denn der Ausbau öffentlicher Gesundheits- und Rentenleistungen könnte dazu beitragen, das hohe Vorsorgesparen zu verringern. Falls China diesen Kurswechsel einschlägt, wäre das ein bedeutender strategischer Schritt – hin zu einem stärker binnenwirtschaftlich getriebenen Wachstum, das weniger von Exporten abhängt und robuster gegenüber geopolitischen Risiken ist.
USA: Robustes Wachstum – aber wie lange noch?
Zu Beginn des Jahres wurde die wirtschaftliche Dynamik in den USA weiterhin von einer starken Binnennachfrage getragen. Die Schaffung von Arbeitsplätzen war recht stabil, obwohl sie sich verlangsamt hat – von über 200.000 Arbeitsplätzen pro Monat Ende 2024 auf unter 150.000 seit Januar (Quelle: Amt für Arbeitsstatistik, BLS). Unternehmensumfragen deuten nun darauf hin, dass sich das Wachstum in der zweiten Jahreshälfte weiter abschwächen könnte: Das Vertrauen der Haushalte schwindet, die Investitionsabsichten der Unternehmen haben sich eingetrübt und die Exportaufträge sind stark rückläufig. Es ist jedoch nach wie vor schwierig, das potenzielle Ausmaß der Konjunkturabschwächung zu beurteilen. Die Unsicherheit über die US-Wirtschaftspolitik war selten so groß.
Wir rechnen mit einer spürbaren Abkühlung der US-Wirtschaft. Dabei wird angenommen, dass sich die Zölle bei rund 15 Prozent einpendeln – deutlich unter dem Niveau, das am „Liberation Day“ verkündet wurde. Auch von der Fiskalpolitik erwarten wir nur eine geringe Unterstützung: Für 2026 rechnen wir mit einem Wachstumsimpuls von lediglich 0,3 Prozentpunkten des BIP – weniger, als man angesichts der Verschlechterung des staatlichen Haushalts erwarten könnte. Besonders kritisch: Geplante Kürzungen bei Sozialprogrammen dürften vor allem einkommensschwache Haushalte belasten, während die vorgesehenen Steuererleichterungen vor allem Besserverdienenden zugutekommen. Diese dürften einen Großteil der Entlastung eher sparen als ausgeben.
Angesichts der Ungewissheit über das Wirtschaftswachstum und die Inflation hat die Federal Reserve allen Grund, in den kommenden Monaten vorsichtig zu bleiben. Es ist unwahrscheinlich, dass sie ihren Zinssenkungszyklus wieder aufnimmt, bevor sich die Konjunkturabschwächung festgesetzt hat – wahrscheinlich gegen Ende des Jahres.
Langfristig könnte die Wirtschaftspolitik unter Trump die USA auf einen riskanten Kurs führen. Prognosen zufolge dürfte das Haushaltsdefizit dauerhaft bei etwa 6,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen. Damit bliebe im Falle einer Rezession nur sehr begrenzter finanzpolitischer Spielraum, um gegenzusteuern.
Auch die geplante Verschärfung der Einwanderungspolitik könnte das Wachstumspotenzial der US-Wirtschaft dämpfen, da Arbeitskräfte fehlen und demografische Herausforderungen zunehmen.
Hinzu kommt das erklärte Ziel der Regierung, den US-Dollar gezielt zu schwächen. Doch diese Strategie ist nicht ohne Risiken: Anhaltend hohe Staatsdefizite dürften kaum dazu beitragen, das chronische Defizit in der US-Leistungsbilanz zu korrigieren. Gleichzeitig könnte die „America First“-Politik andere große Volkswirtschaften wie die EU oder China dazu veranlassen, ihre Ersparnisse verstärkt im eigenen Land zu investieren, anstatt sie wie bisher in US-Staatsanleihen zu lenken. Die Folge: Die Risikoaufschläge („Laufzeitprämien“) für langfristige US-Anleihen könnten dauerhaft steigen.
Trumps Konfrontationskurs auf vielen Ebenen mag zwar kurzfristig Wirkung zeigen – doch die Strategie ist mit erheblichen wirtschaftlichen Unsicherheiten verbunden. Die Bilanz könnte am Ende in erster Linie ein geschwächter US-Dollar sein – nicht aber die gewünschten strukturellen Verbesserungen.
