Milliarden-Fondsmanager im Gespräch „Cash is King gilt mehr denn je“

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Welche afrikanischen Länder zählen zu Chinas wichtigsten Partnern?

Leverenz: Neben Äthiopien auch Kenia, mit dem Hafen von Mombasa als zentralem Baustein der Initiative auf dem afrikanischen Kontinent. Kenia und China haben in den vergangenen Jahren mehrere Vereinbarungen zu einer Vielzahl von Sektoren abgeschlossen, zum Beispiel 2014 zur Stärkung des chinesischen Tourismus in Kenia und 2018 zur Steigerung der kenianischen Agrarexporte nach China und zur Stärkung der Innovation.

Wie lauten aktuell Ihre heimlichen Helden auf der Weltkarte?

Leverenz: So etwas wie heimliche Helden haben wir nicht. Wir sind aber überzeugt, dass China die wichtigste Anlage-Story in den Emerging Markets und der globale Wachstumstreiber sein wird. Wir sehen Russland weiterhin als ein Land, das trotz des plötzlichen Einbruchs der Rohöl- und Erdgaspreise Anfang 2020 für künftige Herausforderungen gerüstet ist und wahrscheinlich einen moderaten Leistungsbilanzüberschuss aufweisen wird. Das russische BIP wird in diesem Jahr zwar so stark schrumpfen wie seit über einem Jahrzehnt nicht mehr. Nach mehrjährigen Maßnahmen zur Stärkung seiner Wirtschaft sollte das Land dies aber überstehen können.

Externe Faktoren wie geopolitische Spannungen und daraus resultierende Sanktionen haben die russische Wirtschaft in der Vergangenheit regelmäßig belastet. Diese wiederholten Schocks haben kontinuierliche Anpassungen am Wirtschaftssystem erzwungen und die Regierung zu einer Überkompensation veranlasst, indem sie zulässt, dass die Währung und der Markt in Echtzeit auf Krisen reagieren. Dies hat dazu beigetragen, dass das Land besser gegen weiterreichende wirtschaftliche Schocks gewappnet ist als viele andere Schwellenländer.

Dezentrales Arbeiten ist zur Norm geworden. Wie können Anleger davon profitieren?

Leverenz: Mit dem dezentralen Arbeiten verbundene Themen wie Konnektivität, Effektivität und Effizienz hängen von vielen Variablen ab. Wie sich dies in den verschiedenen Branchen langfristig auswirken wird, ist aber noch offen. Klar gibt es Unternehmen, die vom generellen Trend zur Umstellung auf integrierte Online-Plattformen und von weiteren Digitalisierungsinitiativen profitieren können.

Ein solches Unternehmen ist Tencent. Tencent hat in China quasi in allen Bereichen seine Finger im Spiel, egal ob bei sozialen Netzwerken, Nachrichtendiensten, Online-Spielen oder Cloud- und Content-Plattformen. Mit Diensten wie WeChat, WeChat Work oder Tencent Meeting und Zahlungs-, Werbe- und Cloudlösungen ist das Unternehmen hervorragend aufgestellt, um von bestehenden Trends zu profitieren, die durch die Pandemie zusätzlich beschleunigt werden.

Wie beurteilen Sie die aktuellen Entwicklungsperspektiven der Türkei? 

Levrenz: Unter den großen Schwellenländern sehen wir in der Türkei besonders ausgeprägte strukturelle Risiken. Problematisch sind vor allem die enorme Auslandsverschuldung der Türkei, bedeutende Währungsinkongruenzen (Währungsunterschiede zwischen Erlösen und Verbindlichkeiten) im Unternehmens- und Bankensektor und die unrealistische Wachstumssucht der Politik, die allein mit inländischen Ersparnissen nicht zu finanzieren ist. Nachdem die türkische Wirtschaft 2020 so stark geschrumpft ist wie seit mehr als zehn Jahren nicht mehr, sorgen die schwache Währung, Inflationsdruck und eine fragile außenwirtschaftliche Position dafür, dass die Abwärtsrisiken weiterhin überwiegen.

Sprechen wir von Mittel- und Osteuropa, etwa Polen, Rumänien und der Tschechischen Republik: Wie schätzen Sie da die Perspektiven ein?