Eurozone: Konfrontation mit den Herausforderungen der Trump-Administration
Die Eurozone verzeichnete im ersten Quartal 2025 mit einer annualisierten Wachstumsrate von 2,5 Prozent (Quelle: Eurostat) einen kräftigen BIP-Aufschwung. Ein Großteil dieses Anstiegs ist jedoch auf einen drastischen Sprung des irischen BIP um 45 Prozent auf Jahresbasis zurückzuführen, der durch einen Schub bei den pharmazeutischen Exporten im Vorfeld der erwarteten US-Zollerhöhungen verursacht wurde.
Ohne Irland bleibt das jährliche Wachstum in der Eurozone mit knapp unter 1 Prozent bescheiden. Der Konsum hat immer noch Mühe wieder in Schwung zu kommen, da die Haushalte sowohl die wirtschaftliche Lage als auch die Beschäftigungsaussichten zunehmend pessimistischer einschätzen. Die Unternehmensinvestitionen bleiben angesichts der anhaltenden Unsicherheit und des schwachen Nachfragewachstums gedämpft. Die geldpolitische Lockerung, die im vergangenen Jahr vorgenommen wurde, dürfte jedoch zu einer Belebung der Wohnungsbauinvestitionen beitragen.
Die künftige Entwicklung der Eurozone wird stark vom Ergebnis der Zoll-Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten abhängen. Nahezu 2 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung der Eurozone stammen aus der Wertschöpfung durch den Export verarbeiteter Güter in die USA. Bei den derzeitigen Zollsätzen könnte die US-Handelspolitik das Wachstum der Eurozone um 0,5 Prozent verringern. Auch Europa könnte stärker unter Druck geraten, wenn China seine Anstrengungen erhöht, den europäischen Binnenmarkt zu erschließen.
Einige dieser Schocks könnten durch den deutschen Finanzplan und die Bemühungen der EU, die Verteidigungsausgaben zu erhöhen, abgefedert werden. Sollten die Handelsspannungen jedoch weiter eskalieren, besteht die Gefahr einer deutlichen Abkühlung. Dies würde die EZB wahrscheinlich zu weiteren Zinssenkungen veranlassen und den Einlagensatz bis zum Jahresende möglicherweise auf 1,5 Prozent senken.
Auch wenn das Wachstum nachlässt, hat Trumps Außenpolitik zumindest eine indirekte Wirkung: Sie hat das Vertrauen Europas – insbesondere Deutschlands – in den amerikanischen Schutzschirm erschüttert. Damit wächst der Druck, sich außen- und sicherheitspolitisch neu aufzustellen.
Deutschland hat sich lange auf zwei Stützen verlassen: billige Energie aus Russland und eine starke Nachfrage aus dem Ausland, vor allem aus China. Gleichzeitig wurden wichtige Investitionen, etwa in die Infrastruktur, über Jahre vernachlässigt. Die einseitige Fokussierung auf Wettbewerbsfähigkeit und strikte Haushaltsdisziplin stößt nun an ihre Grenzen – das zeigt sich auch darin, dass das deutsche BIP seit 2019 kaum noch wächst.
In diesem Zusammenhang sind die finanzpolitische Wende unter Bundeskanzler Merz und der Start der EU-Initiative ReArm zu begrüßen. Aber sie werden nicht ausreichen. Der Bericht von Mario Draghi zur Wettbewerbsfähigkeit Europas, „The future of European competitiveness – A competitiveness strategy for Europe“, lässt keinen Zweifel aufkommen: Die EU muss in den kommenden Jahren mindestens 800 Milliarden Euro pro Jahr – 5 Prozent des BIP – investieren, um ihren Wettbewerbsvorteil wiederzuerlangen. Der Vorschlag von Draghi, die europäischen öffentlichen Güter – Energie, Verteidigung, Innovation – durch die Emission gemeinsamer Schuldtitel zu finanzieren, ist jedoch nach wie vor umstritten. Für einige EU-Mitglieder sind Haushaltsdisziplin und nationale Souveränität weiterhin nicht verhandelbar. Die Herausforderung in Europa ist also nicht nur eine wirtschaftliche, sondern vor allem eine politische.