Leverenz: Wir legen den Fokus weiterhin auf die Erschließung attraktiver langfristiger Anlagemöglichkeiten. Unter diesen Ländern ist Polen vergleichsweise weit entwickelt, deutlich weiter als Rumänien. Und die Tschechische Republik ist die kleinste dieser Volkswirtschaften, gemessen an der Größe ihres Konsummarkts. Alle bieten aber im Vergleich zu anderen Schwellenmärkten nur relativ begrenzte Anlagechancen. Unsere Portfolios sind derzeit nur in geringem Maße in Polen investiert.

Die Pandemie hat Brasilien schwer getroffen, aber die hohen Staatsausgaben und die Lockerung der Geldpolitik haben zu einer gewissen Stabilität der Wirtschaft beigetragen. Bei den lokalen Anlegern werden in der Folge brasilianische Aktien neu entdeckt: Wie nachhaltig ist diese Entwicklung?

Leverenz: Brasilien ist zwar die drittgrößte Volkswirtschaft unter den Schwellenländern, hat aber in den vergangenen zehn Jahren nur sehr schwache Wachstumsraten erzielt. Wir sehen kein Szenario, in dem Brasilien als wachstumsstarke Wirtschaft überzeugen würde.

Warum?

Leverenz: Brasilien hat mit so vielen selbstverschuldeten Hemmnissen zu kämpfen, dass ein bedeutendes strukturelles Wachstum hier bis auf Weiteres nicht zu erwarten ist. Brasilien hat eine ausgeprägte Doppelwirtschaft, die durch eine extrem ungleiche Einkommensverteilung aufrechterhalten wird. Das ist im Pandemieumfeld sehr deutlich geworden.

Diese und weitere Herausforderungen werden das Wachstum kurzfristig bremsen und könnten zu einem langsameren, langwierigeren Erholungsprozess führen. Nach einer pandemiebedingten Rezession im Jahr 2020 dürfte 2021 ein Aufschwung folgen, wenn sich die Nachfrage im In- und Ausland langsam wieder erholt. Für uns gehört Brasilien ganz klar zu den wachstumsschwächeren Volkswirtschaften. Trotzdem sehen wir auch hier einige potenziell spektakuläre Anlagemöglichkeiten.

Letztlich investieren wir auch nicht in Länder, sondern in Unternehmen, die uns wirklich überzeugen. Für Optimisten wird Brasilien wahrscheinlich weiter eine Enttäuschung sein. Anleger, die mit der nötigen Vorsicht vorgehen, sollten von brasilianischen Aktien aber nicht enttäuscht werden.

Wie sieht es im Nachbarland Argentinien aus?

Leverenz: Nach dem Einbruch der Wirtschaft im ersten Halbjahr 2020 befindet sich das Land immer noch in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage. Durch die anhaltend hohen Infektionszahlen wurden die Einschränkungen in einigen Regionen im vierten Quartal 2020 verlängert. Dies und das sehr schwache Konsumklima machen wenig Hoffnung auf eine kräftige Erholung im Jahr 2021.

Nach dem starken Wachstumsrückgang im Jahr 2020 ist aber zumindest im zweiten Halbjahr 2021 mit einer zaghaften Erholung zu rechnen. Die anhaltenden makroökonomischen Ungleichgewichte, die sehr hohe Inflation, Kapitalverkehrskontrollen und eine potenziell marktfeindliche Politik werden das Wirtschaftswachstum aber weiterhin bremsen.

Welche Länder in Lateinamerika halten für Investoren viel Potenzial vor?

Leverenz: Bei unseren langfristigen Anlageentscheidungen stehen nicht die Länder, sondern die Unternehmen im Fokus. Die größten lateinamerikanischen Volkswirtschaften Brasilien und Mexiko haben mit einer Vielzahl von Problemen zu kämpfen, die von einer hohen Auslandsverschuldung und bedrohlichen Staatsdefiziten bis zu einer schlechten Asset-Qualität reichen. Hinzu kommen negative externe Faktoren wie das schwächere Wachstum der Weltwirtschaft, die strukturelle Rohstoffpreisschwäche und die potenziell negativen langfristigen Folgen einer höheren Staatsverschuldung.

Die Suche nach Sicherheit und die Angst, etwas zu verpassen – der sogenannte Fomo-Effekt –, haben zu einer Konzentration auf asiatische Aktien geführt und große Teile von Lateinamerika vom Radarschirm der Anleger verschwinden lassen. Wir glauben, dass sich dadurch Möglichkeiten für Stockpicker eröffnen, langfristig solide aufgestellte Unternehmen zu attraktiven Bewertungen zu finden.